Ich bin Eigentümer einer Bank – und das schon mein halbes Leben lang. Ein paar Hundert Mark hat mich der Anteilschein damals gekostet, die exakte Summe weiß ich nicht mehr. Woran ich mich dagegen erinnere, ist die Dividende, mit der die Bank mich lockte: 6,5 Prozent. Was für Zeiten! Ende der neunziger Jahre war das wohl.
Seither schickt mir meine Bank Jahr für Jahr einen Brief, in dem sie mich, ihren Anteilseigner, zu ihrer Generalversammlung einlädt. Normalerweise lese ich das Schreiben nur flüchtig, manchmal werfe ich es gleich ins Altpapier. Im vergangenen Jahr aber studierte ich den Brief genauer, wendete ihn und sah, dass auf der Rückseite die wichtigsten Kennzahlen zusammengefasst waren. Ich erfuhr die Bilanzsumme, den Provisionsüberschuss, die Rückstellungen, die Personalkosten und ganz am Ende: den Überschuss für 2013, quasi den Gewinn für das vorangegangene Jahr. 34.179 Euro. Ich stutzte. Nur 34.179 Euro?
Im Internet schaute ich im elektronischen Bundesanzeiger nach, wo man die Geschäftszahlen aller deutschen Unternehmen einsehen kann. Ich tippte den Namen meiner Bank ein und landete bei der Bilanz für das Jahr zuvor. Gewinn: 95.034 Euro. Die Zahl beruhigte mich ein wenig. Um sicherzugehen, klickte ich aber noch ein weiteres Jahr zurück, und schon erschrak ich erneut. Gewinn: 49.167 Euro.
34.179 Euro. 95.034 Euro. 49.167 Euro. Wie kann es sein, dass meine Bank in zwei von drei Jahren weniger verdient hat als – mit Verlaub – ich selbst?
Mir ist bewusst, dass die Zeiten, in denen Banken Gelddruckmaschinen waren, vorbei sind. Gott sei Dank. Gleichwohl müssen selbst kleine Institute wie die Spadaka in Hoengen bei Aachen – so heißt meine Bank – mehr verdienen als ein Arbeitnehmer. Sonst haben sie keine Daseinsberechtigung.
Denn: Das Eigenkapital meiner Bank beträgt 6,4 Millionen Euro. Wenn daraus lediglich 34.000 Euro Gewinn entstehen, also eine Rendite von rund einem halben Prozent, dann ist dieses Kapital volkswirtschaftlich vergeudet. Zumal: Die Bilanzsumme der Bank, also die Summe aus Krediten sowie Wertpapieren und damit letztlich die Summe des Risikos, liegt bei immerhin 87 Millionen Euro. Ein Unternehmen, das solch ein Rad dreht, muss am Ende mehr als ein paar Zehntausend Euro Ertrag abwerfen. Ansonsten ist das Risiko nicht zu rechtfertigen.
Was also ist da los bei meiner Bank? Funktioniert ihr Geschäftsmodell überhaupt noch? Und falls nein: Wie steht es um die Banken insgesamt? Mein Haus mag sehr klein sein, ist aber typisch: In der Fläche prägen Genossenschaftsbanken und Sparkassen das Bild. Von den gut 1.800 Instituten hierzulande haben mehr als 1.000 eine Bilanzsumme von weniger als einer Milliarde Euro. Riesen wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank sind die Ausnahme.
Die Generalversammlung verpasse ich, weil ich im Urlaub bin. Dafür laden mich Björn Römkens und Dietmar Müller, die beiden Vorstandschefs, später zum Interview ein. Von der Schalterhalle, in der ich unzählige Male gestanden habe, geht es durch eine milchige Tür, hinter der ich noch nie gewesen bin. Von dort führt eine schmale Treppe hinauf in den ersten Stock, wo ich in zwei kinderzimmerkleine, unbesetzte Büros blicke. "Wer sitzt da normalerweise?", frage ich. "Wir", sagt Römkens.
Sie führen mich ins Besprechungszimmer, das sich am Ende des Gangs befindet und die gleiche schlichte Funktionalität versprüht wie die beiden Vorstandsbüros. Graue Wände, ein länglicher Tisch, darauf ein paar Sprudel- und Saftfläschchen. Römkens, 36 Jahre, nimmt mir gegenüber Platz. Er hat bei der Bank einst als Azubi angefangen, arbeitete dann als Berater, später leitete er den Kreditbereich, bis er 2012 in den Vorstand aufrückte. Müller, 55 Jahre, setzt sich links neben Römkens. Er ist vor zwei Jahren von außen geholt worden – "um aufzuräumen". So hat es mir zumindest am Vorabend ein Bekannter erzählt, der in meinem Heimatdorf nahe Aachen, in dem die Bank ihren Sitz hat, gut verdrahtet ist.
Kommentare
Vorweg....
...ich finde den Artikel enorm spannend, auch wenn ich ein paar Dinge grundlegend anders sehe und ein paar Fragestellung relativ unspektakuläre Antworten bieten.
Auf die Frage etwa warum kleine Banken den gleichen Regelungen unterworfen sind wie Großbanken, muss man Antworten, das für alle die gleichen Regeln gelten müssen.
