Ganz gleich, wie sehr sie ihn bedrängen, ob sie ihn bespitzeln und schlagen oder in irgendeinen Kerker verschleppen, am Ende wird ihn das geballte Unrecht nur stärker machen. Nichts und niemand scheint Ai Weiwei etwas anhaben zu können, er wird bewundert und verehrt, ein Künstler des Widerstands, der sich nicht brechen, nicht verbiegen lässt, nicht mal von der chinesischen Regierung. Sie will ihn mundtot machen, er aber redet, filmt, bloggt unverdrossen, denn alle sollen wissen, er hält daran fest, ein freier Mensch sein zu wollen. Und doch zehren die Kämpfe an ihm, wie könnte es anders sein. Vor allem zehren sie an seiner Kunst.
Nicht, dass er unproduktiv wäre. Obwohl er weiterhin nicht reisen darf, weil ihm die Behörden seinen Pass verweigern, ist er bestens im Geschäft, und seine Werke sind in vielen Ländern zu sehen. Getragen von einer großen Mannschaft aus Handwerkern und Bürokräften, plant er eine Ausstellung nach der anderen. Er weiß, was die Welt von ihm erwartet – und er liefert.
Vor ein paar Jahren noch war der Künstler Ai so unerschrocken und anarchisch, wie es heute der Bürgerrechtler Ai ist. Da lockte ihn das ästhetische Abenteuer, kurzerhand verfrachtete er 1001 Chinesen auf die Documenta nach Kassel und stellte obendrein einen wackeligen Turm neben die Orangerie, der prompt beim ersten Sturm in sich zusammenfiel. Er liebte den Aberwitz und das Unabsehbare. Wer hingegen jetzt seine Ausstellung in Berlin besucht, die bislang größte überhaupt, ist vor Überraschungen weitgehend sicher.
Viele der über 30 Skulpturen und Installationen wirken seltsam erstarrt. Es sind Zeichen des politischen Protests, nicht wackelig, nicht absurd, sondern auf wohlgeformte Weise anständig. China, so klagen diese Werke, ist ein Reich der Repression, Korruption, Umweltverpestung. Und das ist vor allem deshalb eine schlimme Nachricht, weil sie so furchtbar beruhigend wirkt.
Schon an der Kasse geht es los, da hat Ai Weiwei vier Überwachungskameras aus Marmor aufstellen lassen und erinnert so an seine Beschattung durch die Behörden. Dann steht man vor einer kunsthandwerklich fein verschweißten Skulptur aus Fahrradrahmen, und der Wandtext klärt uns auf, hier werde des Justizopfers Yang Jia gedacht. Nur ein paar Schritte weiter hat Ai Weiwei rund 6000 alte Holzschemel fein säuberlich aufreihen lassen, auch das ein Mahnmal, diesmal wider die Geschichtsvergessenheit. Die Hocker sind Überbleibsel einer Tradition, viele Chinesen werfen sie auf den Müll, wenn sie vom Dorf in die Stadt ziehen.
Über all das darf sich der westliche Besucher empören, über die Fortschrittsgeilheit der Chinesen, ihren Unrechtsstaat, ihren Konsumwahn. Und wie sie die Umwelt verpesten, unglaublich! Auch dafür hat Ai Weiwei rasch ein Sinnbild anfertigen lassen, eine Grabplatte aus Marmor, darauf eine hohläugige Gasmaske. Selten war seine Kunst didaktischer, selten so bekömmlich.
Kommentare
überbewertet der gute
und zwar hoffnungslos!
Ai Weiwei
Man mag von seiner Kunst halten, was man will. Ich persönlich habe sowieso kein Interesse an moderne Kunst oder Performance Art. Den Hut ziehe ich vor seinem Mut und seiner Hartnäckigkeit, die sich wenigstens vor keinem Foristen zu verstecken braucht.
Man muss ja nicht einmal seiner Meinung sein und es ist sicherlich wahr, dass Ai Weiwei vor allem im Ausland bekannt ist, jedoch muss man ihm das als Erfolg anrechnen. Er versteht es wie kaum ein anderer, seiner Meinung Ausdruck zu verleihen. Und wofür er eintritt, das halte ich auch nicht für unangemessen. Ich glaube schon, dass er vielen nicht gehörten Chinesen hilft, Missstände anzuklagen. Ich denke nur, dass er in China vor allem deshalb geschnitten wird, weil er das Reich der Mitte im Ausland diskreditiert. Dies ist selten ein Weg, bei den patriotischen Chinesen Gehör zu finden. Dennoch, ein mutiger Mann.
Solange...
Deutschland nur die schwachen Staaten kritisiert und mit der straffen Diktatur China gut zusammenarbeitet, braucht man da nicht irgendwelche hoffnungslosen Künstler zu stillisieren...
Über die Missachtung und Selektion von Kunst und Künstlern
Über Kunst lässt sich bekanntlich streiten. Ja, der Streit ist gerade kennzeichnend für gute Kunst. Die bloße Hinnahme kommt dagegen einem schlechten Urteil gleich. Dies gilt auch für die Kunst von Ai Weiwei.
Moderne chinesische Künstler und ihre Werke werden allerdings von deutschen Ausstellungsmachern von vornerein selektiert und verachtet, wenn bevorzugt oder ausschließlich die Werke von Künstlern gezeigt werden, die mit chinesischen Staatsorganen über Kreuz liegen bzw. von diesen behindert werden. Hier findet eine Selektion statt, die mit einem zivilisierten Kunstverständnis nichts zu tun hat, sondern an dunkle Zeiten deutscher Vergangenheit erinnert.
Die sichere Seite
Ja, ich habe es mir auch letztens gedacht, als ich die Fernsehbilder seiner Ausstellung in Berlin sah: da macht es sich doch einer künstlerisch sehr bequem und einfach, indem er letztlich doch nur immer wieder und immer wieder aufs Neue den Unrechtsstaat China darstellt, und sich, weil er, und weil wir ja alle wissen, daß er Recht hat, daß er einer der Guten ist, daß wir ihn unterstützen, daß er unterdrückt wird, blablabla, damit begnügen kann, sich auf ein recht flaches und künstlerisch unspannendes Niveau zu begegeben, und trotzdem gefeiert zu werden. Immer auf der sicheren Seite.
Und da finde ich dann beispielsweise einen Mo Yan, der das Konflikthafte eines Künstlerlebens in China sehr viel existentieller mit sich austrägt und zu bewältigen versucht, und der eigentlich gar keine Seite hat, auf der er steht, sondern seinen eigenen Standpunkt finden muß, sehr viel spannender.