Von so einer Beschäftigungsquote kann man in anderen Branchen nur träumen: Weniger als 0,6 Prozent der deutschen Ärzte sind arbeitslos. Doch was sich nach paradiesischen Zuständen anhört, wird vor allem auf dem Land immer mehr zu einem Problem. Hatten im Jahr 2006 erst 28 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser Schwierigkeiten, ihre Stellen im ärztlichen Dienst zu besetzen , waren es 2010 bereits 80 Prozent. Betroffen sind vor allem die kleinen Kliniken mit weniger als 300 Betten – also jene Wald-und-Wiesen-Häuser, die für die Grundversorgung zuständig sind.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Krankenhausärzte vor zwei Wochen nicht erst ihre Streikdrohung wahr machen mussten, um ihre Gehaltsforderung durchsetzen zu können; eine Tariferhöhung von 2,9 Prozent haben sie den kommunalen Arbeitgebern abgetrotzt. Doch aus ärztlicher Perspektive ist die Situation nicht nur rosig: Als Bewerber können Ärzte zurzeit zwar zwischen mehr als 5.000 offenen Stellen wählen, sind sie dann aber im Krankenhaus angekommen, leiden sie oft unter der Arbeitsbelastung in chronisch unterbesetzten Abteilungen.
Hauptgrund für den Ärztemangel ist gleich in zweierlei Hinsicht der demografische Wandel. So werden in den kommenden Jahren Tausende Ärzte in Rente gehen und verwaiste Praxen hinterlassen , weil sie keine Nachfolger finden. Gleichzeitig steigt bei zunehmender Alterung der Gesellschaft die Behandlungsbedürftigkeit. Von beiden Entwicklungen sind vor allem die ländlichen Regionen betroffen – denn, auch das ist ein anhaltender Trend, die Jungen wandern in die Städte ab.
Die Politik hat das Problem erkannt und im Dezember 2011 finanzielle Anreize für niedergelassene Ärzte geschaffen, damit sie sich eine Praxis in einer strukturschwachen Region suchen. Im Rahmen des neuen Versorgungsstrukturgesetzes erhalten Landärzte Vergütungszuschläge und dürfen ihre kassenärztlichen Budgets ohne finanzielle Einbußen überziehen. Wo sich partout kein Landarzt finden will, sollen außerdem die Kliniken bei der ambulanten Versorgung aushelfen.
Familienfreundlichkeit gefordert
»So wird der Mangel nur von links nach rechts verschoben«, sagt Andreas Beivers, Studiendekan für Gesundheitsökonomie an der Fresenius-Hochschule in München und Mitautor eines Beitrags zur wirtschaftlichen Lage der ländlichen Kliniken im soeben veröffentlichten Krankenhaus-Report 2012 . Monetäre Anreize hält Beivers nicht für ausreichend, um junge Medizinabsolventen aufs Land zu locken. Stattdessen müsse man die »strukturelle Attraktivität« steigern. »Es hat funktioniert, solange der Krankenhausarzt noch das klassische Rollenbild erfüllte und die Frau im Landhaus auf die Kinder aufpasste oder selbst Krankenschwester war«, sagt Beivers. » Heute aber ist jeder zweite Arzt eine Ärztin – und die fragt sich: Wer besorgt mir einen Kita-Platz für mein Kind und einen Job für meinen Partner?«
Mehr als 60 Prozent der Medizinstudierenden und mehr als 40 Prozent der Krankenhausärzte sind heute weiblich, doch nur acht Prozent der Chefarztpositionen sind mit Frauen besetzt. Spätestens seit der sogenannten Feminisierung der ärztlichen Profession ist das Thema Work-Life-Balance auch in den Krankenhäusern angekommen. Bereits jede zehnte Klinik beteiligt sich an dem Programm »Erfolgsfaktor Familie« des Bundesfamilienministeriums; viele versuchen mit Betriebskindergärten zu punkten oder bieten flexible Teilzeitlösungen an. Aus gutem Grund: In einer Via medici- Umfrage von 2006 nennen junge auswanderungswillige Ärzte vor allem Faktoren wie bessere Arbeitszeiten und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Ausland.
