DIE ZEIT: Man könnte meinen, man sei in einem Roman von Michel Houellebecq: Eine voll verschleierte Muslima zeigt in Ihrer letzten Sendung Verständnis für den Dschihad und muss dazu noch nicht einmal das Studio mit Waffengewalt kapern. Hat es Sie erstaunt, dass der Auftritt der Schweizer Konvertitin Nora Illi in der Öffentlichkeit so viel Empörung hervorruft?
Anne Will: Nein, ich bin natürlich nicht naiv in diese Sendung gegangen. Wir wussten, was wir tun, wenn wir Frau Illi einladen. Wir haben für uns abgewogen, ob das in diesem Kontext für uns vertretbar ist. Wir und die ARD hatten uns vorgenommen, das Thema des Tatorts aufzugreifen und daraus einen Themenabend zu machen. In diesem Kontext fand und finde ich es vertretbar, Frau Illi einzuladen. Der Abend stand unter der Frage: Warum radikalisieren sich immer mehr junge Menschen und auch junge Frauen? Das war unser Ansatz. Man muss das nicht machen, das sage ich ganz klar. Aber man kann es machen. Und wenn man es macht, dann muss man das ganze Spektrum dessen abbilden, was im Tatort auch angespielt wurde. Dann ist es beinahe zwingend, dass man auch eine radikalisierte Person in der Gesprächsrunde hat. Sonst werden wir dem gesamten Spektrum nicht gerecht. Sie muss aber auf entschiedenen Widerspruch treffen.
ZEIT: Es war vor allem das Verständnis, das Frau Illi für die Jugendlichen aufbringt, die nach Syrien in den Dschihad ziehen, das Unmut hervorgerufen hat. Diese extremistischen Einlassungen waren kein Unfall. Die Kernsätze, in denen Frau Illi den Kriegern sogar "Zivilcourage" attestierte und vom Krieg in Syrien mitfühlend als einer "bitterharten Langzeitprüfung mit ständigen Hochs und Tiefs" sprach, wurden im Gegenteil sogar zum Mitlesen eingeblendet. Das war eine geplante Provokation.
Will: Es ist unser Auftrag, klarzumachen, mit wem wir es da zu tun haben. Sie hätten uns einen viel größeren Vorwurf machen müssen, wenn wir nicht deutlich gezeigt hätten – und von mir aus auch zum Mitlesen eingeblendet hätten –, was Frau Illi genau in dem von uns diskutierten Zusammenhang auf der Homepage ihres Vereins geschrieben hat. Was sie jungen Menschen entgegnet, die sich, wie sie behauptet, an sie wenden und die angeblich in den sogenannten Dschihad ziehen wollen. Das ist Nora Illis Meinung. Da Frau Illi uns ja durch ihre Vollverschleierung verweigert, in ihrer Mimik zu lesen, müssen wir trotzdem für unsere Zuschauer möglich machen zu verstehen, wen sie da vor sich haben. Wir wollten zeigen: Wie denkt Frau Illi in der von uns diskutierten Frage? Ich hätte es als journalistisches Versäumnis ersten Ranges empfunden, wenn wir genau das nicht gezeigt hätten. Und dann passiert ja, was ein Livegespräch auszeichnet: Sie trifft auf entschiedenen und heftigen Widerspruch all derer, die da sitzen.
ZEIT: Dennoch. Wenn Sie solche Sätze einblenden, signalisiert das nicht: Das sind zumindest irgendwie diskutable Positionen?
Will: Wissen Sie, da halte ich es mit dem Historiker Timothy Garton Ash, der gesagt hat, anstößige Inhalte sind kein Grund, jemanden von einer öffentlichen Debatte auszuschließen. Anstößige Inhalte, und als solche empfinde ich sie, muss ich trotzdem diskutieren lassen. Wenn wir uns gar nicht mehr anschauen, wie die radikalisierten Kräfte in unserer Gesellschaft denken, berauben wir uns in einer demokratischen Gesellschaft eines wesentlichen Mittels. Es ist kein guter Journalismus, wenn wir uns alle überkorrekt verhalten, uns nichts mehr genau ansehen und uns mainstreamig in den Armen liegen. Ganz wichtig war doch auch: Wir hatten vier Muslime in der Sendung, die alle ihre eigene Auslegung des Islams leben und die darüber diskutierten, welche Auslegung des Islams noch zulässig ist und wo die Grenzen liegen. Das fand und finde ich legitim. Ich glaube sogar, dass eine solche innerislamische Auseinandersetzung ein wichtiger Beitrag ist zu der im Moment stattfindenden Debatte.
ZEIT: Die voll verschleierte Frauenbeauftragte vom Islamischen Zentralrat macht eine richtige Medienkarriere. Sie ist nun schon zum dritten Mal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aufgetreten.
