Willkommen im Club. Ungarn ist mit Viktor Orbán schon drin, Polen ist ihm gerade beigetreten. Am Einlass drängeln sich schon die Nächsten. In Österreich warten die Freiheitlichen auf ihre Chance, in der Schweiz feiert die SVP Erfolge, und in Frankreich treibt Marine Le Pen die Traditionsparteien vor sich her. In Dänemark und Finnland regieren rechte Parteien bereits mit, und wenn in den Niederlanden heute gewählt würde, wäre der Rechtspopulist Geert Wilders der neue Ministerpräsident. In diesen Tagen blicken alle Augen auf Deutschland, auf den Kampf der AfD gegen Angela Merkel. Denn stürzt Merkel, stürzt Europa.
Der Club der Rechtsparteien versetzt Regierungen in Panik, zumal die Grenzlinie zwischen rechts und rechtsradikal zusehends unscharf wird. Mögen ihre Programme auch noch so unterschiedlich sein, der Kampf gegen die Gegner schweißt die Rechten zusammen: Sie kämpfen gegen den Islam und die Globalisierung, und gegen Lügenpresse, Genderwahn und Menschenrechtsapostel kämpfen sie sowieso. Doch an erster Stelle bekämpfen sie die Europäische Union, genannt "das Monster". Das Monster habe stolze Völker zum Protektorat erniedrigt, und darum müssten diese ihr Schicksal wieder selbst in die Hand nehmen. So gut es geht ohne die EU, jeder für sich allein und Gott für alle. Es ist Zeit für den kommenden Aufstand. Zeit für die Konterrevolution.
Es liegt nahe, den Typus des rechten Politikers in den Blick zu nehmen, die toxische Mischung aus Ressentiment und Größenwahn, aus Rachsucht und lächelndem Hass. Aber viel interessanter ist die Frage, warum rechte Botschaften auf fruchtbaren Boden fallen. Welche Sehnsüchte rufen sie auf, warum fühlen sich viele Wähler von ihnen endlich verstanden?
Rechte und rechtskonservative Weltbilder sind gut erforscht, Politikwissenschaftler haben sie bis aufs Gerippe zerlegt, viel zu entdecken gibt es hier nicht mehr. Ihr ideologisches Herz stammt aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, und seitdem ist nichts grundstürzend Neues hinzugekommen, einmal abgesehen vom Ziel einer "kulturellen Hegemonie", einer Idee, die man originellerweise dem Marxisten Antonio Gramsci entwendet hat. Die Brückenschläge ins "feindliche Lager" wurden raffinierter und die antikapitalistischen Wutgesänge nach der Finanzkrise 2008 schriller. Dafür ist es um das Lob der Ungleichheit stiller geworden, denn für Ungleichheit sorgt der Kapitalismus ja inzwischen selbst.
Kurzum, nicht das rechtskonservative Weltbild hat sich verändert; verändert hat sich der Resonanzraum, in dem es seine Wirkung entfaltet und für Wähler plausibel wird. Staatenzerfall, Flüchtlingstrecks, islamistischer Terror; Krise des Wachstums, Krise der Globalisierung, empörende soziale Spaltungen – jede dieser Krisen sprengt nationale Grenzen und überfordert die Politik. Weil keine transnationale Ordnung existiert, die die Menschen vor diesen Bedrohungen schützt, bleibt für die neue Rechte nur ein Weg noch offen: die nationale Selbsthilfe, der Rückzug in die feste Burg des autoritären Staates. Drinnen ist das Paradies und draußen die Hölle. Der Teufel, der kommt immer von draußen.
Von draußen kommt auch der "Kapitalismus", selbst enttäuschte Wirtschaftsliberale in der AfD wettern inzwischen gegen die "Diktatur der Banken". Der Front National hat seine Parolen fast komplett auf Kapitalismuskritik umgestellt, früher hetzte er gegen die jüdische Weltverschwörung, heute gegen den Weltfeind Amerika, den Erfinder der Globalisierung, die alles Stehende und Ständische hat verdampfen lassen. Dankbar greifen die Rechtsparteien die berechtigte Kritik am geplanten Freihandelsabkommen TTIP auf, um sie zu radikalisieren und völkisch scharfzumachen. Die Europäische Union, so heißt es dann, sei bloß eine heimtückische Erfindung der USA, sie selbst habe sich nie gewollt. Nun vollende TTIP die Unterwerfung des amerikanischen Zwillingskontinents unter die Gesetze der Wall Street. Auch die Flüchtlingstrecks verdanke Europa allein den Vereinigten Staaten; im Irakkrieg öffneten sie die Büchse der Pandora, und in Afrika zerstöre der Kapitalismus die Landwirtschaft. Seitdem überrollen "fremde Horden" den "abendländischen Kulturraum".
