Es liegt am Winter, dass man es plötzlich merkt. Man geht seltener vor die Tür, und auf einmal wirkt drinnen alles eng und enger. Das ist das Gesetz der sich selbst vermehrenden häuslichen Fülle. Jeder kennt es. Und jeder versucht, es in den Griff zu bekommen. Ein Klassiker unter den guten Vorsätzen zum Jahreswechsel: Ordnung schaffen. Aufgeräumt soll das Jahr beginnen. Der Januar ist die beste Gelegenheit, dies in Angriff zu nehmen. Aber ist es überhaupt zu schaffen?
So lange ist es noch nicht her, dass Ordnung als typisch deutsch galt. Als Synonym für Zwang, Engstirnigkeit und einbetonierte Lebensplanung – ebenso wie die Sekundärtugenden Pünktlichkeit und Sauberkeit. Und heute? Um Pünktlichkeit müht sich die Deutsche Bahn inzwischen oft vergebens. Sauberkeit wird nur noch zum Thema, wenn Ehec-Keime einige Wochen lang zu mehr Hygiene bei der Essenszubereitung zwingen. Und nun geht auch noch die Ordnung dahin. So what?
Aber dann gucken wir uns in der Wohnung der Nachbarn um: ein junges Paar, das offenbar spielend leicht Ordnung hält. Doppelverdiener ohne Kinder, eben zurück von einem zweijährigen Japan-Aufenthalt. Wahnsinn, wie cool und aufgeräumt es da aussieht. Eine durchdachte Inszenierung – oder? Diese beiden lieben es jedenfalls, zu sortieren, zu stapeln, auf Kante zu legen und rechtwinklig auf die Reihe zu bringen. Dagegen sieht es bei uns – zwei Erwachsenen, dazu zwei Pubertierende, deren Zimmer das äußere Bild inneren Aufruhrs bieten – aus wie bei Hempels unterm Sofa. Kram, Plunder, Zeug ohne System, über alle Räume verteilt. Kann das mal bitte jemand in Ordnung bringen?
Erste Regel: Die Dinge müssen sich Ihrem Leben anpassen. Nicht umgekehrt.
Natürlich wissen wir längst, dass unser Glück nicht vom Besitz von Dingen abhängt. Und besitzen trotzdem viel und immer mehr. Zwei Zahlen, die das Problem umreißen: Gerade einmal 20 Prozent unserer Kleidung werden laufend getragen, hat ein Textilverband geschätzt. Die restlichen 80 Prozent verstopfen die Schränke, auf den nächsten Einsatz wartend – monatelang, jahrelang.
Unabweisbar zum Problem wird die Fülle im Fall eines Wohnungswechsels. Wer heutzutage umzieht, braucht mehr Platz im Möbelwagen als je zuvor: Durchschnittlich sind es 40 Kubikmeter, bis auf den letzten Zentimeter gestaut. Bald werden die Speditionen Giga-Laster mit Umzugsgut auf die Autobahnen schicken müssen.
Mario Jacobeit, Umzugsberater bei der Firma Zapf , kennt das Problem. Die Erfahrung aus 17 Jahren hat ihn milde gestimmt, oder besser: illusionslos. Wünscht ein Kunde einen Kostenvoranschlag, rückt der robuste Berliner an, um sich an Ort und Stelle ein Bild zu machen von Umfang und Besonderheiten des Auftrags. Was sich nun abspielt, weiß er im Voraus: »In jedem zweiten Haushalt, in dem wir beraten, heißt es: Gucken Sie bitte nicht so genau in die Ecken, davon kommt bestimmt noch ein Drittel weg. Ich räume noch mal auf, bevor wir umziehen.«
Es kommt aber kein Drittel »weg«, nicht einmal ein Sechstel, im Gegenteil: Alles darf mit, und was nicht dringend und regelmäßig benutzt wird, bleibt erst einmal eingepackt. »Niemand, der am Ersten eines Monats umzieht, ruft am Dritten an und bittet um Abholung der Umzugskisten, weil alles bereits eingeräumt ist«, lautet Jacobeits Erfahrung. Das überflüssige Zeug bleibt im Karton, da ist es verstaut und fällt nicht ins Auge.