Will: Das stimmt, sie war bei Sandra Maischberger, und sie war jetzt zum zweiten Mal bei uns. Aber die Wirkung ist jetzt ungleich heftiger in der öffentlichen Wahrnehmung. Das weist meiner Meinung nach darauf hin, dass sich in unserem Land etwas verändert hat. Im Vergleich zu den vorigen Auftritten löst dieser sehr viel mehr Widerspruch aus. Ich finde diesen Widerspruch aber gut. Es zeigt, dass wir da etwas angestoßen haben.
ZEIT: Die Frage nach den Grenzen des Diskutierbaren ist damit noch nicht beantwortet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich nicht Gedanken darüber machen, was in Ihrer Sendung nicht mehr diskutierbar wäre. Ich nenne mal ein Beispiel. Der sogenannte Vorsitzende des Islamischen Zentralrats in der Schweiz, dem Frau Illi angehört, heißt Nicolas Blancho. Der hat sich im Schweizer Sonntag mit der Bemerkung hervorgetan, dass er die Steinigung "als Muslim für einen Bestandteil, einen Wert" seiner Religion halte. Würden Sie über so etwas auch noch debattieren?
Will: Ich habe mich auf Frau Illi konzentriert. Uns war bekannt, dass gegen ein Vorstandsmitglied des islamischen Zentralrats 2015 ein Verfahren eröffnet worden ist. Das hat uns die Bundesanwaltschaft der Schweiz im Vorfeld der Sendung noch einmal bestätigt. Da wird also ermittelt. Es ist uns aber auch bis jetzt nicht bekannt, dass auch gegen Frau Illi ermittelt würde. Wenn das der Fall gewesen wäre, wenn uns also die Bundesanwaltschaft gesagt hätte, dass auch gegen Frau Illi ermittelt würde, hätten wir sie nicht eingeladen. Die Grenze, nach der Sie fragen, ist da erreicht, wo zu Gewalt aufgerufen wird. Das hat Frau Illi aber nicht getan. Sie sagt in dem Text, den wir eingeblendet haben, nicht: "Geht in den sogenannten heiligen Krieg." Sie äußert Verständnis, was eine absolut unzulässige Verharmlosung dessen ist, was es bedeutet, nach Syrien zu gehen. Aber genau das haben wir ja dann diskutiert, und da ist sie auf knallharten Widerspruch gestoßen.
Kommentare
Das sieht eher nach Clickbait aus, als nach seriöse Talkrunde...
Ich denke, sowohl Frau Will als auch ihre ZDF Pendantin Maybritt Illner können sich bei der gemeinsamen Kollegin Maischberger anschauen, wie man's richtig macht.
Ich persönlich bin eine Fanin der Phoenix Runde. Leider findet die immer recht spät statt und manchmal muß Mensch früher schlafen gehen.
Es ist absolut korrekt, dass auch ungeliebte Meinungen im Fersehen präsentiert werden dürfen damit sich die Zuschauer ein Bild davon machen können.
Aber dieses verständnisvolle Ausreden lassen der Frau Illi und das Abbügeln der vehementen Kritiker Bosbach und Mansour war schon irritierend. Will hat gar nicht kapiert, welche IS Propaganda da vorgetragen wurde oder es ist der Reflex gegenüber dem Islam extra gnädig sein zu wollen.
Man kann nur jedem AfD Politiker nur empfehlen, vollverschleiert zu kommen dann darf er bei Will auch endlich mal ausreden und wird nicht permanent mit idiotischen Einspielern belästigt.
Ich kann gar nicht verstehen warum sie Frau Will Kritisieren -jede Minute dieser Sendung war Wahlwerbung für die AFD.
Verfassungsfeind im Fernsehen, verkleidet als Vogelscheuche
Frau Will gibt radikalen, Demokratie-feindlichen Ansichten eine öffentliche Plattform. Dabei erkennt sie nicht den Unterschied zwischen Aufzeigen und Erhöhen, wie das Interview zeigt.
Die Vollverschleierung ist nicht nur ein Symbol für die islamische Unterdrückung der Frau, sondern zeigt auch, wie beklemmend das Gespräch mit einer "Vogelscheuche" ist, die kein Gesicht, keine Mimik und keine Identität hat. Interessant, das bestätigt Frau Will im Interview.
Besser wäre gewesen: Frau Will hätte selbst vollverschleiert zu Beginn der Sendung die verschleierte Fundamentalistin separat interviewt. So hätte jeder den Irrsinn von Maskierung verstanden. Zwei Vogelscheuchen im öffentlich-rechtlichen Gespräch.
