Die beiden Männer, denen die Familie folgte, haben kaum gesprochen, aber sie kannten den Weg. Vorbei an der mazedonischen Grenze, wo noch immer Tausende Flüchtlinge im Schlamm leben. Vorbei an den Hügeln des Balkans, nach Ungarn, wo eigentlich ein Zaun den Weg versperren soll. Dort teilten die Männer die Familie auf zwei Autos auf, die Mutter und die sieben Kinder, dann fuhren sie nach Nordwesten. Kurz hinter der deutschen Grenze setzten die Männer sie aus – und fuhren weg. So erzählt es Levyan, 19 Jahre alt, eine Tochter der syrischen Familie, die an diesem Apriltag in Passau in einer einstigen Industriehalle sitzt und auf ihre Registrierung wartet.
Etwa 50 Flüchtlinge landen hier täglich – obwohl die Balkanroute gesperrt ist. Wenn Geflüchtete ihre Angehörigen nicht auf legalem Weg nachholen dürfen, dann versuchen sie es oft selbst, mithilfe von Schleusern. Auch Levyans Vater sei schon in Deutschland, sagt sie, er habe die Flucht organisiert. Einen Monat und zehn Tage war die Familie unterwegs, immer den Schleusern nach. Die Politik mag über Gesetze entscheiden, über ihr Leben entscheiden die Menschen selbst. In unauffälligen Kombis, Kleinwagen und Transportern werden sie nach Passau gebracht. Fahrtkosten allein für die Reise von Griechenland an die bayerische Grenze: bis zu 10.000 Euro, pro Person, sagt die Bundespolizei. Eine Passauer Asyl-Anwältin berichtet von syrischen Flüchtlingen, die für die gesamte Flucht 20.000 Euro zahlten.
Hier in Passau zeigt sich, wie viel die Flucht den Menschen wert ist. "Der Migrationsdruck hat sich nicht verändert", sagt Frank Koller, Bundespolizist in Passau. "Es kommen nur gerade nicht mehr so viele Menschen in Deutschland an." Im vergangenen Jahr landeten täglich Hunderte, bald Tausende Flüchtlinge in Passau und machten die beschauliche Stadt in Niederbayern weltweit bekannt. Dann kehrten am 13. September die Grenzkontrollen in Deutschland zurück. Das Schleppergeschäft brach ein. Die Weiterreise der Flüchtlinge organisierten die Behörden bald selbst: Österreich brachte sie mit Bussen an die deutsche Grenze, dort übernahm die Bundespolizei. Doch seit Anfang März die Balkanländer Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien ihre Grenzen schlossen, hat sich die Zahl der Flüchtlinge reduziert. Und der Gewinn der Schlepper vervielfacht. Je strenger die Grenzkontrollen, umso teurer und gefährlicher wird die Flucht.
In den vergangenen Wochen, sagt Polizist Koller, hielten immer wieder weiße Transporter am Wegesrand und setzten zwanzig, dreißig Menschen auf einmal aus. Eine solche Fahrt ist lebensgefährlich, sieben Stunden eingeengt im Laderaum. Im August 2015 fand die Polizei in einem Kühllastwagen an einer Autobahn in Österreich 71 Tote, erstickt auf dem Weg nach Deutschland.
Heute kämen die Schleuser über neue Routen, sagt Frank Koller. Nicht mehr über die streng kontrollierte Autobahn, sondern auf Umwegen über Landstraßen. Manche fahren über Tschechien statt über Österreich nach Bayern, manche scheuchen die Menschen noch vor der Grenze aus dem Wagen.
Die Fahrer bekommen um die 500 Euro. Es sind Ungarn, Rumänen, Polen, oft arbeitslos, die letzten Glieder einer gut organisierten Schleuserkette. Das große Geschäft machen die Strippenzieher im Hintergrund. Die Spuren der Passauer Justiz führen in die Türkei, nach Griechenland, nach Ägypten. In Passau landen die Kunden. Frank Koller und seine Kollegen stellen sich darauf ein, dass ihre Zahl wieder steigen könnte.
Kommentare
Wie kann eine Familie mit 7 Kindern ( Achtung, Herr Gauck ist nun gefordert...), so eine Summe aufbringen, zumal der "Ernährer" nicht mehr dabei ist?
Hintergrundinfos?
