DIE ZEIT: Frau Wagenknecht, wer ist für Sie die größere Autorität in Sachen Gerechtigkeit: Karl Marx oder der Papst?
Sahra Wagenknecht: Der Papst hat in deutlichen Worten kritisiert, dass die Einkommen immer mehr auseinanderklaffen. Ich glaube, jeder Mensch mit Sinn und Verstand, der sich Verhältnisse anschaut, wo ein Aktienanalyst das Tausendfache eines Altenpflegers verdient, kann nur zu dem Schluss kommen, dass wir heute eine zutiefst ungerechte Gesellschaft haben.
ZEIT: Sie erwähnen Marx nicht? Wir sind erstaunt! Was sagen Sie zu Marx, Herr Geißler?
Heiner Geißler: Ich hätte lieber was zum Papst gesagt.
ZEIT: Bitte!
Geißler: Seit Johannes Paul II. ist auch die katholische Kirche zu der Einsicht gekommen, dass das globale Wirtschaftssystem mit dem Evangelium nicht zu vereinbaren ist. Bei seinem letzten Besuch hier in Berlin hat Benedikt das leider sehr verzerrt.
ZEIT: Immerhin hat er im Bundestag eine Lanze für die Gerechtigkeit gebrochen .
Geißler: Aber es ist ärgerlich, dass er Augustinus falsch zitiert hat. Der sagt: Was wäre ein Staat ohne Gerechtigkeit anderes als eine große Räuberbande? Der Papst übersetzte iustitia einseitig mit Recht. Das ist falsch. Iustitia heißt Gerechtigkeit, und Gerechtigkeit ist mehr als Recht. Das war sicher kein Lapsus, sondern Absicht.
ZEIT: Haben Sie überlegt, ihm das nachzurufen?
Geißler: Das mache ich jetzt bei Ihnen.
ZEIT: Und was heißt nun Gerechtigkeit?
Geißler: Ich greife mal ein Gerechtigkeitsprinzip heraus: iustitia commutativa, also ausgleichende Gerechtigkeit. Sie soll natürliche Ungleichheiten zwischen den Menschen vor dem Gesetz ausgleichen. Leistung und Gegenleistung sollen einander entsprechen ebenso wie Ware und Preis, Schaden und Schadensersatz. Ich finde, dass die Wirklichkeit dem ins Gesicht schlägt. Teile dieser Wirklichkeit sind sogar verfassungswidrig.
ZEIT: Im Ernst? Arbeitgeberverbände könnten Ihnen entgegenhalten: Nie gab es in Deutschland mehr Erwerbstätige als heute. Und die oberen zehn Prozent der Steuerzahler stehen für 60 Prozent des Steueraufkommens. Die Lohnsumme steigt.
Wagenknecht: In Wahrheit haben die Arbeitenden immer weniger Anteil am volkswirtschaftlichen Reichtum. Die größten Einkommen werden erzielt aus purem Vermögensbesitz, der oft auf Erbschaft oder Spekulation zurückgeht. Eine Wirtschaftsordnung, in der Eigentum zu nichts verpflichtet, ist verfassungswidrig. Und die von Ihnen genannte Zahl bezieht sich nur auf die Einkommensteuer. Der größte Teil des Steueraufkommens kommt von den kleinen Leuten über Verbrauchssteuern.
Geißler: Wir haben weltweit eine massive Verletzung des Gerechtigkeitsgebots, die von der Völkergemeinschaft hingenommen wird. In den Favelas sterben täglich Kinder, weil die Grundnahrungsmittel Teil von Spekulationsgeschäften und daher immer teurer geworden sind. Die Preise sind keine gerechten Preise. Lohndumping ist die Regel . Und Schaden muss – siehe Finanzkrise – bekanntlich nicht von den Urhebern ersetzt werden, sondern vom Steuerzahler.
Wagenknecht: Das stimmt. Deshalb will ich dieses Wirtschaftssystem überwinden, weil es täglich Kinder sterben lässt. Der Kapitalismus erfüllt nicht einmal seinen eigenen Anspruch auf Leistungsgerechtigkeit – also dass sich die Verteilung der Güter nach der Leistung der Menschen richtet.
Wagenknecht: Klingt arg sozialdarwinistisch. Das Recht des Stärkeren ist doch ein urkapitalistisches Motiv.
Wagenknecht: Urkapitalistisch ist, dass eine Minderheit von der Arbeit der Mehrheit reich wird. Leistungsgerechtigkeit schließt ein, dass jeder die Chance hat, seine Fähigkeiten einzubringen. Wer arbeitslos ist, kann das nicht. Außerdem muss eine Gesellschaft – unabhängig von der Leistung – immer einen menschenwürdigen Standard für alle ihre Mitglieder gewährleisten. Hartz IV ist menschenunwürdig.
Kommentare
dass wir heute eine zutiefst ungerechte Gesellschaft haben
sagt frau Wagenknecht.
