Dag Encke, Andreas Kreiter und Werner Schwarz treffen im Berliner Museum für Naturkunde ein. Wir versammeln uns in einem geheimnisvoll ausgeleuchteten Saal des Hauses, der die Evolution der Artenvielfalt dokumentiert. Hier zeigt das Museum beispielhaft, welche Reichtümer es beherbergt. Fast 3.000 sorgsam präparierte Tiere bevölkern die Vitrine: Würmer und Echsen, Fische und Schwämme, Vögel und Käfer, Raubkatzen und Menschenaffen. Hier wird die Vielfalt der Natur wie in einer Schatzkammer inszeniert. Unsere Gäste zeigen sich beeindruckt. Wir erleben sie als Männer aus unterschiedlichen Welten, die ein gemeinsames Problem verbindet: Die Gesellschaft hat immer weniger Verständnis für das, was sie tun. Wie sie mit der Kritik umgehen, wollen wir von unseren Gästen wissen. Wie sie ihren Umgang mit Tieren rechtfertigen. Ob es anders ginge. Und ob sie Mitgefühl empfinden.
DIE ZEIT: Herr Kreiter, Herr Schwarz, Herr Encke, wie geht es Ihren Tieren?
Andreas Kreiter: Meinen Makaken geht es gut. Die Tiere müssen in unseren Laboren anspruchsvolle Aufgaben bewältigen, Aufmerksamkeitstests zum Beispiel. Wenn es den Tieren nicht gut ginge, würden sie gar nicht mitmachen.
Werner Schwarz: Ich habe eine Tierpflegerin, die sich nur um die Muttersauen mit den Ferkeln kümmert. Am Wochenende musste sie weg. Da hat sie sich Sorgen gemacht: Wer schaut nach den Sauen? Sie weiß, dass die Tiere anders reagieren, wenn ein anderer Pfleger da ist. Das ist eine enge Beziehung. Ich glaube, dass die Tiere sich in ihrer Gegenwart sehr wohlfühlen.
Dag Encke: Ich finde es wichtig, einen Unterschied zu machen zwischen natürlichen Lebensproblemen der Tiere und solchen, die durch die Haltungsbedingungen verursacht sind. Das darf man nicht verwechseln.
ZEIT: Liegt es denn nicht auf der Hand, dass bestimmte Haltungsformen dem Tier schaden? Angefangen bei der Gefangenschaft?
Encke: Gefangenschaft ist der falsche Begriff. Die Frage ist: Sind die Haltungsbedingungen so beschaffen, dass die Tiere ihr natürliches Verhalten ausleben können? Ich kann Ihnen nicht pauschal sagen, wie es meinen Tieren geht. Den einen geht’s gut, den anderen schlecht, manchen heute gut und morgen schlecht. Auch in der Natur sind Tiere nicht immerzu glücklich. Sie leben ein normales Leben, genau wie wir. Dazu gehören auch Krisen.
ZEIT: Unsere Leser sehen das kritischer. Rund 94 Prozent sehen dringenden Handlungsbedarf bei der Mast. Bei Tierversuchen waren es 70 Prozent und bei der Tierhaltung im Zoo rund 63. Die Umfrage ist nicht repräsentativ. Wir wissen nicht, wie viele der rund 11.500 teilnehmenden Leser doppelt abgestimmt haben. Dennoch kann man sagen, dass Sie drei einen Umgang mit Tieren pflegen, der von der Gesellschaft nicht mehr unwidersprochen akzeptiert wird. Fühlen Sie sich missverstanden?
Schwarz: Die Umfrage ist nicht repräsentativ, Sie sagen es selbst. Aber mit dem Akzeptanzproblem haben wir in der Tat zu kämpfen. Natürlich ist es für den Bürger schwer fassbar, wenn wir in Deutschland eine Million Schweine pro Woche schlachten, eine Million! Das sehe ich ein. Aber die meisten Menschen wissen heute gar nicht mehr, was in der Mast passiert. Sie können es nicht mehr nachvollziehen. Der Bürger erlebt das Tier als Kuschelobjekt und blendet aus, dass es auch Nutztiere gibt, Tiere, die wir brauchen, um Fleisch, Milch und Eier zu erzeugen.
Kreiter: Das Problem ist ganz zentral, dieses immer geringer werdende Wissen um die Natur. Die Menschen haben keine eigenen Erfahrungen damit, wie ein Tier ist, was ein Tier aushält. Menschen schreien laut auf, wenn sie sehen, wie der Bauer sein großes Rind mit der Gerte antreibt. Dabei ist den wenigsten klar, dass die Wucht des Schweifes größer ist als die des Schlages von Menschenhand. Und das ist nur eines von vielen Beispielen dafür, dass viele Menschen heute keine Ahnung von Tieren haben.
