Henrik Wenzel hat gewonnen. Gemeinsam mit anderen Eltern hat der Vater eines zweijährigen Sohnes die Stadt Erfurt so unter Druck gesetzt, dass sie eine geplante Erhöhung von Kitagebühren rückgängig machte. Im Mai war der Geschäftsführer eines IT-Unternehmens in Thüringen von einem Plan der Stadtverwaltung überrascht worden: Er sollte für den Kitabesuch seines Sohnes 150 Euro mehr pro Monat zahlen. Für andere Eltern sollten die Kosten noch stärker steigen. Wenzel war nicht bereit, einfach zu zahlen, und formulierte eine Onlinepetition. Innerhalb von sechs Tagen fand er 5.748 Unterstützer. Das beeindruckte die Verwaltung – und auch den Bürgermeister ganz persönlich. Er zog den Entwurf für die neue Gebührenordnung zurück.
Nach Wenzels Erfolg protestieren Eltern in Göttingen, Weimar, Jena, Gotha und in anderen Städten. Überall im Land wollen sich Väter und Mütter von Kindern im Kitaalter offenbar den Gebührenforderungen ihrer Kommunen widersetzen. Seit der Rechtsanspruch auf Betreuung auch für Kleinkinder unter drei Jahren gilt, haben viele Städte und Gemeinden ihre Gebühren stark erhöht.
In den vergangenen Wochen haben sich viele betroffene Eltern bei der ZEIT und bei ZEIT ONLINE gemeldet; darum hatten wir unsere Leser gebeten: Die Redaktionen wollten wissen, wie stark Eltern durch Betreuungskosten belastet werden. Wie sehr hängen die Gebühren vom Wohnort ab? Wie viel würde sich für Familien ändern, wenn die Sozialdemokraten ihr Wahlversprechen erfüllen, alle Kita- und Krippengebühren abzuschaffen? Stimmt es, dass die ärmsten Kommunen am meisten verlangen – obwohl gerade in diesen Orten viele Familien leben, deren Kindern frühkindliche Förderung durch gute Pädagogen besonders nützen würde?
Erste Recherchen (ZEIT Nr. 35/13) hatten den Eindruck vermittelt, dass die Lasten in Deutschland sehr ungleich verteilt sind. Von Kommune zu Kommune, so schien es, wird eine andere Gebührenpolitik gemacht. Selbst Experten, das stand schnell fest, überblicken die verschiedenen Kostensätze nicht.
Inzwischen haben Leser und Redaktion knapp vier Wochen lang gemeinsam recherchiert. Über 2.400 Eltern haben sich bei uns gemeldet. Ihre Angaben stammen aus allen Teilen Deutschlands, vom schleswig-holsteinischen Rendsburg bis zum oberbayerischen Geltendorf. Das Ergebnis zeigt: Die Belastungen unterscheiden sich tatsächlich oft um mehrere Hundert Euro im Monat.
Viele Leser schickten mehr Informationen ein, als wir erwartet und erbeten hatten, oft gaben sie wichtige Hinweise für weitere Recherchen. So nannten Eltern außer der von uns angeforderten Maximalgebühr auch andere Kostensätze oder wiesen auf eine besonders schlechte Betreuungssituation und drastische Gebührensteigerungen hin. Wir haben versucht, allem nachzugehen.
Kommunen im Dilemma von Sozialpolitik und Finanznot
Zwei wesentliche Befunde lassen sich aus den Leserdaten herausfiltern: Ärmere Kommunen erheben meist höhere Gebühren von Gutverdienern als wohlhabende Gemeinden. Und in Ostdeutschland liegen die Gebühren im Durchschnitt niedriger als in Westdeutschland.
