Fünf Monate der Verhandlungen zwischen Griechenland und Europa haben uns in eine Sackgasse geführt, weil Dr. Schäuble es so wollte.
Als ich Anfang Februar erstmals an einem der Brüsseler Treffen teilnahm, hatte sich bereits eine mächtige Mehrheit in der Euro-Gruppe herausgebildet. Um die ernste Gestalt des deutschen Finanzministers geschart, hatte sich diese Fraktion zum Ziel gesetzt, jede Übereinkunft zu verhindern, die auf den Gemeinsamkeiten zwischen unserer neu gewählten Regierung und dem Rest der Euro-Zone aufbauen würde. "Wahlen können nichts ändern" und "Es gilt die gemeinsame Absichtserklärung oder gar nichts" lauteten einige der typischen Äußerungen, mit denen ich bei meinem ersten Auftreten in der Euro-Gruppe begrüßt wurde.
Fünf Monate intensiver Verhandlungen hatten somit niemals eine Chance. Sie waren dazu verurteilt, in eine Sackgasse zu führen und den Weg für das zu bahnen, was Dr. Schäuble für "optimal" befunden hatte, lange bevor unsere Regierung überhaupt gewählt wurde: nämlich Griechenland aus der Euro-Zone zu drängen, um Mitgliedstaaten zu disziplinieren, die sich seinem ganz speziellen Plan zum Umbau der Euro-Zone widersetzten. Dies ist keine Theorie, die ich mir ausgedacht habe. Woher ich weiß, dass der Grexit ein wichtiger Bestandteil von Dr. Schäubles Plan für Europa ist? Weil er es mir selbst gesagt hat!
Ich schreibe dies nicht als ein griechischer Politiker, der die Verunglimpfung unserer vernünftigen Vorschläge in der deutschen Presse so kritisch sieht wie Berlins Weigerung, unseren moderaten Plan zur Schuldenüberbrückung ernsthaft zu erwägen, oder die hochpolitische Entscheidung der Europäischen Zentralbank, unserer Regierung die Luft abzuschnüren, und die Entscheidung der Euro-Gruppe, der EZB grünes Licht für die Schließung unserer Banken zu geben. Ich schreibe dies als ein Europäer, der beobachtet, wie sich ein ganz bestimmter Plan für Europa entfaltet – Dr. Schäubles Plan. Und ich möchte den kundigen Leserinnen und Lesern der ZEIT eine einfache Frage stellen: Stimmen Sie diesem Plan zu? Ist dieser Plan gut für Europa?
Schäubles Vision
Die Lawine an toxischen Rettungsschirmen in der Folge der ersten Finanzkrise der Euro-Zone hat zur Genüge bewiesen, dass die unglaubwürdige "Nichtbeistandsklausel", das Haftungsverbot für die Verbindlichkeiten einzelner Mitgliedstaaten, ein sehr schlechter Ersatz für eine politische Union war. Wolfgang Schäuble ist sich dessen bewusst und hat einen unmissverständlichen Plan für eine engere Union vorgelegt. "Idealerweise wäre Europa eine politische Union", schrieb er zusammen mit Karl Lamers, dem früheren außenpolitischen Sprecher der CDU, am 31. August 2014 in der
Financial Times
(online unter dem Titel
Mehr Integration in Europa ist das richtige Ziel
auf der Website www.bundesfinanzministerium.de).
Dr. Schäuble hat recht, wenn er für institutionelle Änderungen plädiert, die der Euro-Zone zu ihren fehlenden politischen Mechanismen verhelfen könnten. Nicht allein weil es sonst unmöglich ist, ihre aktuelle Krise zu meistern, sondern auch, um unsere Währungsunion auf die nächste Krise vorzubereiten. Stellt sich nur die Frage: Ist sein konkreter Plan ein guter? Ist es einer, den sich die Europäer zu eigen machen sollten? Und wie soll er nach dem Willen seiner Verfasser umgesetzt werden?