Kommentare
Jeder finde seine eigene Ordnung
Ich möchte es auch so gerne ordentlich haben!
Vieles von dem,was ich weggebe,brauche und suche ich nach einem halben Jahr,oder es war so alt und unmodern,daß es just nach dem Rauswurf in einem Wohnmagazin als hip wieder auftaucht. Dazu kommt die Eurokrise - könnte man nicht einiges als Tauschobjekt aufheben,wenn der Euro nichts mehr wert sein sollte? :)
Miste ich den Kleiderschrank aus,wird vieles nur umsortiert: ein Stapel Gartenklamotten,-Winter/Sommer,-Zelten,für die Gemeindekleiderkammer,für die schlankere Freundin etc.
Diese Filme mit alten Häusern und großen Dachböden und den Geschichten,die sich daraus weben,finde ich besonders sympatisch und bestärken mich darin,dass es gut ist,nicht alles wegzuwerfen.
Soll der ganze Hype um Ordung nicht nur den Konsum ankurbeln?
Ich halte nichts von Resourcenverschwendung und weniger,aber haltbare Dinge zu kaufen ist sogar Trend(in manchen Kreisen)!
Wenn einer seinen Platz zum Basteln geschaffen hat, ist villeicht das Material dazu verschwunden...
Jeder finde seinen ganz eigenen Ordnungstil.
die eigene ordnung
ja, ich denke auch, dass jeder für sich seine eigene Ordnung finden sollte. Im privaten Bereich habe ich keine Probleme damit nur soviel Geschirr zu besitzen, wie in meine (kleine) Geschirrspülmaschine passt. Neuanschaffungen sind 2nd hand und wenige. Im beruflichen Bereich sieht es jedoch anders aus. Ich arbeite als Texildesignerin mit alten (vintage) Textilien und muss auch ohne Projekt zuschlagen, wenn ich einen schönen alten Knopf finde oder einen Ballen alten Leinen oder einen Stapel alter Leinenhandtücher. Dazu kommen die Werkzeuge wie Spinnrad, Webstuhl, Färbetöpfe und Sammlungen getrockneter Pflanzenfarben, Nähmaschine und Dutzende Rollen Nähgarn (auch alles 2nd hand) usw und schon ist der schöne freie Platz vollgestellt ;o)
Was ich damit veranschaulichen möchte ist, dass dies alles Situationen sind auf die kein standardisierter Ordnungsratgeber eine Antwort weiß. Die Antwort kann ich nur für mich selbst finden. Und wenn mein Werkraum (i.e. mein Wohnzimmer) dann einfach aussieht als sei ein Wäschelager umgefallen, muss ich bis zur nächsten Sortieraktion halt einfach damit leben - ebenso wie jeder Besucher. Ich denke, früher oder später sollte man sich einfach von dem CHAOSyndrom (can't have anyone over syndrome) frei machen und entweder keine Besucher mehr empfangen oder alle freundlich und freudig hereinbitten. Keiner von denen wird mir meine Wohnung aufräumen. Küche und Bad sind immer sauber, was will ich mehr.
Richter Gnadenlos ! Teil 1
Wie sagt Goethe so schön: Was man nicht nutzt ist eine schwere last..! Ich bin gerade dabei nicht nur zu entrümpeln sondern meine Einrichtung und meinen Besitz auf das Absolute Minimum zu reduzieren. s ist sehr schwer, sich von Dingen zu trennen, bei denen einem der Satz einfällt: Vielleicht kann ich es noch einmal gebrauchen. Oder: Hat doch so viel Geld gekostet! Wenn es einmal weg ist, juckt einen das nie mehr, alle vorherigen Bedenken sind gegenstandslos und tauchen nie wieder auf. Aber es kann ohne weiteres sein, dass man gerade jetzt etwas benötigt, was bereits verschenkt oder receycled wurde. Das überlebt man allerdings und mit vielen Improvisationen und Kreativität kann man sich (kostenlos) oft einen Ersatz schaffen. Die Stichsäge, die hundert Jahre im Regal gelagert hat kann man auch mal vom Nachbarn ausleihen, Bücher die zum Altpapier gewandert sind gibt es als Ebook etc.. Ist übrigens eine Prima Sache so ein Ebook, man bekommt Tausende von sehr guten Büchern kostenlos...
