Ist doch alles ganz einfach: Frauen, die sich für mehr Frauen in Chefetagen einsetzen, tun dies nur, um sich selbst einen hübschen Posten zu sichern. Aus purem Eigeninteresse also. Weil es sich nicht gut macht, das offen zuzugeben, werfen sie ihrem egoistischen Streben ein Deckmäntelchen über: Sie tun gerade so, als habe ihr Anliegen "gesellschaftliche Relevanz", so schrieb es Spiegel-Hierarch Thomas Tuma kürzlich in einem Essay, überzeugt davon, bei den Frauen des Medienvereins ProQuote etwas Wolf-im-Schafspelz-Haftes erkannt zu haben. Dass auch Männer den Verein unterstützen, unterschlug er dabei.
Trotzdem bleibt eine Frage zurück: Ist der Kampf deutscher Medienfrauen für mehr weibliche Führung in Redaktionen nur eine selbstgefällige Inszenierung?
Wohl kaum. Dass eine stärkere Präsenz von Frauen in den Medien sogar von großer gesellschaftlicher Bedeutung ist, erkannten die Vereinten Nationen und die Europäische Union bereits im Jahr 1995; sie erklärten es in Peking gemeinsam zu einem dringenden Anliegen, das eklatante Ungleichgewicht zwischen weiblicher und männlicher Führung in Medienhäusern künftig auszutarieren.
Denn Medienunternehmen setzen sich von anderen Branchen dadurch ab, dass sie mit ihren "Produkten" – Artikel, Radio- oder Fernsehbeiträge – für andere Menschen Informationen auswählen, Denkanstöße liefern und Meinungen prägen, etwa, indem sie Geschlechterrollen zementieren – oder eben hinterfragen. Ein einfaches Beispiel: Ob Frauen im Fernsehen häufiger als Hausfrau oder als erfolgreiche Marketingspezialistin gezeigt werden, prägt auch die Vorstellung, die Menschen von gesellschaftlicher Normalität haben. Ähnliches gilt für die Inhalte von Zeitungen und Magazinen.
Wenn mehr Frauen daran beteiligt sind, Themen auszuwählen, Schwerpunkte zu setzen und in Leitartikeln ihre Meinungen zu äußern, fördert das im besten Fall das gleichberechtigte Zusammenleben in einer Gesellschaft.
Vollends hinfällig wird Tumas Vorwurf einer unnötigen Inszenierung der ProQuote-Frauen, wenn man sich die Ergebnisse einer Studie ansieht, die das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen soeben veröffentlicht hat. Sie sollte knapp 20 Jahre nach der Erklärung von Peking die Veränderungen in der Fernseh-, Radio- und Printwelt erfassen.
Veränderungen? Na ja. Viel ist nicht passiert. In den 28 Ländern der Europäischen Union treffen noch immer deutlich mehr Männer als Frauen wichtige Entscheidungen und bestücken die Titelseiten von Zeitungen.
Zwar liest es sich erst einmal nicht schlecht, dass mittlerweile 32 Prozent der Führungspositionen in den untersuchten knapp 100 Medien aus EU-Ländern mit Frauen besetzt sind; das ist mehr, als ProQuote in Deutschland bis zum Jahr 2017 gefordert hat. Ohne die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, bei denen Frauen in vielen Ländern systematisch gefördert werden, wäre die Ziffer aber deutlich niedriger.
Wirklich beachtlich ist ohnehin eine andere Erkenntnis, die man aus der Studie gewinnen kann: In Medienberufen gehen deutlich mehr Frauen auf dem Karriereweg nach oben verloren als in anderen Branchen.
In journalistischen Ausbildungen und Studiengängen ist der Anteil von Mädchen im Vergleich zu beinah allen anderen Berufen heute riesig, er liegt bei 68 Prozent. Das Potenzial, aus dem später geschöpft werden könnte, ist also erst einmal enorm.
Kommentare
Herr Thoma hat Recht
Den Artikel im Spiegel habe ich gerne gelesen. Die Leserbriefe waren, erwartungsgemäß "giftig".
So lange jeder Satz, der mit „Gleichstellung“ beginnt mit, mit „Frauenförderung“ endet, geht es ausschließlich um reine Eigeninteressen (der Führungsfrauen). Mit Altruismus hat das nichts zu tun.
Thoma hat Recht, dass es nur um Eigeninteressen einer kleine Gruppe geht.
Mit Gleichstellung hat das nichts zu tun.
