Kalervo Jolma hat schlechte Nachrichten: »Zwischen Helsinki und Tallinn ist um drei Uhr morgens ein Tanker mit einem anderen Schiff kollidiert«, sagt er. Sein Blick verfinstert sich. »Dabei sind 15.000 Tonnen Rohöl ausgelaufen, die treiben auf die finnische Küste zu!« Und Jolma, der eine Armada aus 50 Feuerwehr- und Ölbekämpfungsschiffen kommandiert, muss nun das Schlimmste verhindern.
Zum Glück ist das Ganze nur eine Übung. Balex Delta heißt das Manöver, das auf der Ostsee vor Helsinki stattfindet – eine der größten Ölpest-Simulationen weltweit. Eine multinationale Flotte von Spezialschiffen kreuzt zwischen den Schären, mittendrin »Kommandant« Jolma, der eigentlich Chefingenieur des finnischen Umweltinstituts ist. Mit richtigem Öl üben die Experten natürlich nicht – zu riskant für die Umwelt. Stattdessen haben sie Torf ins Wasser gestreut. Damit lässt sich die Ausdehnung des virtuellen Ölteppichs zumindest erahnen: Laut Manöverplan ist er sieben Kilometer lang und einen Kilometer breit.
Von Verschmutzungen dieses Ausmaßes war die Ostsee bislang verschont, Unfälle verliefen eher glimpflich. Doch das muss nicht so bleiben: Das Binnenmeer gilt als Risikogebiet, denn der Verkehr konzentriert sich auf wenige Routen, viele Passagen sind flach und schmal. »Die Ostsee wird mittlerweile von 20.000 Tankern pro Jahr befahren«, sagt Bernt Stedt von der schwedischen Küstenwache. »Und die Schiffe werden von Jahr zu Jahr größer.« Havarierte heute einer dieser Tanker, müssten die Fachleute wohl mit einer ähnlich verheerenden Ölpest rechnen wie 1989 bei der Exxon Valdez vor Alaska, 1999 bei der Erika vor der Bretagne oder 2002 bei der Prestige vor der spanischen Atlantikküste. Manöver wie Balex Delta sollen den Einsatzkräften helfen, sich für solch ein Desaster zu rüsten.
Kampf gegen den virtuellen Ölteppich
Zwei schwere Schlepper ziehen einen kilometerlangen, luftgefüllten Gummischlauch in die Breite. Die Sperre soll verhindern, dass der virtuelle Ölteppich auf eine Insel zutreibt. Ein paar Kilometer weiter löscht ein Feuerwehrschiff den (ebenfalls simulierten) Brand auf einem Tanker. Und überall versuchen Spezialschiffe mit Pumpen und Förderbändern, das Ölimitat von der Wasseroberfläche zu entfernen, um es in ihren Bordtanks zu lagern.
Eines der größten Schiffe der Übung ist die Arkona aus Deutschland, in Schleichfahrt tuckert sie über die See. An beiden Seiten des Rumpfs ragen metallene Arme heraus, die direkt auf der Wasseroberfläche aufsetzen. Rotierende Bürsten nehmen den Schmutz von der Wasseroberfläche auf und befördern es an Bord. Dort wird es in Tanks gepumpt, um es später an Land zu entsorgen.
Kommentare
Winter
Mich würde mal interessieren, wie die das im Winter anstellen? Die Ostsee ist Januar/Februar zwischen Estland und Finnland oft stark zugefroren und die Fahrrinnen von und nach St. Petersburg bzw. zwischen Tallinn und Helsinki müssen mit Eisbrechern frei gehalten werden.
Wäre spannend zu erfahren, wie man dann vorgeht.
Ölunfall, Packeis und Sturm?
Dann gnade uns Gott!
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Das sich das Öl auf die Fahrrinne beschränkt ist unwahrscheinlich.
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Je nach Leck, über oder unter Wasser ist es gut möglich, das das Öl UNTER die Eisdecke gerät, sich mit dem Eis vermischt..... und dann unkontrolierbar mit der Strömung verteilt wird.
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Ein Ölunfall im Winter bei Sturm! Was schlimmeres kann es in der baltic sea wohl nicht geben!
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Meint
Sikasuu
Trotzdem freut es mich,
...daß die Ostseeanrainer solche Probleme ernstnehmen. Der Katastropehnschutz auf der Ostsee ist offenbar sehr gut organisiert. War der Untergang der "Estonia" 1994 eine Art heilsamer Schock war? Wo sonst auf der Welt wäre der Brand der "Lisco Gloria" so glimpflich ausgegangen? Im Sommer 2009 wurde beim Brand des Paraffinlagers in Kiel die Katastrophe nur dank dreier Löschschiffe von der Ostsee verhindert.
Wie man im Eis mit so etwas umgeht wäre tatsächlich spannend. Aber im Eis würde sich das Öl auch hoffentlich zunächst nur auf die Fahrrinne beschränken. Gegen alles kann man nicht gewappnet sein, aber diejenigen, die die Ostsee kennen, unterschätzen sie wenigstens nicht. Ich bin 20 Jahre auf der Ostsee gesegelt und wohne nun in Nordseenähe. Es ist schon interessant, wie die Menschen hier die Ostsee als besseren Gartenteich abtun. Bleibt nur zu hoffen, daß sie dieses Vorurteil niemals in der Praxis zu überprüfen gedenken - das haben schon so einige mit dem Leben bezahlt.
Und genau diese Umstände sind es wohl, die den Ölbekämpfern Sorgen bereiten. Als die "Estonia" sank, waren die Wellen um die sieben, teils bis zehn Meter hoch. In Lübeck lief vor ein paar Jahren eine schwer ramponierte Frachtfähre ein, die in 20 Meter hohe Wellen geraten war. Ich selbst habe erlebt, wie die "Finnjet" (einst größte Fähre der Welt) sich mit dem Bug in die Brecher bohrte und in Wellentäler stürzte; die Gischt fror auf dem gesamtem 210 m langem Schiff zu einer dicken Eisschicht fest.
Zu allem Übel ...
kommt hinzu, dass das Wasser, soweit ich Informiert bin, 25-30 Jahre in der Ostsee verbleibt. Bei der Nordsee sollen es nur wenige Tage sein. Der Wasseraustausch findet nur über Kattegat bzw. Skagerrak statt.
Quelle: http://www.ikzm-d.de/semi...