ZEIT: Und das gilt in den USA wie in Europa?
Friedrich: Richtig. Es kommt auf die Emissionen im realen Leben an, dort werden die Stickoxide von den Menschen eingeatmet. Wir reden hier nicht von einfachem Betrug, wir reden von Körperverletzung mit Todesfolge. Man muss allein in Deutschland jährlich mit 10.000 Todesfällen durch hohe Stickoxid-Konzentrationen rechnen. Da ist nicht einfach was schiefgelaufen.
ZEIT: Schafft es VW, die seit 2008 verkauften Diesel in den USA mit technischen Mitteln wieder regelkonform aufzurüsten?
Friedrich: Je älter die Autos sind, desto schwieriger wird das. Für die erste Generation lohnt sich eine Reparatur kaum noch, die kann Volkswagen zurückkaufen. Bei neueren Fahrzeugen könnte es leichter werden.
ZEIT: Neuere Modelle kann VW mit einem Rückruf so umbauen, dass die Schadstoffgesetze eingehalten werden?
Friedrich: Wenn Sie ein neueres Fahrzeug mit SCR-Katalysator haben ...
ZEIT: ... also mit Harnstoffeinspritzung zur Neutralisierung der Stickoxide ...
Friedrich: ... dann können Sie diese – anders als diejenigen mit einfachem Speicher-Kat – wohl hinbekommen.
ZEIT: Der Betrug von VW hat begonnen, als man damals die paar Hundert Euro Mehrkosten für den besseren SCR-Katalysator sparen wollte.
Friedrich: Dabei wusste damals schon jeder in der Branche, dass man die Diesel mit einem billigen Speicher-Katalysator nicht wirklich sauber bekommt und schon gar nicht die strengen US-Stickoxidgrenzen einhalten kann. Aber das Ganze ist nicht nur ein VW-Problem, man hat branchenweit kostengünstige Lösungen gewählt. Zulasten der Umwelt.
ZEIT: Es wäre also von Anfang an möglich gewesen, die US-Autos mit dem besseren SCR-Reinigungssystem auszurüsten.
Friedrich: Natürlich, die Technik gab es sogar schon vor dem Speicher-Kat. Aber es war den Herstellern zu teuer.
ZEIT: Verlieren die Autos nicht an Leistung, wenn man sie nachträglich sauberer macht?
Friedrich: Das ist Unsinn. Selbst wenn dann ein oder zwei PS weniger rauskämen, hätten die Diesel noch genügend Leistung. Neue deutsche Autos haben im Mittel 140 PS. Und als die VW- und Audi-Modelle von ICCT in den USA getestet wurden, war auch ein schwerer BMW X5 Diesel in der US-Version dabei. Der hat dank aufwendiger Abgastechnik selbst die strengen kalifornischen Grenzwerte problemlos eingehalten – im Labor und auf der Straße.
ZEIT: Der Besitzer eines aufgerüsteten Modells würde also beim Fahren gar nichts merken.
Friedrich: Ich bin sicher, dass ein Fahrer das nicht spürt.
ZEIT: VW hat bislang keine zehn Leute beurlaubt, reicht das?
Friedrich: Die Frage ist, wo man unbelasteten Ersatz herkriegen wollte, schließlich macht die ganze Autoindustrie solche Dinge.
Kommentare
"Körperverletzung mit Todesfolge" mit sehr Zahlen von Opfern - endlich einmal ein Artikel der dies thematisiert.
Die Automanager denken immer noch "ja, wenn das Auto weniger Leistung bringt, als angegeben, das wäre Betrug am Kunden, aber Abgase? Warum soll man sich über Abgase gross aufregen?"
"Körperveletzung mit Todesfolge" ist ein Artikelname der Bild würdig ist, nicht jedoch der Zeit.
Es ist hoch gegriffen und richtet sich ehr an die leicht beeinflussbaren Leser.
Das der Skandal verfolgt und bestraft werden sollte steht außer Frage, allerdings muss auch beachtet werden das sämtliche "Mitsünder" ebenfalls bestraft werden.
Da jedoch jeder Autokonzern die vollzogen haben wird, ist es unwahrscheinlich das dies noch groß verfolgt wird. Zu groß währe der Schaden an der Wirtschaft.
"wir reden von Körperverletzung mit Todesfolge. Man muss allein in Deutschland jährlich mit 10.000 Todesfällen durch hohe Stickoxid-Konzentrationen rechnen."
Wenn es wahr wäre, müsste die Lebenserwartung massivst sinken, stattdessen jedoch steigt sie Jahr für Jahr weiter.
"Die Lebenserwartung ist seit 1990 im weltweiten Durchschnitt um sechs Jahre gestiegen" SPON; 15.05.2014
Die „Körperverletzung mit Todesfolge“ wird nicht von den Herstellern sondern von den Käufern und Nutzern dieser Fahrzeuge begangen. Die Hersteller bauen das, was der Käufer tatsächlich verlangt. Also nicht nur mit frommen Sprüchen sondern durch tatsächlichen Kauf.
Die einseitige Hatz auf Dieselmotoren ist auch alles andere als sachlich, Benziner stoßen nicht weniger Schadstoffe aus sondern nur andere und Elektroautos sind die mit Abstand größte Umweltsauerei, solange der gesamte Strom dafür nicht extrem schadstoffarm erzeugt werden kann.
Ein objektiver Vergleich aller verbrauchten Ressourcen und ausgestoßenen Schadstoffe wäre bezüglich Umwelt und Gesundheit dringend geboten - bei der ganz besonders „nachhaltigen“ Zwangsumverteilung von möglichst viel Geld stört er hingegen nur.
Guter Artikel sehr trffend auf den Punkt gebracht.
Der Gestern im EU Parlament politisch abgesegunete neue "Abgastest" für Diesel Fahrzeuge ist eine einzige Farce !
Die Forderungen der Autolobb wurden wieder mal zu 100 % erfüllt, die Umwelt und die Gefährdung der Gesundheit der Menschen durch weiter viel zu hohe NOX Gehalte werden über Jahre weiter "zementiert". Eine unverantwortulich Frechheit !
Das passt schon so!
Rücktritt
Ich halte nach wie vor den sofortigen Rücktritt des Verkehrsministers Dobrint für wichtigsten ersten Schritt in der "Abgasaffäre". Jeder Tag, indem dieser unfähige Minister im Amt bleibt, banalisiert diesen Betrug im großen Stil des VW Konzerns.
Ich weiß, dass ein Rücktritt nur symbolischen Charakter hat, nun gut, dann zeigt es sich eben symbolisch, wie ernst dieser Betrug genommen wird.
Also: Rücktritt! Sofort!
Nunja, mir fallen da mehrere Gründe ein, weswegen Alexander Dobrindt zurück treten sollte. Doch die von VW begangene Täuschung gehört nicht dazu.