Diese Nachricht machte Furore: Im ZEIT-Gespräch drohte Leipzigs Uni-Rektorin Beate Schücking mit der Abwicklung ganzer Fakultäten (ZEIT Nr. 9/14) – für den Fall, dass der Freistaat Sachsen seine Sparpolitik nicht überdenkt. Dass mehrere Institute gestrichen werden, steht bereits fest. Die Reaktionen darauf sind zahlreich, nun aber meldet sich der portugiesische Botschafter aus Berlin zu Wort. Er kritisiert die angekündigten Stellenstreichungen am Institut für Romanistik.
DIE ZEIT: Herr Botschafter, es kommt nicht häufig vor, dass sich ein Diplomat mit Empörung über die Sparpolitik eines anderen Landes beklagt. Warum haben Sie das getan?
Luís de Almeida Sampaio: Bei allem Respekt – ich glaube, dass die Universität Leipzig eine Fehlentscheidung getroffen hat. Dazu will ich meine Meinung sagen. Die Hochschule muss massenhaft Stellen streichen, nun ist auch die portugiesische Sprachwissenschaft betroffen.
ZEIT: Warum ist das aus Ihrer Sicht eine Fehlentscheidung?
Sampaio: Ich will eines gleich vorwegnehmen: Es geht mir hier nicht nur darum, die Bedeutung meines Landes hervorzuheben. Ich will auch nicht so sehr betonen, wie wertvoll unsere Kultur ist, wie erhaltenswert unsere Sprache. Portugal ist mir wichtig, natürlich, aber hier geht es auch um Deutschland.
ZEIT: Das müssen Sie uns erklären.
Sampaio: Für Sie, für Ihr Land, ergeben manche Kürzungen der Universität keinen Sinn – weder ökonomisch noch strategisch. Sehen Sie: Deutschland ist heute führend in der Europäischen Union, es ist das Machtzentrum der europäischen Wirtschaft, und es bekommt weltweit immer mehr Verantwortung. Sie brauchen Menschen, die Fremdsprachen beherrschen, Sie brauchen Kontakte in andere Länder. Es ist für mich schwierig, zu verstehen, dass ausgerechnet Deutschland Portugiesisch oder Spanisch nicht mehr so gut lehren will oder kann, wie es das bislang gemacht hat.
ZEIT: Warum, glauben Sie, soll das Leipziger Institut für Romanistik verkleinert werden?
Sampaio: Ich denke, es geht nur um das Budget. Mit der Qualität der Lehre oder den Wissenschaftlern dort hat das nichts zu tun. Im Gegenteil, die sind unbestritten gut. Sonst würden wir in Leipzig nicht investieren.
ZEIT: Vor wenigen Monaten wurden Sie dort von der Uni-Rektorin Beate Schücking freundlich empfangen. Sie haben einen Kooperationsvertrag zwischen der Uni und dem portugiesischen Pendant des Goethe-Instituts unterschrieben. Sind Sie nun enttäuscht von Frau Schücking?
Sampaio: Von ihr persönlich nicht, nein, ich habe großen Respekt vor ihr, sie tut eben ihre Pflicht. Ich will sie aber daran erinnern, wie angesehen das Institut für Romanistik in Leipzig ist. Wir unterstützen es ja nicht ohne Grund. Die Finanzkrise hat Portugal schwer getroffen, das ist bekannt. Wir kürzen selbst, wo wir können, und wir sind gerade erst dabei, uns wirtschaftlich zu erholen. Also müssen wir uns sehr gut überlegen, in was wir investieren. Ausgerechnet an der Unterstützung der Uni Leipzig haben wir bislang festgehalten. Mehr noch, wir haben die Forschungsgelder sogar erhöht. Alles, was wir wollen, ist, diese guten Wissenschaftler in Leipzig weiterhin zu fördern. Das ist schon kurios – wir Portugiesen bitten darum, weiterhin in Deutschland investieren zu dürfen.
ZEIT: Ist die Kooperation denn in Gefahr, wenn Leipzig bei seinen Kürzungsplänen bleibt?
Sampaio: Fest steht, dass nicht wir die Vertragsbedingungen ändern, sondern die Universität Leipzig. Ich weiß nicht, was aus dem Vertrag nun wird. Aber es geht auch nicht nur darum. Ich habe Angst, dass Leipzig nur der Anfang ist. Das wäre fatal. Zum Glück jedoch ist mir bislang kein vergleichbarer Fall zu Ohren gekommen.
ZEIT: Es müssen ja fast alle Ost-Unis sparen.
Sampaio: Deswegen befürchte ich, dass Leipzig der Vorreiter einer neuen Bewegung sein könnte. Dass andere auch anfangen, ausgerechnet bei den Fremdsprachen zu kürzen. Ich möchte die Verantwortlichen an der Universität und in der sächsischen Politik davon überzeugen, dass sie ihre Sparentscheidungen zurücknehmen.
ZEIT: Die Regierung hat einen strengen Sparkurs beschlossen. Irgendwo, so argumentiert die Politik, müsse doch gekürzt werden.
Sampaio: Dafür habe ich auch Verständnis. Vielleicht hilft es aber, darüber nachzudenken, was in Zukunft wichtig sein wird.