Es ist ein irrwitziges Personalkarussell, das sich in den Krankenhäusern dreht: Junge deutsche Mediziner zieht es ins Ausland, in die USA und die Schweiz , nach Großbritannien oder Schweden . Auf die frei werdenden Plätze springen wiederum ausländische Ärzte, vor allem aus Osteuropa . »Auf Dauer werden sie aber den Mangel an Ärzten nicht abpuffern können«, sagt Beivers. »Die Sprachbarrieren sind oft zu hoch, und mit dem zunehmenden Ärztemangel in den eigenen Heimatländern wird das Auswandern weniger attraktiv.« Bislang ist der Wanderungssaldo für Deutschland insgesamt negativ; es verlassen mehr deutsche Ärzte das Land, als ausländische gewonnen werden.
Kommentare
der NC
Der NC macht diesen Beruf unattraktiv fürchte ich, weniger die Arbeitsbelastung.
Wie ist das gemeint?
Der NC ensteht dadurch, dass zu viele Bewerber auf zu wenig Studienplätze kommen. Die Anzahl der Humanmedizinstudienplätze ist, verglichen mit anderen Studienplätzen sehr hoch, reicht jedoch für die Massen an Studenten die Medizin studieren wollen nicht aus, so jedenfalls in Deutschland in den letzten Jahren. Die Studienplätze in Medizin werden in Deutschland daher zu 20% nur nach der Abiturdurchschnittsnote; 20 % nach angesammelter Wartezeit und zu 60 % nach einen hochschuleigenen Auswahlverfahrens vergeben. (http://www.hochschulstart...). Die Anzahl der Absolventen ist mit 95% in den letzten Jahren, verglichen mit anderen Studiengängen, ebenfalls sehr hoch. Würden weniger Studienberechtigte das Studium aufnehmen wollen, wäre also das Verhältniss von Angebot größer bzw. ungefähr gleich dem der Nachfrage gäbe es keinen NC.
Warum?
Es ist mir auch ein völliges Rätsel warum ein Arzt studieren muss, wissenschaftliches Arbeiten wird eh nicht gelehrt, und ist für den Alltag eines Arztes auch nicht wirklich von Bedeutung.
Warum muss ein Anwalt Jura studieren?
Der arbeitet auch nicht wissenschaftlich und das Studium mag für seinen Alltag auch unerheblich sein. Aber Sie müssen ja irgendwie eine Qualitätssicherung haben. Wollten Sie etwa zu einem unstudierten Arzt gehen? Dann gehen Sie zum Heilpraktiker.
Hauptgrund für den Ärztemangel
Arzt zu werden oder zu sein, ist eigentlich so etwas, wie Berufung.
Wenn man das Studium jedoch nur aufnimmt, um einen Herzenswunsch der Eltern zu erfüllen oder weil man deren Druck nachgibt, dann entstehen die erkennbaren Probleme.
Man hat es dann mit kranken, auch mit alten, evtl. unappetitlichen und hilflosen lebenden menschlichen Wesen zu tun.
Die man eigentlich bei der Berufsausübung sogar anfassen müßte.
Alles ist anders, als in den Fernsehserien.
Da bekommt man schon Burnout, wenn man daran nur denkt.
Aber Gottseidank gibt es die Pharmaindustrie.
Die bezahlt gut, ohne daß man sich die Hände schmutzig machen muß.
Zumindest nicht so, daß es optisch erkennbar ist.
[...]
Gekürzt. Verzichten Sie auf polemische und unterstellende Äußerungen. Die Redaktion/mak
Sinnlose Polemik
Was für eine sinnlose Polemik.
Der NC
ist nicht so streng um Leute abzuwehren, sondern weil auf jeden Studienplatz mehrere Bewerber kommen. Man müsste also mehr Studienplätze schaffen.
@tuxman: gemäß Ihrer Logik: warum studieren dann Lehrer, Richter, Sozialarbeiter, Architekten...merken Sie was? Wahrscheinlich nicht. Was sind Sie von Beruf?