Am teuersten wird es für Gutverdienende mit kleinen Kindern in nordrhein-westfälischen Städten. In einigen Kommunen beträgt der Höchstbetrag für einen Betreuungsplatz weit mehr als 600 Euro, Geld für Essen und Windeln ist dabei nicht eingerechnet. Eltern mit nur einem Kind müssen im Durchschnitt mehr zahlen, denn Geschwisterkinder erhalten Rabatte oder sind gebührenfrei. Betrachtet man die Kosten pro Haushalt, geben die ZEIT- und ZEIT ONLINE-Leser im Schnitt für die Betreuung ihrer Kinder im nicht schulpflichtigen Alter nach eigenen Angaben 277 Euro im Monat aus. Bei den Familien, die nur Kinder im Alter von unter drei Jahren haben, liegt die Haushaltsbelastung sogar bei durchschnittlich 329 Euro.
Kommentare
Gebühren versus Kosten...
Das Intro auf der ZEIT-Startseite fragt: "Was kostet ein Kitaplatz, haben wir unsere Leser gefragt. "
Da wäre ich jetzt wirklich neugierig geworden, zumal der Artikel in der Kategorie "Wirtschaft" angesiedelt wurde. Leider wird nur beschrieben, was die Eltern dafür zahlen müssen, nicht was er wirklich kostet.
Gibt es auch irgendwo Daten, was ein Kita-Platz die jeweilige Kommune kostet?
Gebühren in Halle (Saale) und Mecklenburg Vorpommern
Hallo liebe Redaktion,
erst einmal ein Lob für die aufwendige Arbeit, die Sie hier vorlegen.
Mich interessiert, wie Sie die max. 150€ für Halle (Saale) berechnet haben.
Kann es sein, dass Sie sich auf einen Krippenplatz 40h/Woche für ein Einzelkind beziehen? Das wäre gut zu wissen für den Vergleich.
Sie wissen ja über die vielfältigen Regelungenbescheid, wonach sich je nach Bedarf der Betrag ziemlich schnell ändert.
Noch eine weitere Frage: Wissen Sie zufällig, wie es sich mit § 21 Abs. 5 des KiföG M-V (also dem Landesgesetz) verhält? Demnach werden die Elternbeiträge nochmal zusätzlich bezuschusst.
"Die Höhe der Elternentlastung für Eltern von Kindern im Alter bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres beträgt für Kinder, die in Kindertageseinrichtungen gefördert werden, pro Kind monatlich bis zu 100 Euro bei einer Ganztagsförderung [...]"
http://www.landesrecht-mv...
Haben Sie Informationen darüber, wie das "bis zu" gehandhabt wird? Wovon ist der Zuschuss abhängig? Ich sehe nicht, warum Eltern nicht das Recht auf die vollen 100 Euro hätten.
Wurde der Zuschuss beachtet? Meines Erachtens ist nämlich durch den Zuschuss Mecklenburg Vorpommern im Durchschnitt billiger als Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Liebe Grüße!
banause
Staatliche Zuschüsse
hängen immer sehr von der Einkommenssituation der Eltern ab - und bei insgesamt 150 Euro Betreuungskosten müssten Sie schon verdammt wenig verdienen, dass Sie bis zu 100 Euro Förderung erhalten würden.
Berechnung der Kosten für einen Kitaplatz in Halle
Guten Tag banause,
Sie haben Recht. Wir haben geschrieben:
„So kostet beispielsweise eine Vollzeitbetreuung in Halle an der Saale maximal
150 Euro pro Monat, in der etwa gleichgroßen westdeutschen
Stadt Oberhausen sind die Gebühren für weniger Stunden fast dreimal so hoch.“
Dabei beziehen wir uns mit den 150 Euro auf einen Krippenplatz 40h/Wochen
für ein Einzelkind. Um es besser vergleichen zu können,
haben wir grundsätzlich versucht immer nur Gebühren zu vergleichen,
die sich auf die gleichen Annahmen beziehen.
In Oberhausen wird aber nur zwischen einer 35- und einer 45-Stundenbetreuung
unterschieden. Die Betreuung für 35 Stunden kostet 417 Euro.
Das steckt hinter dem „fast dreimal so hoch“.
Liebe Grüße
Die Redaktion
Antwort auf zweite Frage: Kitakosten in MV
Guten Tag banause,
Zu ihre zweiten Frage:
Wir haben uns beim Land MV erkundigt.