Doch warum ist der Kapitalismus gleichwohl attraktiv? Die rechte Erklärung lautet: Weil die "Völker" vom Liberalismus verführt wurden, vom leeren Versprechen einer multikulturellen Gesellschaft mit ihren verweichlichten Männern, vermännlichten Frauen, mit Hyperindividualismus, Homo-Ehe und "diversity". In der Lesart des russischen Philosophen Alexander Dugin, eines der intellektuellen Wortführer der europäischen Rechten, ist der Multikulturalismus das Trojanische Pferd des Kapitalismus. Unter dem Vorwand, den Völkern die Freiheit zu bringen ("Alles ist möglich"), sei er in ihr Innerstes eingedrungen und habe alle "natürlichen" Werte zerstört.
Kommentare
Was für ein simples Weltbild.
Welche Konterrevolution bitte schon. Das ist für mich ein unschön belasteter Ausdruck aus der DDR Vergangenheit, die ich hoffte überwunden zu haben. Solche Wörter wurden von Diktaturen verwendet!
Es ist irritierend zu sehen wie Bürger verunglimpft werden, die es wagen eine abweichende Meinung zu haben. Gott schütze mich vor diesen Demokratieverteidigern.
Ist Rassismus eine abweichende Meinung. Machen wir nicht vielmehr den Fehler, den es in Deutschland schon einmal gab, wenn wir diese "Meinungen" zu lange tolerieren?
Entfernt. Bitte äußern Sie sich sachlich und differenziert. Die Redaktion/mak
"Jeder, der die heutigen Zustände kritisiert und sogar ändern will, ist ein Menschenfeind!"
Stimmt nicht. Es gibt viele Ideen für Veränderungen, die nichts mit Menschenfeindlichkeit zu tun haben. Dann gibt es aber auch solche, die eben menschenfeindlich sind. Menschenfeindliche Ideen als menschenfeindlich zu bezeichnen - das wird man wohl noch sagen dürfen!
Ihre Aussage ist übrigens eine Art performativer Widerspruch.
Sie behaupten in ihrer Aussage einerseits, dass man keine Kritik am herrschenden System äussern dürfe, weil man sonst pauschal verurteilt werde. Mit ihrer Aussage weisen Sie aber andererseits genauso paschal jegliche Kritik and Ihrer Kritik zurück.
Damit ist Ihre Aussage typisch: Man will kritisieren aber bitte keine Kritik an der eigenen Kritik erhalten und sei sie noch so sachlich wie in diesem Artikel. Es steht Ihnen frei inhaltliche Argumente zu bringen. Doch entwader haben Sie keine, oder Sie begnügen sich einfachheitshalber mit der Paschaulkritikabwehr.
Und dabei werfen Sie der Presse und Politik auch noch vor, dass sie es sich mit ihren argumenten Gemütlich gemacht haben. Noch eine Art performativer Widerspruch.
"Etwas Besseres als die Freiheit finden wir überall. Warum das autoritäre Weltbild rechtspopulistischer Parteien so erfolgreich ist "
Das eine hat mit den anderen nichts zu tun. Auch unter einer linkspopulistische Regierung kann die Freiheit zugrunde gehen, wie man momentan an der GroKo eindringlich sehen kann.
Als ehemaliger Wähler der Linken und der Grünen sehe ich in einer Opposition eine der wichtigsten Grundsteine der Demokratie. Da es in unserem Parlament derzeit nur noch eine einzige Meinung in relavanten Politikfragen gibt, muss dafür gesorgt werden, dass das, was an Multikulti für Deutschland gefordert wird, auch im Bundestag einzieht: In diesem Fall Meinungsvielfalt und Streitkultur, die die Meinung der Bürger nicht mehr ignoriert.
