Levi trinkt keine Kuhmilch, weil Kuhmilch den Kuhbabys gehört. Er isst auch keine Eier, denn Eier gehören den Hühnern. So einfach ist das für ihn. Levi ist vier Jahre alt, und er lebt vegan, seit er auf der Welt ist. Seine Mutter Sohra Behmanesh verzichtet seit 14 Jahren auf tierische Produkte. Mutter und Sohn tragen keine Schuhe oder Taschen aus Leder, keine Pullover aus Schafwolle, und sie benutzen keine Daunenkissen. Käse, Butter oder Joghurt sucht man auf ihrem Speiseplan genauso vergeblich wie Wurst und Honig. Denn für jedes dieser Produkte musste ein Tier leiden oder sogar sterben. So sieht es Behmanesh. "Ich bin gegen Gewalt, ich bin gegen Herrschaft", sagt sie. Ein Lebensstil, bei dem Tiere für das menschliche Wohl ausgebeutet werden, lasse sich nicht mit ihrer pazifistischen Haltung vereinbaren. Deshalb lebt sie vegan, seit sie 19 ist. Diese Entscheidung hat sie nie infrage gestellt. Auch nicht, als sie erfuhr, dass sie schwanger war, und dann Levi bekam. "Warum auch? Ich war doch gesund", sagt sie heute.
Ganz so einfach sieht das die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) nicht. Ginge es nach ihren Empfehlungen, müsste Behmanesh ihrem Sohn zumindest von Zeit zu Zeit Fleisch, Fisch und Milchprodukte geben. Um die richtige Ernährung für Babys und Kinder tobt ein Streit zwischen der großen Fachgesellschaft der deutschen Ernährungsforschung und der kleinen, aber stetig wachsenden Gruppe der Veganer.
Öffentlich rät die DGE "aus Sicherheitsgründen" von einer veganen Ernährung für Säuglinge und Kinder ab. So heißt es auf ihrer Internetseite: "Um eine adäquate Nährstoffversorgung und die Gesundheit des Kindes sicherzustellen", sei eine "rein pflanzliche Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie im gesamten Kindesalter nicht geeignet".
Für solche Äußerungen wird die DGE aus der veganen Gemeinschaft scharf angegriffen. "Hoffnungslos veraltet", urteilt Sohra Behmanesh. Die DGE hingegen sieht keinen Grund zu handeln. Ihre Aufgabe sei es, allgemeine Empfehlungen für die breite Masse zu formulieren, sagt die Sprecherin Antje Gahl. Eine vegane Ernährung brauchte hingegen eine individuelle Empfehlung. Das könne die DGE als Fachgesellschaft nicht leisten. Zwar sagt Gahl im persönlichen Gespräch, dass es möglich sei, ein Kind gesund vegan zu ernähren, wenn die Eltern auf Ausgewogenheit achteten, kritische Nährstoffe supplementierten und sich beraten ließen. In ihrer offiziellen Stellungnahme zu dem Thema betont die DGE aber vor allem die Risiken und warnt vor Mangelernährung und Unterversorgung. Tipps für Eltern, die sich entschieden haben, ihr Kind vegan zu ernähren, sucht man vergeblich. Die Lücke an verlässlichen Informationen, wie sie die DGE liefern könnte, füllen einige Veganer deshalb kurzerhand selbst.
Sohra Behmanesh wohnt in Prenzlauer Berg. Hier ist sie eine von vielen: jung, gebildet und weiblich – der Prototyp einer Veganerin. Aber in ihrer Schwangerschaft fühlte sie sich von den Institutionen alleingelassen. Daher gründete sie vor gut einem Jahr das Internetportal Tofufamily.de. Dort sehen Besucher Fotos von Kindern mit großen blauen Augen in Latzhosen, dazu Zeilen wie: "Arietta lebt vegan seit der Geburt." Die Botschaft ist klar: Vegan ist gut, auch für Kinder.
Doch stimmt das? Geht das zusammen, vegan und gesund aufwachsen? Oder handeln Eltern verantwortungslos, gar gefährlich? Sollten sie dem Ratschlag der DGE folgen? Es geht bei diesen Fragen um Vitamine und Mangelerscheinungen, um Empfehlungen und Erfahrungen. Es geht aber auch um Gesellschaftsentwürfe, die aufeinanderprallen. Menschen wie Sohra Behmanesh haben mit ihrem veganen Lebensstil für sich eine Antwort auf die großen Fragen gefunden: Wie wollen wir leben? Welche Welt hinterlassen wir unseren Kindern? Wie können wir ethisch, ökologisch und gesundheitlich korrekt leben?
Kommentare
Entfernt. Bitte setzen Sie sich sachlich und differenziert mit dem Inhalt des Artikels auseinander. Mit einem konstruktiven Kommentar können Sie selbst die Richtung und Qualität der Debatte beeinflussen. Die Redaktion/mak
Plädoyer für den Körper
Wenn ich einen Körper habe, der auf Mischkost ausgelegt ist, dann möchte ich diesen Körper auch mit Mischkost ernähren. Alles andere empfinde ich als Gewalt gegen meinen eigenen Körper.
Mein Körper hat ziemlich viel Ähnlichkeit mit dem von Primaten. Meines Wissens essen die außer Früchten nebenher proteinreiche Insekten. Nach allem, was man weiß, ist weder unser Darm noch unser Gebiss das eines reinen Pflanzenessers. Das stimmt mit meinem subjektiven Empfinden überein, denn ab und an habe ich richtiggehend Appetit auf Fleisch oder Fisch.