Das die saubere Frau Wagenknecht von dieser Ungerechtigkeit profitiert mag sie aber ungern zugeben.
"Die Linke plagt sich mit einem skurrilen Streit um die Europa-Abgeordnete Sahra Wagenknecht. Die Vorzeige-Kommunistin wurde bei einem opulenten Hummer-Essen in Straßburg fotografiert – und löschte später die Fotos."
http://www.spiegel.de/pol...
Sinnfreies Geblubber
Also 1.
Wagenknecht will nicht den Leuten das gute Essen wegnehmen, sondern lediglich dafür sorgen, dass nicht mehr die Banken die Regierungen diktieren, anstatt umgekehrt. In Griechenland und Italien regieren die Banken ja jetzt sogar direkt.
2. Handelte es sich bei dem Foto um eins beim Essen, wo sie natürlich nicht unbedingt günstig aussah. Dass Wagenknecht gern Hummer isst, hat man im Übrigen schon ofters gelesen und sie hat es nie abgestritten.
Wie ich dieses blöde Geschwätz hasse.
"Der ist Linker und gönnt sich was! Verräter! Lügner!"
Infragenstellen und auf den Grund gehende Systemanalyse
Dezentralisierte Genossenschaften anstreben (Beispiel Raiffeisen) und nicht Turbokapitalisierte Demokratie ,letzteres befindet sich in der Sackgasse.
Auch Gewinne sind angemessen zu sozialisieren. Wenn es bei den Verlusten geht, muss dies auch bei den Gewinnen gehen. Die heutigen Subventionen des Kapitals und die Enteignung der Bevölkerung (staatliche Bürgschaften und Inflation) kann / wird zu einem Pulverfass werden. Mit der Occupy-Bewegung formiert sich ein neues Denken in der Masse, wo sind die Antworten für 99% der Bevölkerung? Wo bleibt die Aufklärung und die Visionäre? Wagenknecht u.a. (siehe auch Geißler) sind ernst zu nehmen in Ihren Denkansätzen.
Wer Bestehendes nicht kritisch "Hinterfragt und Infrage" stellt, hat morgen keine Antworten auf die dann eingetretene Realität........
Der Kapitalismus
ist die natürlichste aller Wirtschaftsformen. Schlecht hingegen der "wildgewordene" Kapitalismus in Form von
Hedgefonds und den jeweiligen Spielgefährten. Zocken an der Börse ist nichts anderes als privates Glücksspiel und daher
zu verbieten. Glücksspiel wie wir wissen, kann süchtig machen,
und Süchtige sind jederzeit bereit ihre Mitmenschen zu ruinieren. Aktien sind ok, Aktienoptionen, Leerverkäufe etc. nicht. Hier müsste der Steuerungsmechanismus einsetzen.
Wer eine Immobilie kauft und nach vierzehn Tagen oder auch Stunden wieder verkauft, wird kräftig zur Kasse gebeten.
Wer ständig Autos kauft und wieder verkauft, bekommt Besuch vom Finanzamt. Dieser Mechanismus muss auch hier greifen.
Aber wer sägt den Ast auf dem er sitzt? Politiker und Lobbyisten wie unsere in der letzten Zeit ins Gerede gekommenen Stars vom Parteigenossen bis zum Bundespräsidenten? Ständige Empfehlung hierzu:
http://www.daserste.de/gier/
"Der Kapitalismus ist die natürlichste aller Wirtschaftsformen"
" Der Kapitalismus ist die natürlichste aller Wirtschaftsformen. "
Das könnte, ganz generalisiert, stimmen.
Der Kapitalismus ist darwinistisch und hochgradig selbstreferentiell.
Jeder gegen jeden, der "stärkste" gewinnt, und das ganze Elend wächst solange bis ein "natürlicher Feind" dem eine Grenze setzt oder die zur Sättigung der konsumierenden Masse notwendigen Ressourcen verbraucht sind.
Die Tatsache, dass wir dieses "natürliche" Wirtschaftssystem immer noch haben, zeigt jedoch, dass es mit der Emanzipation des hochentwickelten Menschen nicht allzuweit her sein kann.
Ich schaue in meinen Garten, sehe Meisen, Raben und Elstern wie sie sich um Brotscheiben streiten, obwohl genug Nahrung für alle da ist.
Schlimm, dass wir Menschen uns nicht viel anders verhalten, wie Tiere...
Schade, dass man die Linken nicht wählen kann
Zuviele verquaste Gestalten und Köpfe.
Frau Wagenknecht, Herr Lafontaine ...
Treten Sie in die SPD ein und putschen sie die neoliberale Clique weg!
die SPD ist nicht mehr
reformierbar. Wenn man die Ovationen für O.Schreiners Rede auf dem Parteitag betrachtet und sich danach in den Abstimmungen fast niemand traut, entsprechende Anträge zu unterstützen, kann man solcherart Hoffnungen begraben.