ZEIT: Die Philosophin Friederike Schmitz bezeichnet die heutige Tierschutzdebatte als "Käfig-Ethik". Sie kritisiert, dass wir eigentlich nur noch die Rahmenbedingungen diskutieren, unter denen wir Tiere nutzen, aber gar nicht mehr die Grundsatzfragen stellen: Dürfen wir das überhaupt? Brauchen wir Tierversuche?
Kreiter: Die Notwendigkeit von Tierversuchen wird sogar wachsen, weil die Gesellschaft dringende medizinische Probleme lösen muss. Die Bevölkerung wird immer älter, und das erzeugt einfach sehr viel mehr Patienten. Und auf der anderen Seite gibt es mehr und mehr Möglichkeiten, diesen Krankheiten wissenschaftlich näher zu kommen. Das erzeugt einen hohen Druck, diese Möglichkeiten auch zu ergreifen.
ZEIT: Ist das immer sinnvoll? Es wird viel Geld in Antikörpertherapien investiert, die Krebspatienten noch ein paar Tage mehr Lebenszeit verschaffen. Für die Entwicklung solcher Therapien sind auch Tierversuche notwendig.
Kreiter: Moderne Medikamente, wie Sie sie gerade angesprochen haben, machen – um nur eines von vielen Beispielen zu nennen – für Rheumapatienten einen enormen Unterschied. Statt jahrzehntelang unerträgliche Schmerzen erleiden zu müssen, können sie dank der sogenannten Biologicals einigermaßen erträglich leben.
Kommentare
3 Themen in einem Bericht und jedes für sich ist sehr komplex.
Ich würde gerne zum Thema Zoo kommentieren:
Der älteste Zoo ist der Tiergarten Schönbrunn, der bereits seit 1752 besteht. Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts haben Zoos durch Wildfänge einen wesentlichen Anteil an dem Raubbau der Tierwelt geleistet. Erst mit dem Unterzeichnen des Cites-Abkommens wurden sich m. A. nach die 3 Säulen Bildung, Wissenschaft und Arten-und Naturschutz auf die Fahnen geschrieben, um die Haltung von exotischen Tieren weiterhin rechtfertigen zu können.
Wenn man sich nur mal anschaut, wie die Delfine nach Duisburg gekommen sind, dann kann man sich im nachhinein nur Fremdschämen!
Nun schreiben wir das Jahr 2016 und das 6.te Artensterben ist im vollen Gange. Die Deutschen haben sich lt. eines Berichts in 'Die Welt' zum Europameister im Müllproduzieren entwickelt. Zu keiner anderen Zeit ist Vernichtung von Ressourcen und die damit verbundene Vernichtung von Habitaten der Tierwelt dramatischer vorangeschritten. Daran ändern auch die ca. 850 Zoo und Tierparks in Deutschland nichts!
Die Zoos werden lt. einiger Umfragen in den meisten Fällen als reine Freizeiteinrichtung gesehen mit Erholungswert vom Alltagsstress. Die Verweildauer vor den Gehegen ist durchschnittl. 1/2 Minute. Reicht eine halbe Minute, um etwas über die Tierwelt zu erfahren und sensibilisiert zu werden?
dann fliegen wir doch lieber alle in die serengeti, dass ist dann auch fuers klima besser.
Wenn man sich nur mal die Zahlen anschaut, die in die Zoos gesteckt werden müssen, um alles am Laufen zu halten, dann frage ich mich, wie lange wir uns diesen Luxus der Freizeitgestaltung noch leisten können oder wollen.
Millionenbeträge an Krediten, Subventionen, die ganzen Kosten für Instandhaltung, Energie, Futter, Personalkosten etc.pp.
Dagegen steht 1 Cent (!!), den die Zoos in den Artenschutz zurückführen müssen (für jede verkaufte Eintrittskarte - Angabe ohne Gewähr!). Im Fall des Zoo Duisburg war das im Jahr 2012 gerade mal die Summe in Höhe von ca. 22.000 Euro. Im Gegenzug hat der Zoo Subventionen in 7stelliger Höhe erhalten (ca. 3-5Mill.)
Die Frage, welche Summe im Natur- und Artenschutz mehr erreichen könnte, kann sich hoffentlich jeder selber beantworten.
Nehmen wir doch nur mal das Beispiel Delfine. Im Tiergarten werden ca. 70 Tonnen Futterfisch verfüttert. Auch wenn diese aus zertifiziertem Fischfang sind, so unterstützen die Delfinarien (weltweit) im Hohen Maße die Überfischung der Meere. Auch zertifizierter Fischfang ist nicht frei von Beifang.
Delfine im Ozean fangen nur die Menge, die sie benöten. Oder hat schon mal jemand einen Delfin mit Fangnetz gesehen?
Aprospos. Lt. neuesten seriösen Untersuchungen werden die Meere, wenn wir so weitermachen, bis 2050 leergefischt sein.
