Das Endspiel hat begonnen. Seit zwölf Jahren will Hamburg sein wichtigstes Tor zur Welt, die Unterelbe, vertiefen und verbreitern. Jahrelang rang die Stadt mit den Nachbarländern, befriedete die EU-Kommission, suchte nach Wegen, die Schäden für Anwohner und Umwelt auszugleichen. Doch als es fast schon losging, stoppten Umweltschützer und zwei Kommunen an der Flussmündung das Projekt mit einer Klage (siehe ZEIT Nr. 29/14).
Jetzt verhandelt das Bundesverwaltungsgericht im fernen Leipzig. Entscheidet es für Hamburg, dann wird bald gebaggert. Entscheidet es für die Umweltaktivisten, dann beginnt alles wieder von vorn. Die Richter könnten den Fall auch, wie eine ähnliche Klage von der Weser, an den Europäischen Gerichtshof schicken. Da wäre man dann, wie auf See, einmal mehr in Gottes Hand.
Die Frage ist, ob das alles überhaupt sein muss. Ist es notwendig und verantwortbar, der Elbe weiteren Boden zu nehmen, sie damit schneller und gefährlicher zu machen?
Es gibt darauf eine kurze Antwort, und die lautet: Ja.
Die Elbe zu vertiefen ist notwendig, weil sonst die Reedereien mit den größten Containerschiffen der Stadt den Rücken kehren und viele Jobs mit sich ziehen – das ist keine leere Drohung, schon mussten die Hamburger das Hafengeld senken, um die Großkunden geduldig zu stimmen und die Attraktivität des Hafens weiterhin hoch zu halten. Und es ist verantwortbar, weil 80 Millionen Euro in die Umwelt fließen sollen, damit der seltene Schierlingswasserfenchel weiterlebt, der afrosibirische Knutt weiterfliegt und die Obsthaine nicht versalzen. Mit anderen Worten, die Elbvertiefung ist längst kein erzkapitalistisches Diktat mehr, sondern ein hart errungener Kompromiss zwischen Kommerz und Knutt.
Doch interessanter als ein bloßes Ja oder Nein, wie es fast jeder Hamburger oder Cuxhavener heute parat hat, ist die Suche nach der Antwort. Sie zeigt, dass viele Argumente nicht so schlagend sind, wie sie ihren Verfechtern nach zwölf Jahren bitterem Streit vorkommen. Es fängt damit an, dass die Umweltschützer nicht nur als Experten für Flora und Fauna, sondern auch als die besseren Industriepolitiker antreten. Angeführt von der weltweit größten Naturschutzorganisation WWF, wollen sie, dass die Hamburger mit der Konkurrenz zusammenarbeiten. Dann würden viele Container am neuen Wilhelmshavener Seehafen gelöscht und dann mit kleineren Schiffen nach Hamburg und Bremerhaven verfrachtet.
Fast wirkt es, als hätten die Gegner nicht bloß die Natur auf ihrer Seite, sondern auch die Marktwirtschaft.
Tatsächlich aber wollen sie den Wettbewerb durch eine nautische Planwirtschaft ersetzen. Als ließen sich die ausländischen Großreeder einfach so umplanen zum Wilhelmshavener Jade-Weser-Port, den sie bisher links liegen ließen. Vielleicht gehen sie lieber ganz nach Rotterdam und Antwerpen, wenn Hamburg nicht mehr kann und nicht mehr darf.
Und selbst wenn nicht, so tun die Gegner doch, als könnte man das Geschäft zwischen der Nordsee und Hamburg fest aufteilen. Aber so funktioniert Wirtschaft nicht. Die Kunden und die Kosten könnten aus dem Sowohl-als-auch schon bald ein Entweder-oder machen, Wachstum gebiert Wachstum – und der Schwund weiteren Schwund. Das Fahrrad, das umfällt, wenn es nicht weiterfährt, ist kein schlechtes Bild für den Hamburger Hafen, der nun erstmals seit der Finanzkrise neue Rekorde beim Warenumschlag erzielt.
