DIE ZEIT: Herr Professor Hippmann, sind Ihre Studenten faul?
Hans-Dieter Hippmann: Im Gegenteil. Bei einer Untersuchung an der Fachhochschule in Mainz haben wir herausgefunden, dass die Studenten belastet sind, und zwar ziemlich. Im Durchschnitt entfallen täglich rund sechs Stunden auf das Studium und jeweils eine Stunde auf Schulweg und Job. Das sind acht Stunden – und zwar nicht nur von Montag bis Freitag, sondern auch am Wochenende. Im Prinzip haben sie eine 40-Stunden-Woche allein durchs Studium, mit Nebenjob gar eine 50-Stunden-Woche.
ZEIT: Sie, Herr Professor Schulmeister, kommen zu ganz anderen Ergebnissen.
Rolf Schulmeister: Die meisten Studenten investieren nicht mehr als 20 bis 27 Stunden pro Woche in ihr Studium. Das haben wir mittlerweile an 35 Studiengängen überprüft. Nur bei manchen Studiengängen, etwa Architektur oder Physik, können es auch 34 Stunden sein. Aber Studenten deshalb faul zu nennen, darum ging es mir nie. Das ist eine Zuspitzung der Presse.
ZEIT: Die Belastung im Bachelor ist aber wesentlich geringer, als angenommen wird?
Schulmeister: Ja. Das liegt unter anderem daran, dass die Studenten gar nicht alle Veranstaltungen besuchen, die sie laut Stundenplan haben. In vielen Studiengängen sind die Vorlesungen keine Pflicht, oft nicht einmal die Übungen und deshalb gehen Studenten auch nicht hin.
ZEIT: Wie sind Sie in Ihren Studien zu so unterschiedlichen Ergebnissen gekommen?
Hippmann: Wir haben mehr als 1000 Studenten der Fachhochschule Mainz einen Fragebogen ausfüllen lassen, in dem es darum ging, wofür sie in der Woche ihre Zeit verwenden. Als wir das abgefragt haben, liefen die Vorlesungen schon sechs Wochen und alle kannten ihren Stundenplan auswendig.
Schulmeister: Man kann eine Woche aber nicht hochrechnen auf das gesamte Semester. In der einen Woche tun die Studenten dies, in der anderen das. Und vor den Prüfungen arbeiten sie mehr als im ganzen Semester. Deshalb haben wir das Verhalten täglich abgefragt und zwar fünf Monate lang. Wenn man Studenten schätzen lässt und dann hochrechnet, kommt viel mehr heraus – das haben wir auch gemerkt. Ich habe Studenten gefragt, wie viel sie schätzungsweise gearbeitet haben. Alle nahmen an, dass sie pro Woche vier bis acht Stunden mehr gearbeitet hätten, als es tatsächlich der Fall war. Da liegt der Unterschied. Man kann die Studien also nicht vergleichen.
ZEIT: Das würde bedeuten, es gibt eigentlich keinen Grund zur Klage. Aber Herr Hippmann erlebt ja, dass seine Studenten gestresst sind.
Schulmeister: Natürlich fühlen sich alle Bachelorstudenten gestresst, weil am Ende der Vorlesungszeit gleich sechs Klausuren auf sie losregnen und sie wissen, dass sie lange nichts dafür getan haben. Das ist ein riesiger Druck, der sich da aufbaut. Gleichzeitig muss man wissen: Bei unserer Studie hat die Hälfte der befragten Studierenden mehr als 35 Tage innerhalb von fünf Monaten als Urlaub bezeichnet. 35 Tage!
Hippmann: Also das ist bei uns nicht so. Unsere Untersuchung ergab, dass diejenigen gestresst waren, die zugleich angaben, dass sie ihr Studium selber finanzieren müssen. Es ist also nicht unbedingt das Studium, das stresst.
Kommentare
34 Stunden, ein Witz
ich studiere im 1. Fachsemester Physik an der Uni.
Und ich kann sagen: 34 Stunden sind ein Witz. Ein ziemlich schlechter noch dazu.