Was unternehmen die 2 deutschen Delfinarien gegen diesen Trend ?
30 Millionen für das Nürnberger Delfingrab und die Ostseeschweinswale kämpfen vor der eig. Haustür ums überleben ?
Die hochgelobte Delfinhaltung hat ein neues Opfer im Zoo Duisburg, der von Tierschützern als das größte Delfingrab Europas bezeichnet wird, gefordert.
Befürworter argumentieren, dass die Sterblichkeitsrate von Delfinen in Gefangenschaft mit denen im freien Ozean gleich zusetzen ist. Ich sehe das anders !
Vergleicht man die Sterblichkeitsrate in Gefangenschaft mit beispielsweise Freilandstudien an Großen Tümmlern in Neuseeland und vor Florida, wird man feststellen, dass dort die Sterblichkeitsraten deutlich niedriger liegen, nämlich bei ca. 20 Prozent (Haase & Schneider 2001, Wells & Scott 1990). Bei zwei Tümmlerpopulationen vor Neuseeland waren die Sterblichkeitsraten von 30-40 Prozent etwas höher und auf die hohen Schadstoffbelastungen der Muttertiere zurückzuführen (Henderson et. al, 2013).
Bei den Tümmlerpopulationen vor Neuseeland handelt es sich um die Populationen in Dusky Sound und Doubtful Sound, welche die Grundlage einer Studie von Henderson et. al bildeten und auf die sich auch die Befürworter in ihren Aussagen stützen. Allerdings wurde nur eine der beiden Populationen berücksichtigt, nämlich die mit der höheren Sterblichkeitsrate. Außerdem wurde dabei "vergessen" zu erwähnen, dass diese hohe Sterblichkeitsrate auf die hohen Schadstoffbelastungen der Muttertiere zurückzuführen ist.
Quelle: Abundance and Survival of bottlenose dolphins in Doubtful Sound and Dusky Sound – 2009-2012
Genau gegen diese emotional aufgeblasenen Argumente richtet sich der Artikel. Danke dafür. Also für den Artikel. Wenn Sie das (geschäzte; Sie werden es besser wissen) Duzend Delphine in Deutschlad gegen die Schweinezucht aufwiegen werden Sie ganz andere Probleme sehen als Überfüschung, weil Zoodelphine etwas futtern müssen.
Ihre Argumentation ist irrational.
(Am Rande: Ich finde deren Haltung auch nicht vertretbar)
Wie dem auch sei, wenn nun Delfinarienbetreiber und deren deren Befürworter sagen, dass auch in der Natur Kälber sterben, ist dies zweifellos richtig. Wird dann aber, wie es in der Vergangenheit so häufig der Fall war, behauptet, dass ein Delfinbaby in Gefangenschaft aufgrund natürlicher bzw. biologischer Ursachen verstarb, muss man allerdings stutzig werden und diese Aussage kritisch hinterfragen, wird doch von den Betreibern solcher Einrichtungen stets auf die hervorragende medizinische Versorgung verwiesen und dass es sich bei einem Delfinarium um einen geschützten Lebensraum handele, in welchem die Tiere vor den harten und unberechenbaren Bedrohungen ihres natürlichen Lebensraumes geschützt seien.
Es gibt Gründe, warum junge Delfine in freier Wildbahn versterben, man denke hierbei zum Beispiel an die Präsenz von Beutegreifern, Umweltverschmutzung, Futtermangel, Trennung von Mutter und Kind durch die Unbilden der Natur, sowie das Verfangen in Fischernetzen, um nur einige wenige Beispiele anzuführen.
In Gefangenschaft hingegen werden die Tiere ständig von Personal überwacht, werden medizinisch versorgt, erhalten ausreichend Futter in "Restaurantqualität" und auch von den anderen oben angeführten Bedrohungen ist im Duisburger Delfinarium weit und breit nichts zu sehen.
Warum starben und sterben also dennoch, verglichen mit den Daten freilebender Populationen, so häufig Kälber in Gefangenschaft?
Wenn Sie wirklich etwas von Delphinen verstehen würden, wüssten Sie, dass Delphine in den ersten Lebensmonaten kein intaktes Immunsystem haben und sich dieses erst aufbauen muss. Die Tiere sind also hochempfindlich. Zudem kommt hinzu, dass nicht jedes Tier viel Erfahrung mit der Aufzucht von Kälbern hat, da sie auch dies erst lernen müssen.
Und die Aussage, die Tiere würden zur Überfischung der Meere beitragen, ist der größe Unsinn, den ich in diesem noch sehr jungen Jahr bisher gelesen habe!
Was der TG für den Artenschutz tut, können Sie beispielsweise hier http://tiergarten.nuernbe... oder auch hier http://deadline-online.net/ nachlesen!