DIE ZEIT: Lieber Jan Böhmermann, am 31. März ist Ihr Satire-Video Schmähkritik bei ZDFneo auf Sendung gegangen, jetzt äußern Sie sich erstmals öffentlich, aber Sie beantworten unsere Fragen nur schriftlich. Warum?
Jan Böhmermann: Aus Bequemlichkeit. Und weil ich gerne der Erste in Deutschland sein möchte, der in einem ZEIT-Interview Emojis unterbringt. 😉
ZEIT: Von Menschen, die Ihnen nahestehen, hörte man, dass sie sich Sorgen um Sie machen. Wie geht es Ihnen tatsächlich?
Böhmermann: Ich bin ein wenig unausgeschlafen, ich vermisse meine Sendung und habe für meine Verhältnisse viel zu lange nichts mehr auf Twitter und Facebook gepostet.
ZEIT: Vor Ihrer Tür sind die Paparazzi immer noch nicht verschwunden, Sie standen unter Polizeischutz. Wurde Ihre Familie bedroht? Haben Sie Todesdrohungen erhalten?
Böhmermann: Ich habe gegenüber Freunden und meiner Familie in den letzten Wochen immer gesagt: "Das war eine wahnsinnig gute Nummer – bloß schade, dass sie von mir war." Künstlerisch war unser humoristisches Proseminar Schmähkritik ein unglaublicher Erfolg. Es hat viele überfällige Diskussionen ausgelöst, aber ich muss mich als Komiker auch nicht wundern, wenn da von der anderen Seite auch ordentlich was zurückkommt. Das ist nun mal mein Job. Als Privatperson waren die letzten Wochen für mich und mein Umfeld allerdings, ohne da näher ins Detail gehen zu wollen, ein wenig turbulent. Wenn eine deutsche Regierungschefin das freie Arbeiten eines deutschen Künstlers nicht verteidigt, sondern denjenigen und seine Arbeit ohne Not gegenüber einem wannabe- Diktator zur Verhandlungsmasse erklärt, hat das dramatische und ganz reale Konsequenzen – in diesem Fall für meine Familie und mich. Das hätte ich nicht gedacht, aber da muss man eben durch, nützt ja nichts.
ZEIT: Auf Ihrer Facebook-Seite haben Sie eine künstlerische Pause angekündigt. Wie lange wird diese Pause noch andauern?
Böhmermann: Am 12. Mai 2016 geht das Neo Magazin Royale in ZDFneo und im ZDF weiter. Und Olli Schulz (❤️❤️❤️) und ich werden uns auch gemeinsam zurückmelden.
ZEIT: Mit einigen Wochen Abstand betrachtet: Was um Himmels willen ist passiert?
Böhmermann: Ich habe versucht, meinen Zuschauern anhand einer knapp vierminütigen satirischen Nummer zu erklären, was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven De-facto-Autokratie unterscheidet, die sich nicht um Kunst- und Meinungsfreiheit schert.
ZEIT: Aus Ihrer Sicht: Waren die vergangenen Wochen ein guter oder ein schlechter Witz?
Böhmermann: Ein sehr guter Witz. Am allermeisten habe ich mich über die Tatsache amüsiert, dass die Chefin des Landes der Dichter und Denker offenbar nicht einen Moment über das Witzgedicht und besonders seine Einbindung nachgedacht hat, bevor sie sich mit ihrem öffentlichen Urteil blamiert hat. Ich habe mich noch gestern Abend gemeinsam mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdoğan – wir folgen uns gegenseitig bei Twitter – per Direktnachricht über die Kanzlerin beömmelt. 😂😂😂😂😂"Bewusst verletzend", haha, da muss man erst mal drauf kommen. 😂😂😂
ZEIT: Machen Sie sich Vorwürfe?
Böhmermann: Nein. Machen Sie mir Vorwürfe?
ZEIT: Taten Sie sich in den vergangenen Wochen auch mal leid?
Böhmermann: Nein, ich neige nicht zu Selbstmitleid. Augen auf bei der Berufswahl! Außerdem gibt es im Moment in anderen Ländern, gerade auch in der Türkei, viele Kollegen, die mit deutlich härteren Konsequenzen ihrer künstlerischen oder journalistischen Arbeit zu kämpfen haben. Wenn ich als ZDF-Quatschvogel nun mit dafür gesorgt habe, dass da genauer hingeschaut wird, ist das doch kein Grund für Selbstmitleid.
ZEIT: Gibt es etwas, worüber Sie sich in den vergangenen Wochen gefreut haben?
Böhmermann: Na klar, jeder zweite Kommentar zur "Staatsaffäre Böhmermann" hat mich mindestens zum Schmunzeln gebracht. Und ich habe mich sehr über die Solidarität gefreut. Wer hätte gedacht, dass Didi Hallervorden und Mathias Döpfner mal Hand in Hand für die Kunstfreiheit kämpfen?
Kommentare
Entfernt. Verzichten Sie auf überzogene Polemik und beachten Sie das Thema des Artikels. Die Redaktion/th
Böhmi, komm zurück! Wir vermissen dich! Aber bitte nicht die beleidigte Leberwurst spielen, weil du mit dem Feuer gespielt und dich verbrannt hast . ;)
Er hat absolut mit dem Feuer gespielt (wie auch schon immer), aber ich verstehe nicht wieso er es immer runterspielen muss.
Ich würde die Aktion jetzt mal nicht so hoch hängen. Ich habe einen rumpeligen, aber komplexen Witz gemacht, mehr isses ja nicht.
Vielleicht ist das auch Satire. Das Interview ist zumindest sehr unterhaltsam.
Lucas Tucholsky - ich lach' mich schlapp!
"Ich bin gespannt, wer zuletzt lacht"
Ganz einfach: derjenige, der die Deutungshoheit darüber hat, wann "zuletzt" ist.
(Klappt auch umgekehrt in die Vergangenheit hinein. So finde ich es beispielsweise immer wieder spannend, welcher Forist am weitesten in die Vergangenheit zurück geht, um eine strittige Schuldfrage zu klären. Auch bekannt als Kindergartenspiel "Wer hat angefangen").
"aber Sie beantworten unsere Fragen nur schriftlich. Warum?"
Für eine schriftliche Beantwortung beziehen sich Folgefragen aber erstaunlich punktgenau auf die gerade gegebene Antwort - muss wohl ein Chat gewesen sein:
"Böhmermann: Nein, Präsident Erdoğan zu beleidigen ist mir zu doof...
ZEIT: Mit anderen Worten: Haben Sie Ihr Gedicht extra so stereotyp und, ja, fast ein wenig schlampig gehalten, um klarzumachen, dass es Ihnen nicht um die Beleidigung Erdoğans, sondern um eine juristische Grenzauslotung ging?"
Man mag es kaum glauben, aber schriftlich geht heutzutage wirklich ziemlich unmittelbar. ;)
E-Mail/Chat war auf das erste, was mir bei schriftlichem Interview in den Sinn kam.