Ich möchte meine Verwandtschaft mit den Primaten und damit mit dem Tierreich nicht leugnen. Das geht vor allem über die Körperlichkeit. Daher akzeptiere ich meinen Körper, wie er ist. Er diktiert mir meinen Speiseplan und nicht irgendeine verkopfte Ideologie.
Im Vergleich
zu einem Primaten verfügen Sie über etwas was sich Vernunft nennt. Es besteht die Möglichkeit, anstatt jeden Morgen Salami und Frühstücksei zu verspeisen, einfach mal 1 mal die Woche Fleisch zu sich zu nehmen, oder können Sie sich das ganze einfach nicht vorstellen.
Ich bin mir sehr sicher Sie wissen, wie Tiere gehalten werden
Würde jeder Deutscher nur einmal die Woche fleisch essen, anstatt jeden Tag wäre die Industrie gezwungen weniger Tiere und diese sogar unter fairen Bedingungen zu halten
Wer ist verantwortungslos?
Solange die DGE nicht Verantwortung übernimmt und vegane Eltern unterstützt, handelt sie verantwortungslos. Einzelfälle aufzuzählen ist nicht sehr wissenschatlich. Andererseits ist es auch verständlich, dass allgemeine Empfehlungen vom geringsten Risiko (ernährungswissenschaftlich) ausgehen sollten.
Tatsächlich ist es so, dass die Mehrheit der vegetarisch- und vegan lebenden Menschen, ihre Kinder vegan oder vegetarisch ernähren wollen. Aber viele sind verunsichert, da kann nur sachliche Information helfen. Zum Beispiel kontrollierte Studien- aber da fehlt anscheinend der Wille zu!?
Siehe auch hier zum Thema:
http://vegetarisch-vegane...
Besonders die Dokumente: 3,9 und 17.
Egoismus pur
Ist es nicht vielleicht so, dass die DGE wegen ihrer Verantwortung so handelt? Es sind einfach noch nicht genug gesicherte Erkenntnisse zu einer veganen Ernährung vorhanden, mit den falschen Informationen würde es einige Katastrophen geben (können).
Ich findes es persönlich vollkommen vernünftig, sich ab einem gewissen Alter vegan zu ernähren. Es ist für die ERWACHSENEN Menschen in UNSERER Gesellschaft sicher gesünder (zumindest für den allergrößten Teil).
Aber das nun bereits sektenhaft von den Veganern auch die vegane Ernährung von Kindern verlangt wird, das halte ich wieder einmal für einen Beweis für die These, dass der Mensch an sich nicht vernünftig ist.
Besonders gibt mir zu denken, dass diese Forderungen von Menschen kommen, die selbst als Kinder eben nicht mit veganer Ernährung aufwuchsen und vielleicht nur deswegen heute gesund sind.
In jedem Fall sind wir als Menschen heute nur deswegen in der Lage, uns über die Ethik der Ernährung weiterführende Gedanken zu machen, weil seit vielen Millionen Jahren alle unsere Vorfahren sich eben NICHT vegan ernährten.
Bescheid wissen vs glauben bescheid zu wissen
Allein der Punkt den der Artikel zentral schon in der Überschrift nennt und im Text wieder herausstellen muss, nämlich dass man sehr genau bescheid wissen muss, damit man sein(e) Kind(er) hinreichend ernährt, ist für mich schon ein Grund, diese Ernährungsweise bei und für Kindern abzulehnen, insbesondere, weil die Kinder diejenigen sind, die letztlich ggf. ihr Leben lang die Leidtragenden sein können (siehe auch das Beispiel im Artikel).
Es besteht schlicht ein Unterschied zwischen tatsächlich bescheid zu wissen, d.h. alles richtig zu machen, damit sich ein Kind durch diese Ernährungsweise auch wirklich hinreichend entwickeln kann und eben zu glauben, alles richtig zu machen. Entsprechend negative Entwicklungen zeigen sich nicht von heute auf morgen, lassen sich in ihrer Folge ggf. aber nicht mehr ohne Weiteres umkehren.
Verantwortungsvolle Elternschaft stellt mMn. das Wohl des Kindes nicht hinter eine Ideologie an ggf. auf Kosten des Kindeswohls. Verantwortungsbewusstsein bedeutet mMn. dann auch das Risiko entsprechend zu minimieren. Ein Kind hat in seiner Position als Kind dem Machtverhältnis ggü. den Eltern nichts entgegen zu setzen, was eben auf die besondere Verantwortung der Eltern betont.
Jeder Erwachsene darf mMn. gerne vegan leben, wenn er/sie dies möchte. Im Beziehungsverhältnis zwischen Eltern-Kindern sehe ich das sehr kritisch, gerade weil eben nicht alle Veganereltern tatsächlich gleich gut informiert sind (und nie sein werden).
Man kann es auch übertreiben...
"[...] nämlich dass man sehr genau bescheid wissen muss, damit man sein(e) Kind(er) hinreichend ernährt, ist für mich schon ein Grund, diese Ernährungsweise bei und für Kindern abzulehnen [...]"
Man kann es wirklich auch übertreiben. Jeder, dessen IQ nicht unter 80 ist, sollte in der Lage sein, darauf zu achten, dass das vegane Essen vielfältig ist, dass Vitamin B-12-Supplemente gegeben werden und dass (wie auch bei nicht vegan lebenden Kindern) hin und wieder einmal Blutwerte untersucht werden. Es braucht schon sehr viel Phantasie, um daraus etwas sehr Kompliziertes oder Gefährliches zu konstruieren. Es ist auch absurd, zu glauben, es brauche keine Planung und kein Ernährungswissen, um Kinder mit Tierprodukten gesund zu ernähren.