100 Euro mehr pro Monat für jeden Angestellten von Bund und Ländern: So viel fordert die Gewerkschaft ver.di in den laufenden Tarifverhandlungen. Aber wie viel ist das wirklich? 100 Euro, so viel kostet ein ordentliches Paar Schuhe. Wer die nicht braucht, kann mit einer vierköpfigen Familie beim Italiener um die Ecke zwei Mal essen gehen oder einen familientauglichen Volvo-VW-BMW mit Benzin volltanken. Wobei die Angestellten ja gar keine 100 Euro bekämen. So eine Lohnerhöhung wäre brutto, Steuern und Sozialabgaben flössen gleich wieder in die öffentlichen Kassen zurück, es blieben vielleicht 50 oder 60 Euro übrig. Insofern reichte es gerade mal für einen guten Schuh, ein Mal Essen beim Italiener und eine halbe Tankfüllung.
Aus dieser Perspektive wirkt die Forderung von ver.di maßvoll, wenn nicht gar bescheiden. Rechnet man mit ein, dass die Löhne der öffentlichen Angestellten in den vergangenen Jahren deutlich langsamer gestiegen sind als die Gehälter in Metall-, Elektro- und Chemieindustrie, deutlich langsamer auch als die Einnahmen des Staates, dann scheint es sogar, als hätten sie einen Anspruch darauf.
Doch bei Tarifverhandlungen geht es selten darum, was gerecht ist, sondern vielmehr darum, ob die Arbeitgeberseite etwas zu verteilen hat. In diesem Fall sieht es folgendermaßen aus: Drei Viertel der zwei Millionen Angestellten, um die es geht, arbeiten bei Städten und Gemeinden, und viele dieser Kommunen sind pleite – oder fast soweit. Alle Kommunen zusammen haben zwar im Schnitt des vergangenen Jahres einen Überschuss von 3,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Aber eben nur im Schnitt.
"Wer eine andere Politik will, muss die FDP wählen"
Wenn sich ver.di durchsetzen würde, stiegen die Lohnkosten insgesamt um satte 2,4 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist aber noch nicht das Ende: Die Gewerkschaft fordert über die 100 Euro Sockelbetrag hinaus auch eine zweite Lohnerhöhung um 3,5 Prozent. Für viele Tausend Bürgermeister im Norden, Westen und Osten hieße das, sie müssten Schulden machen, um Löhne zu erhöhen. Das geht nicht.
Die bittere Ironie ist: Die öffentliche Hand hätte das Geld für eine satte Lohnerhöhung gehabt. Doch dafür hätte der Bund die einmalige Geldschwemme in seinen Kassen wenigstens teilweise an die Kommunen weiterleiten müssen. Doch das hat er nicht getan, sondern lieber das Betreuungsgeld (Herdprämie) eingeführt, mehr Frühverrentung in einer alternden Gesellschaft beschlossen, die Zuschüsse in die Sozialkassen gekürzt und mehr Mütterrente beschlossen. Die öffentlichen Angestellten haben das Pech, dass sie zu spät kommen. Und sie haben das Pech, dass sie Arbeitnehmer sind.
Was bleibt also? Ein bisschen Inflationsausgleich ist sicher drin. Auch Geld für eine Pizza mehr im Monat. Aber Krankenschwestern, Kindergärtner, Busfahrer und Verwaltungsangestellte, die eine andere Politik wollen, müssen im Bund künftig für die FDP und damit gegen das Geldausgeben stimmen.
Kommentare
Ich stimme Ihnen in fast allen Punkten zu.
Aber Ihre Empfehlung die FDP zu wählen verstehe ich nicht. Ist das satirisch gemeint?
Was genau
an der Empfehlung verstehen Sie nicht?
Unrelevant
"Drei Viertel der zwei Millionen Angestellten, um die es geht, arbeiten bei Städten und Gemeinden, und viele dieser Kommunen sind pleite – oder fast soweit. "
Der Staat hat mehr als genug Möglichkeiten seinen Finanzbedarf für das Personal zu decken. Etwas weniger Verschwendung, etwas mehr Steuern an der richtigen Stelle und man müsste über so eine Erhöhung überhaupt nicht diskutieren.
