Manchmal hört er den Namen noch zufällig, wenn er unterwegs ist. Oder bei einem Freund aus der Basketballmannschaft, dessen Schwester so heißt: Leonie. Früher ist er zusammengezuckt, wenn er die drei Silben hörte: Le-o-nie! Aber das ist vorbei. Heute berührt ihn das nicht mehr. "Ist einfach nur irgendein Name", sagt Mark*.
Dabei hieß er die meiste Zeit seines Lebens selbst so. Bis zu dem Tag, an dem Leonie Grabow vor ihre Schulklasse trat und verkündete: "Ich bin ein Junge und heiße ab heute Mark Grabow." Das war nach den Osterferien 2014. Heute erinnert nichts mehr an Marks altes Leben. Der Junge trägt die Haare an den Seiten raspelkurz, über dem Körper schlackert ein T-Shirt. So wie bei den Basketballern auf den Postern in seinem Zimmer.
Und eigentlich will Mark über die Sache nicht mehr reden. So oft hat er es schon erklärt – den Medizinern, den Psychologen und Gutachtern. Dann erzählt er doch: von den Rollenspielen in der Kita, wo Leonie immer den Vater spielte; von der Angst vor dem Schulschwimmen und von dem Basketballstar Marc Gasol, der ihm die Idee für seinen neuen Namen gab. Das alles berichtet der Junge so ruhig und abgeklärt, als sei es eine Ewigkeit her – und so ein Identitätswechsel das Normalste der Welt.
Das ist es natürlich nicht. Wer aber die Geschichte von Mark hört, wer mit Ärzten, Wissenschaftlern und Eltern spricht, der kommt ins Staunen. Über die von Jahr zu Jahr steigenden Zahlen solcher Fälle, über die Toleranz, die das Thema mittlerweile umgibt. Und über die relativ wenigen Probleme, auf die die Kinder und Jugendlichen stoßen.
Doch ist es verantwortbar, wenn Mediziner immer mehr Jugendliche immer früher mit Sexualhormonen zu einer Geschlechtsumwandlung verhelfen? Ab wann sind junge Menschen alt genug, zu wissen, wer sie wirklich sind? Und was ist der Grund dafür, dass in die Spezialambulanzen seit ein paar Jahren besonders viele Mädchen kommen, die mit ihrem Geschlecht unglücklich sind?
Leonie hat sich "anders" gefühlt, solange Mark zurückdenken kann. Schon in der Kita hielt sie sich an die Jungs: Wurden die Mädchen aufgerufen, blieb sie sitzen. Ein Büchlein mit Fotos und Sprüchen, das Leonie zum Andenken an ihre Zeit im Kindergarten bekam, dokumentiert die frühe Verwandlung: Von Jahr zu Jahr wird Leonies Haarschnitt kürzer und die Kleidung jungenhafter. Auf einem der letzten Bilder trägt das Kind einen Polizeihelm. Da lächelt es das erste Mal.
In der Grundschule gab Leonie sich dann überhaupt nicht mehr mit Mädchen ab. Sie entdeckte erst den Fußball, dann das Basketballspielen, ging heimlich aufs andere Klo. Den Mitschülern fiel es kaum auf, die meisten hielten Leonie ohnehin für einen Jungen mit einem etwas seltsamen Namen.
Leonies Mutter tat sich mit der Erkenntnis schwerer. Die Dramen beim Friseur, Leonies Ausraster beim Schuhekaufen, wenn die Verkäuferin ein rotes Paar brachte – Tanja Grabow hielt es lange Zeit für einen Spleen. Doch irgendwann verstand auch sie. Noch gut erinnert sie sich an eine Szene vor dem Fernseher. Ein Fußballspiel war zu Ende, Leonies Lieblingsverein hatte verloren, und das Kind weinte und weinte. "Ein Mädchen, das beim Fußballgucken heult: Das hatte ich noch nie gehört."
Niemand in Deutschland kennt solche Schicksale besser als Bernd Meyenburg. Seit 30 Jahren behandelt der Psychiater an der Frankfurter Universitätsklinik Kinder und Jugendliche, die sich im falschen Körper wähnen. In den achtziger Jahren galt Transsexualität noch als Krankheit. Trat sie bei Minderjährigen auf, hieß es, man müsse die Betroffenen "heilen", indem man sie in ihrem Geburtsgeschlecht bestärke. "Davon spricht heute so gut wie niemand mehr", sagt Meyenburg.