Der Schäuble-Lamers-Plan basiert auf zwei Ideen. Die erste lautet: "Wie wäre es mit einem EU-Haushaltskommissar, der nationale Haushalte zurückweisen kann, wenn sie nicht den von uns gemeinsam vereinbarten Vorschriften entsprechen?" Und die zweite: "Wir befürworten auch ein ›Euro-Zonen-Parlament‹ von MdEPs aus Ländern der Euro-Zone, um die demokratische Legitimation von Entscheidungen mit Auswirkung auf das Euro-Währungsgebiet zu stärken."
Der erste Einwand gegen den Schäuble-Lamers-Plan besteht darin, dass er jeder Vorstellung von demokratischem Föderalismus widerspricht. Eine föderale Demokratie wie Deutschland, die Vereinigten Staaten oder Australien gründet in der Souveränität ihrer Bürger, die sich in der positiven Vollmacht ihrer Abgeordneten niederschlägt, Gesetze zu erlassen, die zum Vorteil des eigenen Volks sind.
Kommentare
pack die Badehose ein..
..und es lacht der Sonnenschein, im Ernst, wer eine dritten Schuldenschnitt möchte, muss erst einmal vorleisten, wer als Normalbürger in Deutschland sich weigert, in den Schubladen zu kramen, und Block und Bleistift in die Hand zu nehmen, bekommt auch keinen Schuldenerlass via Privatinsolvenz.
Hachja, sympathisch...
Wegen dieser Art von herablassender Maßregelung Fremder sind wir Deutschen in Europa so beliebt. Aber im Ernst... wer immer noch nicht verstanden hat, dass es einen Unterschied gibt zwischen Griechenland, das "Unterstützung" bekommt, und den Griechen, die jetzt irgendwas bezahlen sollen, der versteht auch nicht den Unterschied zwischen Europapolitik und Peter Zwegats "Raus aus den Schulden".
In dem Artikel geht es um Politik, und die muss sich nun einmal an dem Maßstab bewerten lassen, ob sie zukunftsfähig und gut für die Menschen ist. Und da sind Schäubles Pläne einfach nur Müll, wie jeder (wirklich jeder) Wirtschaftswissenschaftler bestätigen kann bzw. hat. Weil sie die Wirtschaft kaputt machen, das Land kaputt machen, die Leute massiv verarmen lassen, keine Zukunftsperspektive bieten, und das einzige was Schäuble erreicht, ist, dass weiterhin "Hilfen" (für die alle europäische Steuerzahler aufkommen) an den gr. Haushalt gezahlt werden, um dann direkt wieder als Zinszahlungen (selbstverständlich null Tilgung, denn diese ist bei der Verschuldung und Zinshöhe gar nicht möglich) an die Gläubiger weitergeleitet zu werden. Und die Gläubiger sind übrigens auch nicht "wir", sondern zum allergrößten Teil Privatbanken wie z.B. die Deutsche Bank, und, oh, die EZB.
Hallo Herr Varoufakis
ich habe mich sehr gefreut dass Syriza die Wahl gewann.
Ich hatte dann allerdings erwartet dass Sie sich hinsetzen und hart arbeiten um die skandalösen Privilegien Ihrer Ober- und oberen Mittelschicht zu beseitigen und deren Ressourcen für die Lösung der nationalen Problem zu nutzen. U.a. gab es dafür die Lagarde-Liste.
Ausserdem dass Sie energisch eine Modernisierung der Verwaltung durchführen.
Kurzum das tun was in Ihrem Laden getan werden muss.
Statt dessen haben Sie sich offenbar nur darauf konzentriert sich als Opfer zu inszenieren und bessere Konditionen von anderen Staaten heraus zu handeln. Selbst damit sind Sie gescheitert.
Die ganze Performance die Tsipras und Sie (und Ihre Kollegen) geboten haben ist erbärmlich. Von einem eher linken Freund Griechenlands hat mich die Enttäuschung zu jemandem gemacht der das Vertrauen in die Fähigkeit Ihres Landes und seiner Bewohner in absehbarer Zeit ein guter Partner zu werden, verloren hat.