ZEIT: Was meinen Sie?
Sampaio: Europa ist wichtig. Das sehen wir in Krisen besonders. Europa muss sich weltweit behaupten. Und hier werden genau drei Sprachen gesprochen, die das Zeug dazu haben, sich in der globalisierten Welt durchzusetzen. Das sind Englisch, Spanisch – und Portugiesisch. Es geht ja nicht um die zehn Millionen Portugiesen. Denken Sie an die Brasilianer oder die Angolaner! 216 Millionen Menschen weltweit sprechen unsere Sprache. Sie ist viel verbreiteter als Deutsch oder gar Französisch. Sie verbindet Europa mit Südamerika und Afrika. Deswegen appelliere ich an Deutschland: Lehren Sie weiterhin diese Sprache – und Sie werden selbst am meisten davon profitieren!
Kommentare
Das kann man einfch lösen
der Portugal richtet, wenn es für das Land wirklich so wichtig ist, für die gestrichenen Stellen Stiftungsprofessuren ein und dann dürfte auch die Uni Leipzig keine Probleme mit dem Fortbestand haben.
Auch könnte man zwischen den Semester Sprachintensivkurse anbieten, die gehen für Französisch (3 Wochen) für CAD 2000 über den Ladentisch. Man muss nur wollen und die Leute müssen erkennen das Bildung kostet.
[…]
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Beleidigungen. Danke, die Redaktion/jp
Esoterisches Plädoyer
Obwohl auch künftig unstrittig bleibt, dass jeglicher Naturerkenntnis notwendig eine "Konstitutionstheorie der Lebenswelt vorausgehen (muss)" (Habermas, 2009: 57), investieren in hiesigen Gefilden kaum welche öffentlichen, geschweige denn privaten Haushalte in besagte Forschung. Angesichts dessen zu verlangen, eine demnach überaus nachgeordnete Sprachwissenschaft für Portugiesisch zu fördern, erschließt sich einzig Eingeweihten und äußert dadurch einen unter sonst üblichen Bedingungen nicht nachvollziehbaren Hang zur Esoterik.
Portugisisch mag nicht unwichtig sein
Es aber in eine Kategorie zu packen mit Spanisch und Englisch - und gleichzeitig Deutsch und gerade Französisch in der Relevant eine Stufe drunter anzusiedeln ist eine Verdrehung der Realität.
Fakt ist: Es gibt 190 Million Deutschsprecher, 245 Million Portugiesisch-Sprecher und 220 Million Französischsprecher. Letztere sind aber weiter auf der Welt gestreut, was deren Relevanz steigert.
So oder so, Portugiesisch gehört nicht in eine Kategorie mit Spanisch - sorry.
Nur die Muttersprachler zu nehmen ist ein Rechentrick. Eine Sprache wird ja nicht dadurch relevant weil Hilfsarbeiter (Muttersprachler) statt Bildungsbürger (Zweitsprachler) Sie sprechen. De Facto zählen Zweitsprachler also mehr.
Also die Franzosen mögen sich mit der Realität anfreunden müssen, das Spanisch eine relevantere Sprache als die Ihre ist, mit der Dreiländersprache Portugiesisch müssen Sie aber kein Vergleich scheuen.
Einfach abschaffen
Alles abschaffen, was nicht direkt Profit bringt oder sich damit beschäftigt, wie man noch mehr Profit generieren kann. BWL und MINT, der Rest kann raus. Kultur,Fremdsprachen,Psychologie,Geschichte, da geht es darum, den Menschen als ein Wesen zu verstehen, das Identitäten, Bedürfnisse und Kontexte außerhalb eines gewinnorientierten Unternehmens hat, igitt, sowas geht doch heute nicht mehr.
*zynismusaus*
Dass Geisteswissenschaften als solches von MINT-Seite und von der Politik mit dem einseitigen ökonomischen Blickwinkel betrachtet werden, ist eine Sache. Dass sich aber nicht mal die Sprachenfächer untereinander solidarisieren , sondern gegenseitig mit ZAHLEN versuchen, zu zerfleischen, wie in Kommentar 3, das zeigt ganz wunderbar, dass das Prinzip "Divide et Impera" auch im akademischen Bereich hervorragend funktioniert und die Ökonomisierung bestens verinnerlicht wurde.
Es ist ja nicht nur Portugiesisch
Unabhängig davon, wie man die weltweite Relevanz von Portugiesisch bewertet, ist es absolut kurzsichitg, an Lehre und Forschung zu sparen. Sachsen spart dadurch kurzfristig, verhindert aber in Zujunft die Einnahmen der Arbeitnehmer, die zum Studium in die ostdeutschen Unistädte gekommen sind und sich so wohl fühlen, daß sie bleiben wollen. Diese Leute werden im Schnitt zumindest mittlere bis höhere Einkommen durch ihre akademische Ausbildung erzielen und damit nicht nur die lokale Wirtschaft, sondern auch das Stadtsäckel unterstützen.
Man sollte den "Klebeeffekt" eines attraktiven Unistandortes für junge Menschen auch nach Beendigung der Hochschule nicht unterschätzen. Umso besser, wenn man den akademischen Nachwuchs nicht erst importieren muß, sondern gleich selbst ausbilden kann.