Damals hatte der Psychiater vier oder fünf neue Fälle pro Jahr. Heute kommen genauso viele Kinder und Jugendliche im Monat zum Erstgespräch. Gerade in den vergangenen drei, vier Jahren, so der Arzt, seien die Zahlen kräftig gestiegen. Transsexualismus oder, wie es heute heißt, Transidentität bei Heranwachsenden ist zwar kein Massenphänomen. Es gibt pro Jahr vielleicht ein paar Hundert neue Fälle. Bemerkenswert sind jedoch die Steigerungsraten. Zumal sie nicht nur Bernd Meyenburg in Frankfurt verzeichnet, sondern ebenso seine Kollegen in Hamburg oder München, Amsterdam, London und Toronto. Als sich im September Hormonspezialisten zu einem Kongress in Paris trafen, berichteten sie vom weltweit gleichen Trend. "Wir werden förmlich überrannt", sagt Saskia Fahrenkrug, Psychologin am Uni-Klinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
* Name und Lebensumstände des Jungen wurden auf Wunsch der Familie geändert
Kommentare
Was ist eigentlich so schwer daran, Pronomen und Namen richtig zu gebrauchen? Wenn Mark ein Junge/Mann ist, dann braucht man auch in der Vergangenheitsform nicht von "sie" oder seinem alten Namen zu sprechen. So schwer ist das doch nicht.
Ein weiblicher Säugling/ein weibliches Kleinkind besitzt also eine derart gefestigte abweichende Geschlechtsidentität, dass dies sprachlichen Einfluss besitzt, weil das Mädchen beispielsweise "beim Fußballgucken heult"?
"Die Hormone funktionieren wie ein Stoppknopf für die körperliche Entwicklung. Sie verhindern das Brustwachstum bei Mädchen und Bartwuchs sowie Stimmbruch bei Jungen – all jene Geschlechtsmerkmale also, die man später nur mit großem operativem Aufwand und niemals ohne bleibende Spuren wieder beseitigen kann. [...]
Untersuchungen [...] zeigen, dass nur eine Minderheit von den Kindern (je nach Studie zwischen 10 und 27 Prozent), die Hilfe bei einem Spezialisten suchen, sich später wirklich als transsexuell erweist."
An und für sich bin ich ja der Ansicht, dass jede/r alles tun und lassen kann, was anderen keinen Schaden jenseits einer gewissen Schwelle zufügt. Und im Grunde ist mir das Thema Transsexualität ziemlich gleichgültig.
Wenn ich das aber lese, fange ich an, mich zu gruseln. Vor allem, wenn dann dieser andere Mediziner, Herr Wüsthof, um die Ecke kommt und diesen Untersuchungen mit seiner eigenen subjektiven Praxiserfahrung widerspricht. Es lebe die Wissenschaftlichkeit und die Empirie.
Ich halte das für absolut verantwortungslos und im Grunde kriminell.
Beim Lesen des Artikels kam es mir eher vor als wäre es ein Spleen der da rumgeht. Wenn sich urplötzlich die Geschlechtsverhältnisse umdrehen dann ist das doch ein vehementer Alarmfaktor und weitere Untersuchungen scheinen angebracht.
Das sollte man überprüfen bevor man weitere Kinder da durchlässt.
Gibt keinen grund sich zu gruseln. Leider wird im Artikel nicht alles erwähnt: Die besagten Studien (eigentlich ist es nur eine auf die sich dann alle weiteren beziehen) vergleichen Anzahl der menschen die wegen geschlechtsabweichenden Verhalten Hilfe suchen (100 %), und der Anzahl derer, die sich später als gesichert Transident herausstellt (eben 10-25%). Vergessen wird dabei, dass under den 100 % viele sind, die sich dem gegenüberstehenden Geschlecht überhaupt nicht angehörig fühlen. Da sind zum Beispiel Jungen dabei, die halt gerne mal den Rock von mama anziehen oder sich schminken, aber sonst keinerlei Wünsche äussern, ein Mädchen sein zu wollen.
genaue Zahlen existieren am Ende nicht, aber von den Kindern, die nicht einmal, sonder wiederholt, in mehreren Sitzungen deutlich ausprechen, dass sie sich selbst dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen, ist die absolute Mehrheit tatsächlich transident. Das wächst sich auch nicht raus.
"genaue Zahlen existieren am Ende nicht, aber von den Kindern, die nicht einmal, sonder wiederholt, in mehreren Sitzungen deutlich ausprechen, dass sie sich selbst dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen, ist die absolute Mehrheit tatsächlich transident. Das wächst sich auch nicht raus."
Hm. Erlauben Sie mir eine gewisse Skepsis. Im Grunde wird hier ja gerade ein großes Experiment am Menschen in einer doch sehr fundamentalen Frage durchgeführt, noch dazu am unmündigen Menschen, dem wir derartige Entscheidungskompetenz anderswo selbstverständlich niemals zugestehen würden. Das ist ethisch mindestens zweifelhaft, solange es nicht wenigstens halbwegs gesicherte Erkenntnisse gibt - an die man freilich ohne so ein Experiment schwer herankommt, zugegeben. Dennoch.
