Der Neue Wall in Hamburg gehört zu den exklusiven Einkaufsstraßen in Deutschland, wo die internationalen Luxushäuser ihre Zelte aufschlagen, Gucci, Tiffany, Hermès. Sie zahlen hohe Mieten und verschmerzen diese; falls die Geschäfte einmal nicht so gut laufen – dann schalten sie halt zwei Seiten Anzeigen weniger in der Vogue. Wichtig ist, in der Nobelmeile Flagge zu zeigen.
So kalkuliert Thomas Rusche nicht. Für den Herrenausstatter aus dem westfälischen Oelde muss sich sein jüngst am Neuen Wall eröffnetes SØR-Haus von Anfang an rechnen so wie auch die 59 anderen SØR-Häuser von Baden-Baden bis Keitum auf Sylt, überall dort, wo Kaufkraft kräftig sprudelt.
Makellos gestylt und gertenschlank, empfängt Thomas Rusche seine Besucher in der oberen Etage des frisch eröffneten Hauses am Neuen Wall.
Er ist 50 Jahre alt, seit nunmehr 25 Jahren leitet er als Geschäftsführender Gesellschafter das Familienunternehmen, die SØR Rusche GmbH, in der vierten Generation.
Er führe, so erklärt er, sein Netz von Einzelhandelsläden nach dem Prinzip des chinesischen Tellerdrehers, der zeige, wie man mit zahlreichen Tellern Erfolg haben kann. Jede Niederlassung sei ein solcher Teller, und ihr Leiter sei angewiesen, dem Teller den richtigen Schub zu verpassen – nicht zu viel, nicht zu wenig. So einfach...
Wie viele mittelständische Unternehmen, deren Anfänge bis ins 19. Jahrhundert reichen, kann auch Thomas Rusche mit schönen Familiengeschichten aufwarten. Der Ururgroßvater war noch schlichter Postkutscher im Westfälischen, der Großvater fuhr mit dieser Kutsche über Land und handelte mit Klamotten, die er auch schon mal gegen das eintauschte, was die Bauern so auf ihren Böden horteten: Zinnpötte, Möbel aus deutscher Eiche, barocke Herdplatten – und alte Gemälde. Sie bilden den Grundstock einer heute eindrucksvollen Kunstsammlung.
Egon Rusche, der Vater des heutigen Inhabers, machte aus dem Klamottenhandel in Bielefeld 1956 den ersten SIR-Herrenausstatter. "Chic ohne Chichi" lautete die Devise, internationales Flair sollte die Westfalen dazu animieren, ihre Joppen abzulegen. Egon, der bei der Übernahme der Geschäfte gerade mal 22 Jahre alt war, setzte auf den Herrn mit Geschmack und Geld, zumal das Wirtschaftswunder die jährlichen Einkommen der Deutschen kontinuierlich steigen ließ. Das SIR-Unternehmen wuchs. Die Expansion geschah in der Mehrzahl der Fälle durch Übernahme renommierter Geschäfte.
Ein Problem tauchte auf: Die Kölner Duftfirma 4711 hatte den Namen SIR als Warenzeichen schützen lassen und machte ihr Recht geltend. Die Oelder Familiensaga erzählt, dass Egon Rusche beim Frühstück von Knäckebrot, einem Smörrebröd, die rettende Idee hatte: SÖR, dänisch anmutend SØR geschrieben. Heureka!
In einer kleinen Schrift, die die Geschichte des Unternehmens erzählt, schreibt Thomas Rusche: "Heute ist das Symbol des Kleidergens‚ ›Ø, der prägnanteste Bestandteil des einzigartigen SØR-Logos. Es verleiht der Markenbildung einen identitätsstiftenden Schub und markiert als Differenzierungsmerkmal den Unterschied, der einen Unterschied ausmacht."
Kommentare
eine liebe
informative Geschichte die Spass gemacht hat beim Lesen ;-)
"was das denn soll"
Eine heranschwebende 20 Tonnen Ladung Unschlitt/Tallow .
Wärmeskulptur auf Zeit hingelegt.Danach im Guggenheim Museum soll man Angst gehabt haben,daß der Boden einbricht.So musste das damals sein.
Kunst erkannte man daran,daß sie die Zeitgenossen sichtbar überforderte.
wie z.B.den Herrn Rusche.sehr schön
unnötiger Artikel
Was soll diese Werbung? Ist ZEIT jetzt schon auf dem BILD-Niveau angekommen? Dieser und etliche Artikel möchten das glauben machen!
Ich habe gerade etwas über das Leben
von Mutter Theresa gelesen. Nachdem sie die Armut in den Ghettos von kalkutta gesehen hatte, fing sie an, Essen und Kleidung für die Ärmsten er Armen zu sammeln.
Nicht jeder kann und muß Mutter Theresa nacheifern und sein Leben der Nächstenhilfe opfern.
Wer Geld verdienen und erfolgreich sein will, muß versuchen die Reichen als Kunden zu ködern. Ob nun 3 Sterne Koch mit eigenem Hubschrauber oder Herrenausstatter oder Schiffsbauer von Luxusjachten - alle haben Hochkonjunktur seit vielen Jahren.
Und dabei noch gläubiger Katholik zu sein - an den gleichen Gott glauben wie Mutter Theresa - das ist schon ein bemerkenswertes Spagat.