Dass die Alt-Parteien durch und durch korrupt, verantwortungslos und unfähig sind, habe ich zur Kenntnis genommen. Aber auch Sie haben versagt, und daher interessieren mich Ihre Pamphlete nicht mehr im mindesten. Die Wahrheit ist ohnehin verschüttet.
Ein Grexit mit humanitärer Begleitung durch die EU wäre das Einzige wovon ich noch hören möchte. Und in 10 Jahren könnte man als sehen ob Vernunft bei Euch da unten eingekehrt ist.
Sie haben die linke Idee und die Hoffnung auf eine Alternative beschädigt. Setzen, schweigen, Note Sechs!
@2 Hallo Herr Professor Sinnlos
Es mag eine Teilwahrheit sein:
Statt dessen haben Sie sich offenbar nur darauf konzentriert sich als Opfer zu inszenieren und bessere Konditionen von anderen Staaten heraus zu handeln. Selbst damit sind Sie gescheitert.
Für welche anderen Staaten?
Was haben die Bürger der anderen Staaten (aller € -Staate übrigens) mit der Verschuldung ihrer Länder in der Zeit vor 2008 (Ausbruch der Finanzkrise). Wer hat eigentlich vor und nach 2008 meistens von der wilden unkontrollierten Freiheit der grenzenlosen Verschuldung profitiert und wer hat diese Entwicklung gewollt? Woher kam diese Menge des Geldes und mit welchem Zweck und Ziel wurde das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner aufgebaut?
Ein Teil des Schuldgeldes lief ausschließlich in geschlossenen Kreisen zwischen der Politik, unterschiedlicher kontroversen Businessman´s und unkontrollierten Banken. Nicht nur in Griechenland.
Nach 2008 wurden diese Schulden verstaatlicht, das Privatvermögen wanderte aus und die Steuerzahler - Bürger müssen jetzt sparen. Logisch?
Nein
@V.: ..Verhandlungen ... waren dazu verurteilt, in eine Sackgasse zu führen und den Weg für das zu bahnen, was Dr. Schäuble für "optimal" befunden hatte, lange bevor unsere Regierung überhaupt gewählt wurde: nämlich Griechenland aus der Euro-Zone zu drängen,...
H. Schäuble hat es zugegeben. Die wichtigste Frage bleibt, was bezweckt diese Politik angesichts nie behobenen Ursachen der Verschuldung und des Verteilungsunrechts.
Entfernt. Bitte äußern Sie sich sachlich. Die Redaktion/mak
Und mich...
...wundert das Ihr Kommentar so stehen bleibt...
Unterschiedliche Ansichten über Europa
Ein demokratisches und freiheitliches Europa basiert nicht auf einer Gemeinschaft, in der einige sich aus der Verantwortung für die Gesamtheit stehlen, indem sie nationalistischen Eigennutz ausleben, indem sie über lange Zeiten hinweg finanzielle Transfers, Kredite und Geldgeschenke annehmen und sogar anfordern, ohne Gegenleistungen für sich und die Gemeinschaft zu erbringen. Wer sich über Jahrzehnte hinweg so verhält, verliert den Anspruch auf die Hilfe der Gemeinschaft und sogar die Berechtigung, weiterhin ein Mitglied zu sein. Darüber sollte Varoufakis hinsichtlich der bisherigen Rolle des griechischen Staates einmal kritisch nachdenken und urteilen.
Viele, zu viele Dauertransferkandidaten
In die EU drängen neben den schon vorhandenen Sorgenkindern und den grösseren überschuldeten Volkswirtschaften wie Italien auch neue Anwärter aus dem Balkan auf Dauertransfers.
Das kann eine politische Union auf Dauer nicht durchstehen und übersteigt auf Dauer völlig die Kräfte der Nettozahler.
Eine gesetzlich verankerte Transferunion ist deshalb die Fahrkarte in die kollektive Massenverelendung. Wer will das?