1 Bodentruppen schicken?
Ein Fußballländerspiel wird abgesagt, ein Stadion evakuiert, und eine ganze Stadt ist augenblicklich in Sorge: Sind die Attentäter schon hier, unter uns? Ja, vielleicht sind sie es, und wenn nicht heute, dann womöglich ein anderes Mal. Niemand kann uns diese Sorge nehmen. Sie ist berechtigt. Real.
Und dennoch: Angst ist kein guter Ratgeber und ein noch schlechterer Begleiter. Jeder muss sein eigenes Rezept finden. Dem einen hilft es, sich klarzumachen, wie viel höher die Wahrscheinlichkeit ist, im Straßenverkehr verletzt zu werden. Der andere denkt historisch, etwa daran, dass es in vergangenen Jahrzehnten viel mehr Terror gab in Europa. Jeder darf Angst haben. Aber wir sollten einander nicht noch anstecken.
Mit spektakulären Anschlägen wie dem von Paris verfolgen Terroristen vor allem zwei Ziele: die betroffenen Gesellschaften zu lähmen und ihre Regierungen in eine strategische Falle zu locken.
Die Kriegsrhetorik, die westliche Politiker und ein ansonsten besonnener Papst jetzt anstimmen, ist genau das, was der IS hören will. Und nichts käme ihm mehr gelegen als der Einsatz von westlichen Soldaten auf seinem Territorium. Sie wären ideale Zielscheiben für Selbstmordattentäter – und ein perfektes Instrument zur Mobilisierung weiterer Dschihadisten.
Wer jetzt nach Bodentruppen oder dem "totalen" Krieg ruft, übersieht etwas Grundlegendes: Die Attentate von Paris, Ankara, Beirut und im Sinai sind kein Ausdruck der wachsenden Macht des IS, sondern Reaktion auf die militärischen Rückschläge, die er in der vergangenen Woche hinnehmen musste. Im Irak setzte ihm die kurdische Peschmerga zu, in Syrien PKK-nahe Kämpfer und arabische Anti-Assad-Rebellen – unterstützt von der amerikanischen Luftwaffe.
Die besten Bodentruppen gegen den IS sind nicht westliche Armeen, sondern Einheiten, die im Guerillakampf erprobt sind. Ihnen muss der Westen helfen. Nicht nur mit Waffen und Ausbildern, was Deutschland im Fall der Peschmerga bereits tut, sondern auch mit politischer Rückendeckung. Kurdische Truppen werden während ihrer Offensiven gegen den IS von der Türkei beschossen, weil die ihren Krieg gegen die PKK weiter führt. Syrische Rebellen, die gegen den IS und das Assad-Regime kämpfen, werden von russischen und syrischen Kampfbombern angegriffen. Diese Staaten sind nicht Teil der Anti-IS-Allianz. Sie sind ihre Saboteure.
2 Finanzströme des IS lahmlegen! Aber sicher! Und bitte effektiver!
Wie in jeder Organisation spielt auch im Terrornetzwerk des "Islamischen Staats" Geld eine zentrale Rolle. Die internationale Gemeinschaft kann Terrororganisationen finanziell austrocknen, etwa, indem sie Überweisungen blockiert oder Konten einfriert. Damit könnte man die in Syrien aktive Al-Nusra-Front empfindlich treffen, finanziert sie sich doch vor allem durch private Spenden aus dem Ausland.
Im Fall des IS ist die Sache komplizierter. Die meisten internationalen Geldinstitute haben sich aus dem Territorium des Kalifats zurückgezogen. Doch verfügt der IS über Einnahmequellen in dem von ihm kontrollierten Gebieten. Das macht es schwieriger, Finanzströme zu blockieren. Auch werden die Terroristen immer einfallsreicher: Sie weichen auf Bargeldkuriere aus und wickeln Zahlungen über Banken in den Nachbarländern ab.