Die Kitagebühren kommen so zu Stande:
Kita X errechnet die Kosten für einen Kitaplatz pro Jahr. Dann überprüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe (die sechs Landkreisen bzw. kreisfreien Städte Rostock&Schwerin) die Kostenkalkulation und beide Parteien einigen sich auf eine Summe.
Z.B. 5000 Euro für einen Platz pro Jahr. Davon übernimmt das Land 2013: 1283,16€. (Erhöhung um 2% jährlich)
Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernehmen davon nochmal 28,8%: 369,67€ in 2013 (bei 28,8% von 1283,16€)
Also:
5000
- 1283,16
- 369,67
---------
3347,17 Euro
Die Restkosten werden zu 50% von der Wohnsitzgemeinde & 50% von den Eltern getragen.
3347,17 Euro: 1673,585 Wohnsitzgemeinde; 1673,585 Elternbeitrag
Dieser Elternbeitrag: 1673,858 wird durch 12 geteilt: 139,4654€/Monat. Diese Summe steht auf dem Gebührenbescheid.
So: Jetzt kommt das § 21 Abs. 5 des KiföG M-V ins Spiel.
100€ erhalten alle Eltern, die keine staatl. Hilfe erhalten (z.B Hartz IV.) Dabei spielt es keine Rolle, ob sie 80.000 Euro im Monat verdienen oder 150.000 Euro.) Die Summe wird vom Land finanziert.
Also
139,4654
- 100
---
39,4654
Im Durchschnitt zahlen Eltern 255 Euro im Monat für einen Kitaplatz in Mecklenburg-Vorpommern. Davon gehen die 100€ jeweils nochmal ab, wenn die Eltern keine Unterstützung erhalten.
Wir hoffen, dass Ihre Frage damit beantwortet ist.
Liebe Grüße
Die Redaktion
RE: Antwort auf zweite Frage: Kitakosten in MV
Vielen Dank an die Redaktion für die tolle Ausführung .
Ein großes Lob für Ihre Engagement. Sie haben hier eine wirklich gute Informationsquelle für interessierte Bürger geschaffen.
Machen Sie weiter so.
Alles Gute und liebe Grüße!
banause
Was könnte man nicht alles bei den Politikern selbst einsparen
Ist ja wunderschön: statt einmal durchzurechnen, wieviel Geld man sich ersparen würde, wenn man Spesengelder der Politiker, angefangen vom kleinsten Bezirkspolitiker bis hin zum Bundespräsidenten auf ein Mindestmaß beschränkte, Pensionen, die diese während ihrer Amtszeit aus anderen Jobs beziehen, verpflichtend abgeben müsste, wenn man sämtliche Politiker auf ein angemessenes Gehalt setzte... Wieviel würde dem Staat dann für die Bildung und Ausbildung der Kinder bleiben? Enorm viel, enorm, enorm viel. Das mal auszurechnen, das wäre doch mal was, das wäre doch mal eine ethisch vorbildliche Idee für einen Artikel, der sich zeitgemäß mit einer zeitgemäßen Gesellschaft auseinandersetzen würde.
politisch evtl nicht korrekt
Ist es wirklich sinnvoll das Kind immer aufbewahren zu lassen?
Warum kümmert sich die Mutter nicht selbst um das Kind?
Warum bekomme ich denn ein Kind wenn ich es eh nur aufbewahren lasse? Das gibt für mich keinen Sinn!
Ist es wirklich nötig dass die Mutter für 1500 Euro im Monat arbeitet und dann bis zu 500 Euro für den Kitaplatz + Treibstoff ausgibt? Ist das sinnvoll?
Ich denke nein
@Liberty3 Mütter
"Warum kümmert sich die Mutter nicht selbst um das Kind?"
Weil Mütter das heute nicht mehr sollen. Alles, was mit häuslicher und familiärer Arbeit zu tun hat, ist frauenfeuindlich und patriachisch. Frauen haben heutzutage "Karriere" zu machen - und sonst nichts. Sagen jedenfalls Frauen.