Wenn die etablierten Parteien die Bürger ignorieren, dann treiben sie sie Populisten in die Arme. Allerdings sehe ich darin inzwischen weniger eine Gefahr als eine Chance für unsere Demokratie.
@Geierwally
Der Artikel simplifiziert gerade in der Frage der Freiheit sehr - ganz in der Tradition wirtschaftsliberale Denkstrukturen. Natürlich kann man sagen, dass rechts-konsevative Strukturen i.d.R. autoritär sind. Der Umkehrschluss ist jedoch logisch und empirisch falsch. Im Kapitalismus gibt es keine wirkliche Freiheit, weil in einem vom Wirtschaftsliberalismus dominierten System der Staat eben gar nicht der Hauptentscheidungsträger ist. Der Einzelne ist als Arbeitnehmer, Konsument und in vielen anderen Bereichen von privatwirtschaftlichen Interessen viel mehr in seiner Freiheit eingeschränkt als durch den Staat. Das bisschen Mitbestimmung durch Wahlen und die Möglichkeit, gelegentlich seinem Unmut Luft zu machen, sind lediglich Scheinfreiheiten, die lediglich kaschieren, dass alle wesentlichen Entscheidungen privatwirtschaftlich geregelt und, wenn nötig über professionelle Lobbyarbeit in die staatlichen Gremien getragen werden.
Bedauerlich, dass heutzutage nicht einmal @rote Eichhörnchen solche Zusammenhänge erkennen.
Habe gerade nach Polen und Ungarn geschaut. Die Freiheit springt dort frohlockend, nackig und mit einem Cocktail in der Hand über die Wiese.
(Nur für Sie: Das war Zynismus)
Natürlich hat das eine durchaus etwas mit dem anderen zu tun.
Und natürlich hätten Sie möglicherweise auch recht, was eine linkspopulistische Regierung anginge. Wenn die nur nicht nur in Ihrer Realität existieren würde.
Nervig, diese simple Denke:
"Was nicht meiner Meinung ist "links". Und überhaupt, die Linken erst!!!"
Ich weiß immer noch nicht was am Neoliberalismus linkspopulistisch sein soll. Ich als Linker fühle mich von der GroKo genauso wenig vertreten wie sie als Konservativer. Mal ein bisschen weniger Schwarz/Weiss-Denken würde die neue Konservative weitaus konsensorientierter wirken lassen.
Wer die derzeitige Regierung als linkspopulistisch bezeichnet, kann eigentlich nur rechtspopulistisch sein. Die Regierung macht doch längst mit im europäischen Abschreckungswettbewerb. Und vielleicht auch mal den Artikel lesen und nicht nur die Unterüberschrift. Vielleicht erschließt sich ja dann auch Ihnen der Sinn.
War letztes Jahr in Polen, was ich getroffen habe waren nette freundliche Menschen die Ihr Land aufbauen. Außerhalb der großen Städte gibt es sehr viel Armut, trotzdem ist das Land im Aufbruch. In jedem Laden konnte ich mich auf Englisch unterhalten mit der Bedienung, Verkäufer etc, viele hatten studiert oder waren Studenten.
Und ja ich konnte Abends im Park spazieren, auf der Wiese sitzen und ein Bier trinken.
Die Menschen mit denen ich geredet habe sind einfach gegen den Kurs von Kanzlerin Merkel und die unbeschränkte Aufnahme, ist ihr gutes Recht.
"Das eine hat mit den anderen nichts zu tun. Auch unter einer linkspopulistische Regierung kann die Freiheit zugrunde gehen, wie man momentan an der GroKo eindringlich sehen kann."
Bitte definieren Sie doch kurz den Begriff "linkspopulistisch" - ich bin sehr gespannt darauf, wie weit Sie den da die Grenzen Richtung unzulässiger Verallgemeinerung schieben müssen, damit die GroKo darunter passt.
Zu sagen, dass ein autoritäres Weltbild unter den Rechten Erfolgreich ist heißt nicht nicht zu sagen, dass es nicht auch (prinzipiell) unter Linken erfolgreich sein kann. Wohl nicht sone Ahnung von Logik, wa?
Wie genau geht eigentlich gerade die Freiheit zugrunde? Nur damit ich da endlich auch Bescheid weiß...