Wäre das nicht so, dann gäbe es diverse Wettbewerbsvorteile oder Nachteile. Warum sollte etwa der Kunde einer kleinen Bank weniger Verbraucherrechte genießen als der Kunde eines großen Institutes. Oder warum sollte ein großes Institut schärfer reguliert und überwacht werden als ein kleines? Nur weil es betriebswirtschaftlich vertretbarer ist? Wohl kaum.
Das noch während einer anhaltenden Finanzkrise (Subprime), die in Deutschland einfach nur nicht so stark wahrgenommen wurde, Banken und Versicherungen zu kämpfen haben, liegt auf der Hand.
Hätten die Banken ein paar Abschreibungen weniger gehabt, dann hätte es auch diesen Artikel nicht gegeben, denn dann wären die Gewinne nämlich größer ausgefallen.
Vielen kleinen Unternehmen und relativ Einkommensschwachen Haushalten geht es in Deutschland nicht wirklich gut, was bedeutet das sie mit Einbußen oder Stagnation zu kämpfen haben. Das dann auch deren Banken damit zu kämpfen haben, liegt ebenfalls auf der Hand.
Trotzdem möchte ich nochmal betonen. Ich finde den Artikel sehr interessant.
MfG
"Systemrelevanz"
Ich stimme zu, dass eine Ungleichbehandlung beim Thema Verbraucherschutz keinen Sinn macht. Bei der Regulierung aber m.E. sehr wohl. Vereinfacht gesagt: wenn die Bank aus dem Artikel pleite geht, merkt das überregional niemand. Geht eine Großbank Pleite, kommen im Extremfall aufgrund der finanziellen Vernetzung weitere Banken aber auch Kapitalsammelstellen wie Versicherungen in die Bredouille.
Die Regulierung unterscheidet daher in der Tat zwischen kleinen und großen Banken. So gibt es bspw. in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement starke größenabhängige Unterschiede oder bspw. zusätzliche Eigenkapitalanforderungen für "global systemrelevante" Banken, um nur Zwei zu nennen. Die regulatorischen Anforderungen sind auch für kleine Häuser gestiegen, sind aber dennoch wesentlich niedriger als für große Häuser.
Das Schusterproblem
Der Schuster, einst ein sehr weit verbreiteter Alltagsberuf, dachte einst auch, er müsse einfach nur besser werden, dann könnte ihm die industrielle Schuhfertigung schon nicht gefährlich werden.
Der Rest ist Geschichte, heute haben Schuster nur noch die Rolle einer Nischenmanufaktur, für besonders teures "Schuhwerk" oder einzelne Nostalgiker. Der Normalo kauft seine Schuhe zum abtragen und wegwerfen. Der Schuster konnte alles richtig machen, aber er war chancenlos, weil die Verbraucher ihn schlicht nicht mehr brauchten.
Das ist gerade bei den kleineren Banken, deren Geschäfte sich auf Bankdienstleistungen vor Ort beschränken, ein gigantisches Problem, was 90 % der Jobs in diesem Bereich hinwegraffen wird und sicherlich die meisten Banken gleich mit.
In einer Zeit, wo alle Finanzgeschäfte ohnehin digital und über EDV laufen ist eine Bank ein reiner Intermediär und die Abläufe sind auch nicht mehr so komplitziert, dass man als Kunde einen Bankkaufmann als "Dolmetscher" braucht, der mit dem System kommuniziert. Ich kann alles per Direktbank machen. Und wenn ich mal Cash brauche, dann brauche ich keine Filiale mit Mitarbeitern - sondern einen Geldautomat.
Künstlich verkomplitzierte Finanzprodukte, die "Beratungsbedarf" erzeugen, meide ich aus Prinzip, ich hab Abi, bin Akademiker, alles, was ich trotz Bemühen nicht kapiere, das ist mir suspekt, ich meine da will man was verschleiern.
Und nun? Tja, was hätte man dem Schuster damals wohl am besten raten sollen? Schwierig.
Ich bezweifele sehr...
...dass der Autor, nach Abzug der Lebenshaltungskosten (Miete, Lebensmittel, Versicherung, Urlaub, etc.) noch 34 Kilo übrig hat !
Abgesehen davon, das soll ja auch nicht das Ziel einer Genossenschaftsbank sein, denn alles Geld soll zu Gunsten des Anteileigners verwendet werden. Die paar Eus, die da an Rendite anfallen würden, das reicht nicht einmal für ein saufseliges Feierabendbier in Dusburg - Marxlohe
Auch Mitarbeiter der BB brauchen Erfolgserlebnisse
"Vor einiger Zeit bekam die Spadaka Hoengen Besuch von zwei Mitarbeitern der Bundesbank....."
Vermutlich werden die Mitarbeiter der BB nicht gerade darum reißen, bei einem Konzern wie der Commerzbank oder der Deutschen Bank arbeiten zu müssen.
Wo vermutlich hinter jedem Kontroller (bildlich gesprochen) mindestens 2 Anwälte der Bank stehen und aufpassen, ob diese nicht etwa einen Fehler (im Sinne der Bank) machen.
Ansonsten ist das eben der Lauf der Dinge.
Die 3-6-3 Regel war etwas, was sich damals vermutlich nur sehr wenige Kunden der Bank leisten konnten.
Jetzt haben sich die Arbeitsverhältnisse angepasst.
Soll der Kunde jetzt trauern?