Kommentare
Die Elbe muss unbedingt vertieft werden.
Das sage ich schon seit Jahren. Denn dadurch wird der Lebensraum der Fischis ungemein vergrößert. Es ist also sehr umweltfreundlich.
Ökonomischer Unsinn...
Ich bezweifle, ob die Elbvertiefung wirklich einen Nutzen bringt. Vielleicht muss man in Hamburg einfach einmal einsehen, dass es natürliche Grenzen gibt, und deren Überschreitung mehr schaden als nutzen.
Zweitens gibt es in Wilhelmshafen längst den notwendigen Containerhafen. Es wäre ökonomisch viel sinnvoller bestehende wenig ausgelastete Infrastruktur zu nutzen. Hier könnte der gesamtwitschaftliche Nutzen ohne weitere Kosten hoch sein. In Hamburg droht eine weitere Elbvertiefung der Stadt und Region eher großen ökonomischen Schaden anzurichten.
Also: statts nur nach Machbarkeit lokal sollte auch mal nach Nutzen in der Region insgesamt gefragt werden. Die ökonomische Analyse kann dann auf einmal wundersamerweise mit der ökologischen korrespondieren.
Denn: Ökologie und Ökonomie gehören zusammen. Zivilisationen, die dies vergessen hatten, sind in der Menschheitsgeschichte alle untergegangen.
Nachhaltigkeit von Wilhelmshaven
Mit Wilhelmshaven haben wir dann noch viel mehr LKW-Kilometer pro Jahr.
Bei den größten Containerschiffen entspricht dies ca. 10.000.000 LKW-Kilometern - pro Schiff!
Ob das in der gesamten Ökologischen Bilanz besser ist wage ich stark zu bezweifeln.
Der Hamburger Hafen
ist nicht nur für Hamburg das Tor zur Welt, sonder für ganz Deutschland. Die Vertiefung ist gewissermaßen alternativlos, es sei denn man möchte dem Standort dauerhaft schaden.
zu 3. der Hamburger Hafen...
Nichts ist alternativlos, Duisburg hat den größten Binnenhafen, sie kennen die Anlagen rund um Mainz und Wiesbaden nicht. Warum soviel die Elbe rauf schippern, wenn man es schneller und einfacher sofort am Meer auf Bahn und Straße bringen könnte:
https://www.destatis.de/D...
Und die Zukunft???
Bereits heute dürfte klar sein, dass die Rohstoffknappheit die Größe der Frachter zum schrumpfen bringen wird. Das Konzept der Zukunft in der Logistik wird wieder von Nähe und Regionalität bestimmt werden.
Wer also heute auf weiter, größer und höher setzt, setzt Milliarden Gelder in den Sand. Sinnvoll sind eher Konzepte, die die Zwischenzeit überbrücken und ohne Schaden mittel- und langfristig die Möglichkeit zur Reaktivierung der heute bestehenden optimalen Anlagen bieten.
Der Rückbau von Fehlplanungen ist immer teurer und schwieriger, das sollte man in Deutschland aus dem Flughafen-Desaster in Berlin BER doch endlich gelernt haben.
Hier sind wahrscheinlich doch eher Infrastrukturmaßnahmen zur Entlastung des Nadelöhrs Hamburg und Elbe sowohl bei Straßen als auch im Bahnverkehr wichtiger. Dann kann der Hafen als großer Container-Umschlag auch regional erhalten bleiben.
Logistik ist nicht größer, höher, tiefer und weiter. Logistik ist die kluge Kombination von Verkehrsmitteln, um Ware von A nach B zu bringen.
Und das Optimum sieht dann schon mathematisch anders aus, als sich so mancher Wirtschaftsjournalist ohne Grundlagenwissen vorstellen kann.