Als wichtige Transitländer für Terrorgeld gelten die Golfstaaten sowie die Türkei und der Libanon. Soeben haben die Staatschefs der G 20 beschlossen, den internationalen Zahlungsverkehr strenger zu überwachen. Jetzt muss das nur noch umgesetzt werden – vor allem in den Nachbarländern, doch gerade dort erschwert Korruption die Kontrolle.
Kommentare
Professor David Graeber von der London School of Economics:
"Hätte die Türkei die gleiche absolute Blockade für IS Gebiete praktiziert, die sie bei den kurdisch gehaltenen Teilen Syriens anwendete ... das blutbefleckte "Kalifat "wäre wohl längst zusammengebrochen - und die Paris Attacken wären wahrscheinlich nie geschehen. Und wenn die Türkei heute das Gleiche täte, würde IS wahrscheinlich in wenigen Monaten zusammengebrochen sein. Aber hat ein einziger westlicher Führer Erdoğan bisher aufgefordert dies zu tun? "
https://medium.com/insurg...
Kann mal bitte irgendein Journalist seine Arbeit machen und Frau Merkel zu diesen Umständen befragen? Kann doch nicht sein, daß wir seit Monaten diesen Elefanten in der Bundesrepublik haben, und die Presselandschaft findet es überhaupt nicht bedenklich, daß unsere Regierung kein Wort darüber verliert.
Frau Merkel reist sogar zu Erdogan um sich zu versichern, daß er die Flüchtlinge bei sich behält. Die Kurdenfrage wurde wohl nicht diskutiert. Da muss ein guter Journalist doch mal nachhaken!
Anmerkung: Bitte präzisieren Sie Ihre Kritik. Danke, die Redaktion/lh
Ironisch wie immer: Aushalten, die eigene Angst muss abgebaut werden.
Aber wie, wenn man einen Terrorakt in den Medien tausendfach darstellt? Das wirkt psychisch, als ob der Akt tausendfach geschehen wäre und schürrt die Angst.
Nichts würde uns allen mehr helfen, als diese Aktionen als Randnotiz im Tagesgeschehen zu vermerken.
Aber so weit lässt es eine Werbe/Klickgeile Nachrichtenwelt nicht kommen.
Der IS sagt: Danke, liebe Nachrichtenagenuren, ihr seid unsere wahren Klingen mitten in Europa.
"Der IS sagt: Danke, liebe Nachrichtenagenuren, ihr seid unsere wahren Klingen mitten in Europa."
Nein. Die wahren Klingen sind die dumpfen Hirne mancher Leser.
Wäre sinnfrei, speziell wegen denen Information zu verbieten.
http://www.merkur.de/poli...
"Der IS will zudem Zwietracht im Westen schüren zwischen der muslimischen und nichtmuslimischen Bevölkerung. Sie sehen Pegida als einen fabelhaften Verbündeten an – auch das haben mir IS-Leute gesagt."
Diese Fixierung auf Pegida ist nicht nur nicht der Kern des Todenhöfer-Interviews sondern letztlich auch ein Feigenblatt vor Tatsachen den sich unsere Gesellschaften stellen müssen und die der obige ZO- Artikel allenfalls halbherzig thematisiert.
Diese Halsabschneider können vor allem deshalb existieren weil sie nützliche Idioten in einem geostrategischen Spiel sind. Der Eingangskommentar bzw der verlinkte Artikel deckt im Prinzip das gesamte Dilemma "da unten" ab. Unter dem Gesichtspunkt darf man auch die unzähligen Beiträge auf ZO zu Assad sehen. Es werden nur Teilaspekte thematisiert und schlimmstenfalls Dinge konstruiert die den Leser auf Fährten locken soll, die mehr ablenken als informieren.
11. Sanktionen für S-A, Quatar, Kuwait und die Türkei
Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Staatsoberhäupter oder Staaten direkt die Terroristen unterstützen. Meist sind es irgendwelche Verwandten der Königshäuser, die Geld an Terroristen fließen lassen. Wenn sie moderade Kräfte mitsanktionieren, erreichen sie genau das Gegenteil von dem, was sie mit solch einem Rundumschlag bezwecken.