Aber lieber lässt der Staat die Einseitigkeit der Vermögen weiter anwachsen, als das er endlich mal den Mittelstand stärkt, der im übrigen von der Volkswirtschaftlichen Seite gesehen, für unseren Wohlstand wesentlich wichtiger ist als alle Vermögenden.
Im übrigen war die FDP noch nie (nicht die letzten 30 Jahre) gegen das Geldausgeben an sich, sondern nur gegen Geld für Arme. Das ist ein recht beachtlicher Unterschied.
Vesrtehe das Problem der
Angestellten des ÖD nicht, wenn man dort so lausig bezahlt wird, einfach arbeiten suchen die besser bezahlt wird und die vlt. neben den gegebenen Vorteilen noch andere bietet.
Als ÖDler ran und die Ausbildung ordentlich vergüten lassen.
Achja mt den 6,2% Lohnsteigerungen der letzen 2 Jahre, würde der Abschluss in 3 Jahren 9,7 Prozent Lohnsteigerungen bringen. Also ist man im Gleichschritt mit den Politker.
Ach ja...
Alle schimpfen über den ÖD (faul, überflüssig, überbezahlt), aber wenn er Streikt dann kommt das Gejammer - wie kann man nur, auf dem Rücken der Bevölkerung, Kita zu kostet mich einen Tag Urlaub, Operation verschoben, ...
Raten Sie jedem Streikenden, sich einen besser bezahlten Job zu suchen? Also auch dem VWler, Chemiebeschäftigtem, Angestelltem im Einzelhandel?
Ich denke, vielen Beschäftigten im ÖD macht die Arbeit Spaß, meine Freundin ist Krankenschwester und es gefällt ihr. Trotzdem macht sie das nicht als Hobby in ihrer Freizeit sondern möchte davon auch leben können, die Miete zahlen und ein Urlaub im Jahr sollte bei dem Knochenjob (Wechselschichten) auch drin sein. Auf die Arbeit kommen muss sie auch, geht wegen der Schichten nur mit dem Auto.
Die permanente Klammheit der Kommunen kann und darf keine Entschuldigung dafür sein, dass man immer am Personal spart, mittlerweile ist in Ballungsräumen immer weniger qualifiziertes Personal zu bekommen. Auf die Dauer rächt es sich, wenn man den Öffentlichen Dienst so herunterkommen lässt, in den letzten 50 Jahren war eine gute Öffentliche Verwaltung auch für unseren Wohlstand mitverantwortlich - gute und ordentlich gewartete Infrastruktur, hohe öffentliche Sicherheit, zuverlässige Justiz, saubere Städte.
Wenn ich die Entwicklung der letzten 15 Jahre betrachte, das permanente Sparen und "fahren auf Verschleiß" kann ich nur mit dem Kopf schütteln.
Fehlender Zusammenhang
"Doch das hat er nicht getan, sondern lieber das Betreuungsgeld (Herdprämie) eingeführt, mehr Frühverrentung in einer alternden Gesellschaft beschlossen, die Zuschüsse in die Sozialkassen gekürzt und mehr Mütterrente beschlossen."
Also bis jetzt hat der Staat für das Betreuungsgeld, so gut wie noch gar nichts ausgegeben. http://www.zeit.de/politik/d… also kann dies kein Grund gegen die Erhöhung sein.
Die Mütterrente ist auf alle Fälle sinnvoll, da dies auch eine Gerechtigkeitsfrage ist. Es kann nicht sein, das Mütter je nach dem Geburtsjahr ihrer Kinder weniger Wertschätzung entgegengebracht wird.
Das dies von den Beitragszahler erbracht werden muss ist hingegen eine genauso große Unverschämtheit, wie die Kürzungen in den Renten und Gesundheitskassen. Gesamtdeutsche Aufgaben müssen auch von der gesamten Bevölkerung getragen werden und nicht nur von einer Schnittmenge.
Aber was das mit den Löhnen im öffentlichen Dienst zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht.
Bleibt also nur noch die Frühverrentung in einer alternden Gesellschaft. Aber auch hier sehe ich keinen Zusammenhang, denn das Geld wird auch von den Beitragszahlern erbracht. Außerdem ist das auch eine Gerechtigkeitsfrage, denn Beitragszahler die 45 Einzahljahre haben müssten ja schon heute weit über 90 Jahre alt werden um überhaupt ihre Zwangsbeiträge zurück zu erhalten.