Polen und Ungarn sind entgegen der hier verbreiteten Apologetik demokratische Staaten, deren Regierungen sich nicht auf dieselbe Weise vom Willen und den Interessen der eigenen Bevölkerungen abgeschottet haben wie die deutsche. Hier werden die Leute noch befragt, bevor man grundlegende politische Entscheidungen trifft:
http://www.spiegel.de/politi…
Polen und Ungarn hebeln die Gewaltenteilung aus und das ist undemokratisch. In Deutschland braucht es für direkte Demokratie auf Bundesebene es eine Verfassungsänderung, die ist nur mit einer Zweidrittelmehrheit möglich. Also wird es in Deutschland so bald keine bundesweiten Referenden geben, weil sich die CDU sperrt. Eine Zweidrittelmehrheit von Rot-rot-grün ist nicht im Wählersinn. Insofern entscheidet sich die Wählerschaft in Deutschland demokratisch legitimiert selbst gegen Referenden auf Bundesebene.
In Ungarn wird das Volk befragt, weil das Ergebnis der Ablehnung von Flüchtlingskontingenten sicher in den Kram der renationalistischen Regierung in Ungarn passt. Und nur die bestimmt, was das ungarische Volk abstimmen darf. Das ist keine demokratische Glanzleistung.
Es ist also linkspopulistisch wenn Lobbyisten die Regierung beeinflussen, es Hartz IV gibt und die Schere zwischen Arm und Reich in diesem, unserem Lande immer größer wird?
Was für ein Käse!
Ich habe auch keine Lust auf islamistische Einwanderer, aber noch weniger Lust habe ich auf Leute, die die Demokratie mit rechtem Gedankengut zerstören wollen.
Auch eine GroKo, die unbestritten gefährlich für eine Demokratie auf lange Sicht sein kann, ist KEIN Grund in selbstzerstörerischen Nationalismusreflexe zu verfallen.
"Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben"?
Dümmer gehts nimmer!
Für jemanden der so weit vom Rechtsstaat, dem Grundgesetz und normalen Menschen entfernt ist dass er die CSU als links bezeichnet, ja.
Für den dürfte die NSDAP 'Mitte' sein...
Sie trauen sich wieder aus ihren Löchern.
Aber wen vertritt denn noch die GroKo? 80 Prozent der Bevölkerung, wie es die Sitzverteilung im Bundestag uns weismachen will? Wer hat den sozialen Gedanken verraten? Die Sozialdemokraten! Wer hat den Konservatismus verraten? Die Merkel-Christdemokraten! Der normale Bürger will keine "Mitte" , die für nichts mehr steht. Er will zumindest eine gewisse Grundorientierung. Und wenn die SPD FDP-Politik und die CDU Grünen-Politik machen, dann müssen halt neue Alternativen her. Das ist Demokratie.
Rechtspopulistischer Parteien vertreten in der heutigen Zeit die Werte der Konservativen der 90er & des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts. Kann Jeder ganz einfach überprüfen, Wahlprogramm und Ziele der CDU aus dem Zeitraum mit den Vorstellungen der AfD der heutigen Tage vergleichen. Eine identische Entwicklung hat es in den meisten anderen Ländern in Europa gegeben.
Die gigantische Fehlentwicklung der EU wird im Artikel galant unter den Tisch gekehrt, der schwarze Peter der Fehlentwicklung wird den Bürgern der EU zugeschoben.
Sie halten die kategorische Angst vor allem Fremden nicht für ein Problem, sondern für ein gesundes Verhalten? Als Einzelperson würde man mit soetwas zum Psychiater gehen.
AFD und Pegida sind leider ein Ausdruck dessen, dass die Gesellschaft krank ist. Wenn die Rechten als Vernunftwesen und die Moralisten als Abschaum gelten, wird bereits klar, wie weit die Gesellschaft bereits am Abgrund steht.
Wenn man sich insbesondere die deutsche Geschichte genau anschaut, merkt man, dass es seit dem Zeitalter der Aufklärung durch das Dritte Reich und die DDR Zeiten die Moralisten waren, die Deutschland vorangebracht haben - und die Rechten, die Autokraten jene, die es in den Abgrund geführt haben. Wenn sich diese Gewissheit umdreht, dann steht die nächste Katastrophe bevor. Eine Katastrophe mit Ankündigung. Eine Katastrophe, die mit zu viel Toleranz vor rechten und autokratischen Auswüchsen ausgelöst wird.