Stattdessen wird ein Musterbeispiel der wehrlosen Demokratie vorgeführt Eine maskierte Frau bekommt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen viel Raum, um verfassungsfeindliches Gedankengut zu verbreiten.
Wie hat Frau Will eigentlich die Identität der eingeladenen Islamistin geprüft?
Im Hinterzimmer entschleiert?
Alles sehr seltsam, was in Deutschland unter Meinungsvielfalt läuft. Es lebe die Quote.
Ihr Kommentar ist in vielerlei Hinsicht pöbelnder Unfug: Die Vollverschleierte hat sich nicht verfassungs- oder demokratiefeindlich geäußert und hat auf ihre fehlgeleitete islami(stisch)e Ideologie viel Widerspruch erhalten.
Auch eine für mich nicht erkennbare Erhöhung durch Frau Will haben Sie nicht belegt. Stattdessen versuchen Sie ihren Vorbehalten gegenüber der Vollverschleierung durch bewusst übertriebene Wortwahl Nachdruck zu verleihen. Und nur damit das in Ihrer schwarz-weißen Welt klar ist: auch ich empfinde Vollverschleierung als hinderlich und frauenfeindlich.
Nach alledem ist dies alles ja wohl kein Musterbeispiel für ihre "wehrlose Demokratie".
Was hab ich mich beim zappen erschreckt, als plötzlich ohne Vorwarnung, dieser schwarze Sack im von mir finanzierten Fernsehen in Nahaufnahme zu sehen war. So etwas gehört nicht ins öffentliche rechtliche Fernsehen. Punkt. Da könnte man auch Repräsentanten der übelsten Nazi Parteien einladen und deren krude Thesen unwidersprochen verbreiten lassen. Frau Will kann ich übrigens seit ihren viel zu unkritischen, sogenannten Interviews mit unserer GröKaZ Frau Merkel, als Journalistin sowieso nicht mehr ernst nehmen.
Doch, genau solche Gäste gehören auch ins öffentliche Fernsehen, damit jeder sich mal selbst mit deren Thesen und Erscheinung auseinandersetzt, anstatt sich immer nur aufgrund von Hören/Sagen die eigene (negative/positive) Meinung zu bilden. Und dass man die Diskussionsteilnehmer aussprechen lässt, gehört zu jeder zivilisierten Diskussionskultur. Leider wird das häufig gerne vergessen und jeder fällt seinem Gegenüber ins Wort. Wünschenswert wäre es, wenn man in Zukunft auch Frau Petry und Co so behandelt und sich dann in einer vernünftigen Diskussion mit deren Thesen auseinanderzetzt
"So etwas gehört nicht ins öffentliche rechtliche Fernsehen"
Sehe ich nicht so, Frau Will hat mich da voll auf ihrer Seite.
Diese Frau steht für ein Symptom mit dem wir umzugehen haben und das nicht dadurch verschwindet, dass wir es ausblenden. Von mir aus dürfen auch andere Repräsentanten "übler" Gruppierungen in politischen Sendungen im Fernsehen zu sehen sein - für heile Welt schaue ich dann Traumschiff oder so.
Entscheidend ist wirklich das Setting und eine ordentliche und faire Diskussionsrunde mit qualifiziertem Widerspruch. Das sah ich hier gegeben.
Wirklich gut gefällt mir daher ihr Satz:
"Es ist kein guter Journalismus, wenn wir uns alle überkorrekt verhalten, uns nichts mehr genau ansehen und uns mainstreamig in den Armen liegen".
Wir sollten es uns nicht zu bequem machen.
Kann man machen. Dann aber gleiches Recht für alle. Für Linksextremisten, Rechtsextremisten, Pädophile usw. Jeder darf dann im ÖR auftreten, seinen Standpunkt und seine Thesen verbreiten. Ohne unterbrochen zu werden.
Mit ihrer Feststellung, dass das Problem/Symptom nunmal da ist, haben sie ja durchaus recht. Ich frage mich dann immer, wenn diese Extremisten wie Frau Illi unsere Gesellschaft so offen hassen und ablehnen, warum sind sie dann überhaupt hier? Was wollen die hier? Warum gehen die nicht einfach nach Saudi Arabien oder so unter ihresgleichen und hören auf, unsere Gesellschaft zu belästigen. Und wenn sie im ÖR Extremisten wie Frau Illi das Recht zugestehen, ihre Propaganda zu verbreiten, dann gilt gleiches Recht für alle und dann müssen sie auch anderen Extremisten dieses Recht zugestehen. Rein zu Informationszwecken natürlich.
Herr Jauch hat genau das doch in seiner Sendung gemacht.
Da bekam das deutsche Fernsehpublikum den Björn Höcke von der AfD in voller Schönheit vorgeführt. Inklusive über der Stuhllehne ausgebreiteter Deutschland-Fahne und Original-Zitaten.