Unter 50 Wochenstunden geht NIEMAND in meinem Studiengang heim - ohne Arbeit! Bei den meisten dürfte sich etwas zwischen 55 und 65 Stunden einstellen, in meinem Fall ist's genau die Mitte.
Und Wochenende hat man auch nicht. Wie also kommen Sie auf 34 Stunden? Zugegeben, die Pflichtstunden sind gering(er als in anderen Studiengängen), aber bei 4 Übungsserien pro Woche (für jede ist eine Zeit zwischen 5 und 10 Stunden einzuplanen), Nachbearbeitung der Vorlesung und ganz wichtig: DAS PHYSIKALISCHE GRUNDPRAKTIKUM kommt man locker auf seine Stunden!
Und....???? Ist das schlimm?
Wo ist das Problem? Sie haben die Chance fast kostenfrei auf einer deutschen UNI zu studieren. Danach können Sie machen was Sie wollen. Millionen in dieser Welt würden Sie beneiden. Jeder Jugendlich hat qua Natur Kraft und Saft ohne Ende. Kann man doch gut für seinen eigenen Kopf investieren - oder? Was glauben Sie denn, wie Leute in den 50er und 60er Jahren studiert haben, deren Eltern wenig bis gar kein Geld hatten? BaFöG???? Fremdwort höchstens Beihilfen nach dem Honnefer Modell. Da mußten die Eltern schon richtig arm sein und die Leistungen top! Ich glaube heute jammern viele herum, weil höchstens ein Drittel überhaupt über die erforderliche geistige Grundausstattung für ein anspruchsvolles Studium verfügt. Dann kommen da Bachelor-Spezialisierungen dazu, die man früher in der Berufsausbildung absolviert hat. Aber heute kann die Mutti ja im Kaffeekränzchen sagen: Mein Sohn studiert....Früher wäre er Heizungsbauer geworden. Das sind genau die, die uns heute fehlen. Wer studiert muß eine fast wahnsinnige Lust dazu haben. Dann macht einem auch eine 80-h-Woche nichts! Das kraftverschleißende Party-Machen kann man den Dummen überlassen!
aus der Sicht eines Diplomstudenten
Ich studiere jetzt im 7. Semester Physik an einer Uni. Zwar bin ich in einem Diplomstudiengang, aber wenn ich den Stoff des Bachelorstudiums mit meinem vergleiche, sehe ich dort keine großen Unterschiede.
In den ersten Semestern musste ich natürlich mehr Zeit investieren und kam auch auf meine 40-50h die Woche, je nachdem wie ich den Stoff verstanden hatte und dem entsprechend etwas mehr oder weniger nacharbeiten muste.
Aber jetzt kommen die 34h ca locker hin, denn nach ein paar Semestern hat man eine Routine drin und man weiß wie man am effektivsten die gestellten Aufgaben löst.
Desweiteren werden viele Fehler die bei der Lehre gemacht werden auf das Bachelor-Master System geschoben.
"Sieben-Tage-Wochen" sind die Regel!
Ich bin Studentin im ersten Semester Innenarchitektur und Szenografie an der FHNW in Basel.
Wenn ich in diesem Artikel lese, dass Studenten nebenher noch die Zeit finden zu arbeiten, dann frage ich mich wann die das machen.
In unserem Studiengang gibt es eine Anwesenheitspflicht von 80 % der Veranstaltungszeit, zu den möglichen Fehlzeiten gehören auch Krankheitszeiten, weshalb nicht selten kranke Studenten in den Vorlesungen und Übungen sitzen.
DENN: wer nicht mindestens zu 80 % der Zeit anwesend war, beseht das jeweilige Modul nicht und kann nicht ins folgende Semester wechseln. Er setzt folglich ein halbes Jahr aus und kann dann im darauf folgenden 1. Semester wieder antreten....
Der Stundenplan sieht täglich sieben Stunden Unterricht vor und hinzu kommen für mich täglich nochmals ca. 2 Stunden Fahrt zum Studienort und eine Zeit fürs Selbststudium ist zumindest laut Modulbeschreibung auch jeweils geplant. Da man aber abends zu müde zum lernen ist, findet dieses Selbststudium immer an den Wochenenden statt.
