Im Jahr 1998 zeigte die britische Sun auf ihrem Titel das Foto eines deutschen Finanzministers und beschrieb ihn als den "gefährlichsten Mann Europas". Der Minister hieß Oskar Lafontaine, und er wollte vieles ändern in der Welt. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis einem anderen europäischen Finanzminister ein ähnliches Schicksal widerfährt. Sein Name: Yanis Varoufakis.
Wenn dieser Tage in Brüssel um die Zukunft Griechenlands gerungen wird, dann prallen nicht nur Schuldner und Gläubiger aufeinander. Dann trifft die Welt der großen Ideen auf eine alles zerkleinernde Maschinerie der Macht. Und die Welt der Wissenschaft mit ihrem Wahrheitsanspruch auf die Welt der Politik mit ihren Deals und Absprachen.
Varoufakis ist ein Mann mit vielen Ideen. Der Wirtschaftsprofessor ist über Nacht zu einer Art Hoffnungsträger einer ganzen Generation von Europäern geworden, die sich von den etablierten Parteien abgewendet haben. Wenn er seine Yamaha am Athener Finanzministerium abstellte, wenn er in den Brüsseler Sitzungen die Tagesordnung über den Haufen warf, um einmal grundsätzlich die Frage nach dem Sinn der ganzen Retterei zu stellen, dann bediente er damit auch die Sehnsucht nach einer anderen, authentischeren Politik.
In diesen Tagen zeigt sich das Scheitern dieser Politik.
Die griechische Regierung wollte die Auflagen aus Brüssel abschütteln und die Aufpasser von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds, die sogenannte Troika, nach Hause schicken. Sie wollte alles anders machen und nicht noch mehr neue Schulden auf die alten Schulden türmen. Die Auflagen sind noch da, die Schulden ebenfalls – und die Aufpasser werden wohl schon bald wieder nach Athen fahren. "Da werden einige bekannte Gesichter zurückkommen, die verhasst sind in Griechenland", sagt der Athener Ökonom Yannis Koutsomitis, ein Kenner der Verhältnisse. Varoufakis will nun durchsetzen, dass sie wenigstens einzeln anreisen statt wie früher gemeinsam – so etwas gilt in Griechenland inzwischen als Verhandlungserfolg.
Dabei liegt der Ball gewissermaßen auf dem Elfmeterpunkt, als Varoufakis Ende Januar sein Amt antritt. In Europa wächst die Kritik an der deutschen Sparpolitik. Frankreich plädiert für eine Lockerung der Vorgaben, Italien ebenfalls. Griechenland könnte also mit etwas diplomatischem Geschick eine Allianz schmieden – und zumindest einen Teil seiner Forderungen durchsetzen.
Doch Varoufakis geht einen anderen Weg. Er glaubt, dass sich Europa mit ihm solidarisiert, wenn er einen Schuldenschnitt für Griechenland fordert. Dabei unterschätzt er, dass dann auch Frankreich und Italien auf Geld verzichten müssten. Und dass die Regierungen in Spanien und Portugal Schwierigkeiten hätten, ihren Wählern zu erklären, warum ihnen nicht ebenfalls die Schulden erlassen werden.
Es gehört zur Kernkompetenz von Politikern, Bündnisse zu formen und Interessen einzuschätzen. Wolfgang Schäuble ist ein Meister in dieser Disziplin. Varoufakis aber gibt ein Interview nach dem nächsten und verprellt potenzielle Partner. Am Ende ist nicht Deutschland isoliert, sondern Griechenland. Innerhalb kürzester Zeit habe es Varoufakis "geschafft, sich mit allen anzulegen", sagt ein Brüsseler Insider.
Die Methode Varoufakis ist die des Überzeugungstäters: des Akademikers, der einen Sachverhalt so lange analysiert, bis er die Lösung gefunden zu haben glaubt und dann andere Lösungen nicht akzeptiert. Politik ist das ständige Ausbalancieren von Interessen. Varoufakis hat einmal gesagt, in Europa wachten Beamte über die Einhaltung ökonomischer Größen, deren Bedeutung sie nicht verstünden. Diese Erfahrung machen viele Wissenschaftler, wenn sie politische Verantwortung übernehmen. Weil politische Entscheidungen ihre Legitimation nicht aus der einsamen Erkenntnis des Politikers beziehen, sondern daraus, dass sie im Rahmen von allgemein akzeptierten Prozeduren zustande gekommen sind. Deshalb sind gute Experten oft schlechte Politiker – und umgekehrt.
Es gab auch in Deutschland einmal einen Professor, der als fachliche Koryphäe galt und in der Politik unterging. Der Heidelberger Steuerexperte Paul Kirchhof sollte nach der Bundestagswahl 2005 Finanzminister werden. Er scheiterte, weil seine akademischen Theorien im demokratischen Prozess zerrieben wurden.
Kommentare
Heckenschützen
Nun - wenn du von Heckenschützen umzingelt bist, dann fällt das "Überleben" schon mächtig schwer.
Heckenschützen?
Nein, die Heckenschützen sind nicht das Problem.