Geschirr habe ich soviel, wie in eine Geschirrspülmaschine hineinpasst, das ist immer noch sehr viel obwohl diverse Töpfe und Pfannen wahrscheinlich schon in BWM-Motoren verwandelt wurden. Wäsche nur das, was man gerne anzieht, jeder Reservekram wurde reduziert.
Möbel besorge ich mir nur noch aus purem Holz, wenns geht (und das geht immer) gebraucht und originell. Die können bei einem Umzug auch mal als Heizmaterial dienen, so schleppt man sie nicht sinnlos durch die Gegend.
Sehr, sehr bedenklich
"Möbel besorge ich mir nur noch aus purem Holz... Die können bei einem Umzug auch mal als Heizmaterial dienen..."
Haben Sie eigentlich eine Ahnung, was so alles an Lacken, Farbstoffen, Leimen und Insektenschutzmitteln in einem Holzmöbel steckt? Auch vermeindlich natürlich aussehendes Holz ist sehr oft chemisch behandelt. Was Sie da verbrennen, lagert sich dann netterweise als Giftstoffe in Nachbars Garten ab, aus dem die Nachbarskinder voller Freude die selbstgepflanzten Karrotten ziehen!
Ich finde es äusserst bedenklich, dass Sie eine Anleitung zu einer Umweltverschmutzung, die sich in Form von Giften für Jahre in den Böden der Nachbarsgärten absetzt, als Supertip verkaufen! Wer Holz verbrennt, sollte entweder explizit als Brennholz deklariertes Holz kaufen oder absolut sicher sein, dass es unbehandelt ist, weil er es selbst direkt aus dem Wald geholt hat.
Entrümpeln
Als ich das letzte Mal meinen Kleiderschrank ausgemistet habe, sind 13 !!! große Müllsäcke zusammen gekommen. Wer jetzt denkt, dass in meinem Kleiderschrank nun gähnende Leere herrscht, irrt sich, er ist nur nicht mehr so gnadenlos zugestopft.
Ich konnte mich auch lange Zeit von nichts trennen, doch nachdem ich, nicht nur im Kleiderschrank, gnadenlos aussortiert habe, fühle ich mich befreit.
Richter Gnadenlos ! Teil 2
Meinem Empfinden nach haben solche Möbel wenigstens eine Seele, wenn auch oft eine einfache, aber immerhin. Was man so bei Ikea und Co-Kaufhäusern bekommt ist dagegen einfach nur Blend-und Zauberwerk, außen hui, innen Spanplatte mit Chemie zusammen gekleistert. Zugegeben sieht es manchmal nicht schlecht aus, trotzdem weigere ich mich, so etwas zu kaufen. Klar gibt es gute Möbel, aber die haben dann auch ihren Preis.
Manche Leute wundern sich, dass sie mit einem Fahrzeug, das 1,5 Tonnen wiegt ihre 80 Kgs durch die Gegend kutschieren, das sind immerhin pro Fahrzeug 1,420 Tonnen die mitfahren und bewegt werden müssen. Wer aber einmal seinen Besitz zusammenstellt und das z.B. in einem Möbelwagen eingequetscht sieht muss sich doch an den Kopf langen, mit wie viel Ballast er auf unserem Planeten herumreist. Nur einbetonieren ist schöner und hindert noch mehr.
Eine weitere Beobachtung: Wer äußerlich abspeckt, da passiert es auch mit dem Körper, man wird automatisch beweglicher, der Blick und das Atmen wird freier. Es gibt hunderte von Ausreden (da hängt meine Erinnerung dran) die einem in den Sinn kommen beim Wegwerfakt /Receyclingakt. Alles Quatsch. Die Unfreiheit will lediglich ihren Status quo erhalten. Man schwimmt so schön in der eigenen Brühe. Und die ist bei 98 Prozent der Leute sehr fett. Eine Diät ist angesagt und außerdem: Was nicht da ist muss auch nicht aufgeräumt werden!