Die Großfamilie verschuldet sich und sogar die Schlepper geben Kredit.
7 Kinder in Deutschland bedeuten 7 x Kindergeld, mit dem diese Schulden bezahlt werden.
Nicht zu zahlen ist nicht ratsam, die Mafia hat da bekanntlich überzeugende Methoden.
Das habe ich mich auch gefragt, wären ja lt Artikel ca 80.000 Euro?
Vor allem wird ja hier, man mag es moralisch und ethisch schlimm finden, die absolute Wirksamkeit von Grenzschließung, Kontrollen und Abweisung verschwiegen. Denn offensichtlich verteuert sich ja durch Grenzkontrollen die Migrationskosten massiv. Damit steigen die Opportunitätskosten für Migration an und die Migranten wissen, dass sich die Investition in Schlepperei nicht automatisch mit der Einreise in die EU armortisiert. Somit gehen die Zahlen massiv zurück und nur noch die besser Betuchten können es sich leisten. Ganz einfache Ökonomie. Man könnte jetzt die Migrationsströme fast gegen Null reduzieren, wenn man denn wollte, vor allem auch auf dem Mittelmeer: Einfach mit Marine und Küstenwache alle Schiffe auftreiben und alle zurück an die nordafrikanische Küste setzen. Das gleiche passiert mit den Flüchlingen, die in der EU angelandet sind. Wieder zurück nach Afrika. Und innerhalb kürzester Zeit liegt das Schleppergeschäft darnieder und FAST niemand kommt mehr. Natürlich kommt nicht niemand, aber keine Millionen.
Ich wage es zu bezweifeln das jemand der ~20.000 - 100.000 Euro übrig hat um eine Reise in ein anderes Land zu bezahlen dies tut um Schlepper zu bezahlen. Eine Familie mit so viel Geld hat sicherlich andere Möglichkeiten ein sicheres Land zu erreichen. Und Sie sind sicher auch in vielen Ländern willkommen.
Im Artikel wird berichtet Zitat "Der Migrationsdruck hat sich nicht verändert" - was ist damit gemeint? Die Zahl der Flüchtlinge (illegallen Grenzübertritte) an der Deutschen / Österreichischen / Ungarischen / Griechischen Grenze hat sich verringert soweit ich der Presse entnehmen kann.
Sollte damit die Fluchtursachen bzw. die wirtschaftlichen Anreize nach Deutschland zu kommen gemeint sein, so werden Sie sich weltweit gesehen, auch in Zukunft wohl nicht verringern.
>>> illegallen Grenzübertritte ...
Nach EU-Recht und der Menschenrechtskonvention, die Bestandteil unseres Grundgesetzes ist, haben Flüchtlinge das Recht zum Grenzübertritt. Sie dürfen nicht daran gehindert werden, Deutschland zu erreichen und Asyl zu beantragen.
Wenn also ein Flüchtling über die Grenze in die EU kommt, ist das in keinem Fall illegal.
Verstehe die Frage nicht: Trotz sieben Kindern kann die Familie doch vermögend sein - so wie meine Eltern, die acht Kinder haben. Viel wichtiger ist die Frage, was uns der Artikel eigentlich vermitteln will. Dass trotz geschlossener Grenzen und Kontrollen einige durchkommen, die es sich leisten können, ist doch völlig klar. Aber es ist ja wohl ein himmelweiter Unterschied, ob es 3.000, wie vor der Schließung der Balkanroute, oder 50 am Tag sind, die in Passau landen.
Man kann es halt kaum glauben, dass nach 5 Jahren Krieg noch so viel Geld bei so vielen Kindern übrig ist....
Bei uns ist auch ein Syrer wieder veduftet,- seine Familie mit gefälschten Pässen aus der Türkei holen. Das hat er konkret so gesagt!
Das warf Fragen auf, die man (Behörden, Träger der Einrichtung...) lieber nicht gestellt hat: Woher haben Sie das Geld, wieso haben Sie es nicht angegeben, denn Sie dürfen nur ein Schonvermögen behalten, der Rest wird für Ihre Versorgung hergenommen, die Differenz irgendwann ausgezahlt, wenn Sie keine staatliche Unterstützung mehr benötigen. Das ist Asylrecht!!!
Fakt ist, das offensichtlich Schutz suchende Männer ihre deutsche Karriere gleich mal mit "Delikten" beginnen.