Dies ist eine dauerhafte Überlastung, weil es neben dem Studium eigentlich gar nichts mehr gibt wo die "Akkus wieder geladen werden können"
Ich für meinen Teil finde das Bachelorstudium sehr stressig und muss jetzt daran denken, wie ich meine Zeit in Zukunft besser organisiere und effizienter im Lernen und Arbeiten werde.
Meinem letztes Studium, Landschaftsarchitektur an der TU-Berlin, vor 15 Jahren, war im Vergleich dazu ein Spaziergang!
Das wirklich Wichtige
Diese pauschalen Aussagen über zum Teil sehr unterschiedliche Studiengänge sind genauso praxisfern wie der, umsatzstarke, Wahnsinn, mit dem Medien, auch die ZEIT, immer Rankings aussprechen und schon bei der Wahl den armen Studenten suggerieren "wenn Du nicht auf der Top/Elite-Uni landest droht Hartz4", und Eltern machen sowieso mit, da wird der Leistungsgedanke, nun auch im Turboabi manifestiert, dann weiter ausgelebt.
Ich habe auch Bachelor studiert, of Law, und war gestresster als die Generation meiner Eltern an der Uni, so deren Einschätzung. Durch die Fülle der Veranstaltungen, wirklich schwierige BWL und VWL Scheine und English auf hohem Niveau (das heute keiner von meinen Kommilitonen mehr braucht) wurde richtig Druck gemacht. Das mag aber durch Reformen, die es dann gab, und in anderen Fächern anders sein. Faul war bei uns niemand, aber voll Betablocker und Ritalin!!! (wird auch gern übersehen)
Aber das wirklich Wichtige wird nicht beleuchtet: Den optimierten Abiturienten die an die Uni strömen bleibt kein Raum auch mal über den Tellerrand zu schauen. Das Studium ist verschult, kein Raum ein Semester länger etwas anders zu machen (sich mal in Theologie setzen oder politisch aktiv sein etc.), dann droht eh der Klischee Gesellschafts-Mob der auf scheinbar faule Studenten prügelt. Am Ende hätte man weniger scheinbar spezialisierte Fachidioten, aber das will niemand, es würde ja die Interessen der Wirtschaft etc. verletzen.
Endlich schreibt es mal einer!
Ich bin einer der wenigen, die Bachelor und Diplom parallel studieren konnten. Meine Erfahrung ist, dass die heutige Generation eher anfängt zu quängeln, wenn es mal nicht läuft und dann direkt zum Psychiater geht.
Meine Generation hat es dann einfach "etwas langsamer" angehen lassen, was ja anscheinend heutzutage nicht mehr zur Disposition steht. Stattdessen wird von "Burnout" während des Studiums geklagt, eneromer Lernaufwand und gesellschaftlicher Druck. Allerdings hat dies absolut nichts mit Bolognia zu tun. Meine ehemalige Mitbewohnerin, Medi-Studentin, hat es innerhalb eines Semesters geschafft, sich dermaßen fertig zu machen, dass ich mit ihr am Ende zum Arzt fahren musste. Lernaufwand: Alle vier Wochen ein Testat, wo man zig Begriffe auswendig lernen musste. Etwas, worüber jeder normale Student müde lächeln würde. Aber die Jungs und Mädels haben sich so dermaßen aufgeputscht, genährt, vom gesellschaftlichen Verständnis, dass dieses Fach nur 1,0er Abiturienten studieren, dass am Ende alle vollkommen fertig mit der Welt waren.
Das gleiche ist auch mit den Bachelorstudenten der Fall. Alle nörgeln und nöhlen, fühlen sich dann bestätigt und heulen dann nur noch lauter. Das der Studiengang aber garnicht das Problem ist, merken nur die wenigsten.
In der Regel sind diese Studenten auf Partys daran zu erkennen, dass sie DEN GANZEN ABEND nur von Uni-Themen sprechen.