Dort, wo Männer diskriminiert sind (z.B. Schul-, Hochschulbildung, Elternschaft), wird die Diskriminierung geleugnet (s. Gleichstellungsbericht) oder einfach nichts getan (§1, Satz 3 Bundesgleichstellungsgesetz ). Warum also ausgerechnet für Spitzenverdienerinnen in der Presse?
„Meist sind es Frauen, die in Paaren oder Familien die Kaufentscheidungen treffen, das belegt eine Studie der Marketingfirma Nielsen.“
Ist auch meine Erfahrung. Die Männer werden zur Arbeit geschickt und die Frauen entscheiden, wie es ausgegeben wird.
Muss natürlich heißen: §1, Satz 2 Bundesgleichstellungsgesetz
Korrektur zu 1.
Denn auch gem. Bundesgleichstellungsgesetz werden ausschließlich Frauen gefördert.
"Nach Maßgabe dieses Gesetzes werden Frauen gefördert, um bestehende Benachteiligungen abzubauen."
Männer werden nicht gleichgestellt.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Ihre These ist, dass Frauen keine politischen Artikel lesen, weil sie hauptsächlich von Männern geschrieben wurden und mehr lesen würden, wenn sie vermehrt von Frauen geschrieben werden würden?
Wie sind denn die weiblichen Einschaltquoten bei Jauch vs. Maischberger bzw. die Auflage Emma vs. Frau im Spiegel?
Frauen und Entscheidungen
Frauen treffen nicht nur Kaufentscheidungen sondern auch Karriereentscheidungen. Diese werden im Artikel links liegen gelassen bzw. es wird davon ausgegangen, dass Frauen die Karriere genauso wichtig ist wie Männern. Dem ist aber nicht so.
Aber: Wenn eine Frau diese besagten "Führungspositionen" wirklich anstrebt, hat sie es statistisch gesehen meist leichter als Männer. Das wird hier unterschlagen. In der Studie "Diversität im Aufsichtsrat -Studie über die Zusammensetzung deutscher Aufsichtsräte" welcher ALLE Besetzungen der DAX30 Konzerne in 10 Jahren berücksichtigt hat, kommt zu dem Schluss, dass Frauen sogar bei vergleichsweise SCHLECHTERER Qualifikation für Aufsichtsratposten bevorzugt werden. Auch in der Politik sind Führungspositionen der Parteien im Verhältnis zur Gesamtmitgliedschaft überproportional mit Frauen besetzt. Diese Ungerechtigkeiten auf der Karriereleiter spricht keiner an.
Sobald irgendwo weniger als 50% Frauen sind, schaut keiner auf die vorhandenen "Chancen".
Ich finde den Satz: "Chancengleichheit soll damit erhöht werden" daher irreführend, weil er suggeriert, Frauen sind bei gleicher Motivation (!) benachteiligt ....
Mal nen Vorschlag
Warum gründen Frauen anstatt Diskriminierung zu schreien und ne Quote zu fordern, nicht eigene Unternehmen/Medienhäuser/Zeitungen? Dann sind die Damen sofort Chef. Ja man muss Konzepte entwickeln, nen Businessplan erstellen, Kreditgeber finden usw. Und ja das ist anstrengend, aber möglcih!
Nur ist das halt mit einem gewissen Risiko verbunden und so etwas aufzubauen ist auch schlecht für die Work-Life-Balance. Da schreit manche Frau lieber nach ner Quote. Aber es ist möglich selbst was aufzubauen und bringt mit Sicherheit mehr Respekt als das Quotenfrau sein! Und ein besseres Beispiel für andere Frauen ist man als Unternehmensgründerin wahrscheinlich auch. Die Huffington Post wurde z.B. von einer Frau gegründet. Vor ihr hab ich Respekt!
PS: Auf eine Studie über Gleichstellungsfragen des "Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen" zu verweisen und als eine Grundlage für diesen Artikel zu nehmen, ist ehrlich gesagt unsinnig. Die Objektivität dieser Studie kann man wirklich bezweifeln. Zu welchem Ergebnis soll denn bitte dieses Institut sonst kommen? Natürlich schreiben die Frauen in einem Institut für Gleichstellungsfragen (wahrscheinlich Genderforscherinnen und Feministinnen) von Diskrimierung von Frauen und von Vorteilen von Frauen in Spitzenämtern. Das ist ihr Job! Würden sie etwas anderes schreiben bräuchte man das Institut nicht mehr und die Damen wären ihren Job los! Da kann ich genauso gut beim ADAC nachfragen ob die Autoindustrie gut für Deutschland ist.