Wer als Sperling in den Hühnerstall geht und sich dabei als Adler ausgibt, der wird bald ziemliche Dresche von den Hähnen und den Hühnern kriegen.
Yanis Varoufakis ist an den Betonköpfen Europas gescheitert
"Yanis Varoufakis war als Ökonom ein Star. Als griechischer Finanzminister hatte er viele Ideen, durchgesetzt jedoch fast nichts."
Klar, dank Schäuble und IWF und Co. Und mit medialer Unterstützung der freien Boulevardmedien Europas, speziell Deutschlands. Das ist der Beton in den Köpfen der Menschen. Und die werden erst schlau werden, wenn das Kind Europa in den Brunnen gefallen ist.
Ich stimme zu
aber das zentrale Problem lässt sich an diesem Textauszug ablesen: "Deshalb sagte er.... Griechenland sei in Wahrheit bankrott. Wahrscheinlich stimmt das sogar – das Problem ist nur, dass ein bankrotter Staat kein frisches Geld von der EZB erhalten dürfte. Deshalb sollte sich ein Finanzminister genau überlegen, wie er mit der Wahrheit umgeht."
Genau hier liegt der Kern unserer Probleme. Es geht nicht darum rationale pragmatische Entscheidungen auf einer ethisch-moralischen Basis zu treffen, sondern um Hinterzimmer Deals, Machterhaltung und Ideologie. Deswegen geht die Welt auch vor die Hunde. Wir wissen seit 1980 schon vom Klimanwandel und Peak Oil und sind trotzdem schon über den Point of no Return hinaus an dem uns nur noch Wunder oder unvorstellbare Innovationen zu retten vermögen.
Ich hab gar keine Energie alle Punkte aufzuzählen wo ich dem Artikel widersprechen. Viele werden sich damit zufrieden geben und sagen so ist eben die Realität. Man kann nur hoffen, und so sieht es auch aus, dass immer mehr Menschen gegen ein solches System aufbegehren.
Die Politik muss von den Bürgern zu maximale Transparenz gezwungen werden damit solche Hinterzimmer Deals ihre Wirkung verlieren. Varoufakis wird durchhalten und Griechenland auch. Im Mai wird in Großbritannien gewählt und im November in Spanien. Neue Parteien werden in beiden Ländern über 1/3 der Stimmen erhalten. Der Zeitgeist verändert sich und es ist an jedem Bürger es nach seinen Möglichkeiten positiv mit zu gestalten.
Der Vergleich mit Oskar Lafontaine...
...ist eigentlich gut.
Mann, hatte der damals recht und keiner wollte ihm zuhören....
Und auch Varoufakis hat recht wenn er sagt das Griechenland pleite ist und seine Schulden nie zurückbezahlen wird, aber wieder will keiner zuhören....
@4 Gerry10
Ich glaube Sie sind nicht ganz im Bilde!? Wen juckt es denn, wer Recht hat?
Es juckt nicht die Politik und erst recht nicht dem Volk, welches nur hört, was es hören möchte.
Und in dieser Harmonie zwischen Wähler und Politiker hat sich nun einmal eine gewisse Regel eingeschlichen, oder besser gesagt die Mantren der Politik zeigen Wirkung. Da will ich jetzt nicht auf marktkonform oder alternativlos eingehen, das ist sowieso unter Hauptschulniveau, obwohl man den Schülern mit so einem Vergleich wirklich Unrecht antut.
Wer von links kommt und meint etwas anders machewn zu wollen, dem weht der eiskalte kapitalistische Wind Europas entgegen. Und ob die nun Recht haben oder nicht, das juckt nun wirklich niemanden, wenn es um das Prinzip Ausbeutung und weiter so geht.
Entfernt. Bitte kommentieren Sie sachlich, ohne unpassende Vergleiche. Die Redaktion/ums
Hallo Micha0815
"Insgesamt entseht ein Bild ...."
Ja, das soll so sein, das ist der Sinn. Die Geschichte zeigt, daß die Wahrheit immer zuerst auf der Strecke bleibt.
Daß die Griechen mit Schuld sind, steht wohl außr Frage. Daß aber innerhalb des Euro-Landes unterschiedliche Gesetze herrschen, wird einfach verschwiegen.
Deuschland brach die EU-Kriterien . Ganz einfach. Verträge wurden gemacht, unterschrieben und ... nicht eingehalten.
Ein Verfahren gab es nie.
Heute sagt man den Griechen, sie müssen die Verträge einhalten. Die gleichen Letue, die selbst die Maastricht-Verräge gebrochen haben verlangen nun von Girechenland die Einhaltung von weit aus unwichtigeren Verträgen. Eine Streckung um 5 Jahre würde Griehenladn iene Chance geben - die darf Griechenladn aber n cht bekommen. Sie sollen marktkonform und undemokratisch handeln wie die EU.
Er hat keine chance. Da könnt man eher gegen die sizilianische Mafia erfolgreich kämpfen als gegen die"Finanzexperten". Die Experten, die "innovative Wertpapiere " zum Kauf empfahlen, die Experten, die die Bilazen Griechenlands schönten, die Experten, die an Griechenland verdienen.