Auch ein Fundi-Imam war bei Günther Jauch schon zu Gast. Der wesentlich mehr Propaganda mitgebracht hatte.
Ich fand das gut. Nur so lernt man diese Menschenfänger kennen.
Und ich denke immer noch, dass diese Personen die Mehrheit der Deutschen eher abschrecken als dass die Deutschen dann gleich "bekehrt" werden.
Oder für wie leicht zu verführen halten Sie die Deutschen von heute?
Ich habe keine Angst, dass sich die Deutschen leicht verführen lassen. Vom Islam schon gleich gar nicht. Bei der nächsten BT Wahl wird sich auch eher Wut und Unzufriedenheit Bahn brechen. Siehe Trump in den USA. Was soll dieses ständige Islam Trommelfeuer in den Medien. Jeder kann doch seine Religion im privaten Ausleben, wie er will. Solange er nicht jemanden dabei schadet. Aber in der Öffentlichkeit habe ich als Atheist auch das Recht auf negative Religionsfreiheit. Wem das als Gläubigen hier nicht passt, sollte eher ein anderes Land in Erwägung ziehen.
"Bei der nächsten BT Wahl wird sich auch eher Wut und Unzufriedenheit Bahn brechen. Siehe Trump in den USA."
diese Befürchtung habe ich auch.
Damit unsere einheimischen Wutbürger uns allen aber nicht bei der Bundestagswahl eine Wagenladung Braunes in den Deutschen Bundestag kippen, damit wir nicht Frauke Petry als neue deutsche Bundeskanzlerin bekommen,
sollten wir unsere "Alt-Parteien", Abgeordneten und "etablierten Politiker" auffordern, vorher Wahlkampf für die wirklich wichtigen Dinge (Jobs, Bildung, Rente) zu machen.
Damit die AfD nicht mit Flüchtlingen, anti-EU-Stimmung u.a. Wählerstimmen abfangen kann, die an anderer Stelle besser untergebracht wären...
so ist es.
Auch wenn das jetzt vom Artikelthema abweicht, vielleicht erlaubt mir die Redaktion doch zu antworten.
Die von Ihnen genannten Themen sind durchaus wichtige Themen. Aber nur rationaler Wahlkampf wird nicht mehr reichen. Viele Wähler haben es einfach satt. Die fehlende Opposition im Land, die überbordene, als aufgezwungen empfundene PC, die Belehrungen und Erziehung durch die Medien, die Alternativlosigkeit zu Euro Rettung und Flüchtlingen. Und auch das Thema Islam wird eine Rolle spielen. Das alles wird bei vielen Wählern in der Einsamkeit der Wahlkabine im Kopf arbeiten.
Nein die Menschen (Wähler) wollen endlich wieder gehört und verstanden werden. Rationale vernünftige Gründe treten da in den Hintergrund. Da brauch nur einer kommen, der den Wählern dieses Gefühl gibt. Ob berechtigt oder nicht, völlig egal. Wieder siehe Trump. Und Angela Merkel ist alles andere ein Menschenfänger. Das wird knapp werden. Hinterher werden auch in Deutschland viele schockiert sein.
Es ist doch wichtig zu wissen, was in den Köpfe dieser Menschen los ist. Denn, viele fragen sich eben, "warum tragen sie Burka" usw. und da hat sich jemand gemeldet und antwortet gegeben.
Ich würde auch gerne wissen, was die verhafteten Terroristen oder (wie letztens der Fall) "angebliche" Terroristen zu sagen haben. Am besten bei Anne Will einladen und dann alles auf Deutsch übersetzen. Die Öffentlichkeit muss es wissen, ob das wirklich so ist wie in den Medien über Person X oder Y verbreitet wird.
ups. *Antwort*
Soll ich Ihnen was sagen - Ich würde mich freuen, wenn man MAL (nicht jeden Tag) Repräsentanten der übelsten Nazi Partei einläd. Ich habe diese Sendung von Will gesehen - die Frau hat keine Propaganda betrieben. Sie hat nicht dazu aufgerufen, dass doch jetzt alle in den wunderbaren Islamischen Staat kommen sollen.
Wie sollen wir denn besser verstehen lernen, was diese jungen Menschen bewegt als durch eine von ihnen? Wir müssen diese Menschen verstehen um unser Alarmsystem zu sendibilisieren. Mir kann man erzählen was man will - diese Sendung wird niemanden dazu verleiten, nach Syrien in den Kampf zu ziehen. Aber vielleicht können Eltern jetzt besser verstehen, was ihre Kinder antreibt und besser reagieren.
Also bitte nicht jeden Tag so etwas - aber Informationen aus erster Hand sind die besten. Und Sie können ja getrost weiter zappen.