Überlassen sie das doch einfach den Experten, und nicht ihrem Bauchgefühl.
Abgesehen davon, würden Sie auch einem Krebspatienten absprechen, die richtige Behandlung zu kriegen, weil eine Studie aussagt, dass sie vielleicht ja gar keinen Krebs haben, und es besser wäre, erstmal zu lernen, mit dem Krebs klarzukommen, bevor man ihn behandelt?
Vergessen wird dabei, dass under den 100 % viele sind, die sich dem gegenüberstehenden Geschlecht überhaupt nicht angehörig fühlen.
Danke für die Info, das macht einiges klarer.
Also: Nicht jeder Junge, der sich mal die Fingernägel lackiert, braucht gleich eine Hormontherapie. Aber wer sich überhaupt nicht mit seinem Geburtsgeschlecht identifizieren kann, den/die sollte man nicht unnötig quälen. (Macht man bei Linkshändern ja auch nicht mehr.)
"Überlassen sie das doch einfach den Experten, und nicht ihrem Bauchgefühl."
Vielleicht argumentieren Sie einfach sachlich und nicht hinsichtlich meines Bauchgefühls. Sie könnten mir beispielsweise erklären, wieso die Praxis, präpubertären Kindern Hormonblocker zu verabreichen, kein großes Experiment am Menschen mit ungewissem Ausgang ist. Und wieso es ethisch nicht zweifelhaft ist.
Wir reden hier auch nicht über Krebs, sondern um Transsexualität bei Kindern. Während das eine bei Nichtbehandlung tödlich endet, ist das andere später nur schwieriger durchzuführen und in keiner Weise lebensbedrohlich.
Den Experten, die Ihrer Meinung sind, oder werden auch die mit anderer Meinung angemessen berücksichtigt?
Mir scheint es sehr Risiko reich, wenn nur aufgrund von Angaben von Kindern (das sind diese körperlich und seelisch noch sehr unfertigen und ungefestigten Personen) vor der Pubertät, das kann also mit 12 Jahren oder sogar früher sein, solche wie die beschriebenen Eingriffe durchgeführt werden. Ich kann mich gut erinnern, wie unsere beiden Kinder in dem Lebensstadium gerne mal die Meinung auch zu grundlegenden Themen änderten.
Ich habe viel Glück gehabt, dass diese Themen bei uns unproblematisch waren.
Naja, sie haben doch lediglich ihre persönliche Skepsuis anegührt, ohne diese mit etwas zu untermauern. Daher habe ich von bauchgefühl gesprochen.
Der krebsverglich hinkt weitaus weniger, als sie glauben. Das durchlaufen der Pubertät ist für die betroffenen Kinder nämlich traumatisch. Die können sie dann nämlich gleich zur Lebenslangen Therapie anmelden. Dazu kommt, dass über 40% der Betroffenen min. einen Selbstmordversuch hinter sich haben im Laufe des Lebens. Somit ist auch transidentiotät durchaus tödlich, wenn unbehandelt. und es ist unter Experten völlig unstrittig, dass eben all diese psychologischen Probleme nicht auftreten, wenn rechtzeitig behandelt wird.
Und es ist eben kein grosses Experiment mit ungewissen Ausgang. Ganz im Gegenteil, dass was sie offensichtlich für besser haletn (nämlich abwarten) wurde jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang praktiziert, und es hat sich eben nicht als das bessere herausgesteltt. Das Anhalten der Pubertät ist übrigens völlig reversibel und hinterlässt keine Schäden.
Und unethisch wäre, keine behandlung durchzuführen. ich kann nicht sehen, wie die Behandlung eines Menschen nach besten Stand des Wissens unethisch sein könnte.
Ja, da hatten sie glück.
Es geht hier nicht um kurzfristige Meinungen oder Launen. Es geht hier um Kinder, die jahrelang diesen Wunsch äussern, und auch versuchen ihn zu leben. Das ist schon was anderes.
meines Wissens nach unternimmt kein Arzt irgendeine Hormonbehandlung ohne gründliche, in diesem Alter oft jahrelange Diagnosephase.
Dass mit den 10 bis 27 Prozent sind die Fallzahlen, die Jugendliche betreffen, die nicht mit Hormonen behandelt wurden. Bei denen, die mit Hormonen behandelt werden, entscheiden sich am Ende falls alle zur endgültigen Umwandlung.
Dies geht übrigens aus obigem Artikel hervor.
Mögen die Zahlen zuerst überraschen, so erstaunen sie mich am Ende nicht, da bei den mit Hormonen behandelten sich keine unumkehrbaren Geschlechtsmerkmale herausgebildet haben. Und da ich eine Frau kenne, die sich erst sehr spät zu diesem Schritt entschlossen hatte, kann ich verstehen, wenn sich aus der unbehandelten Gruppe nur so relativ wenige am Ende auch zum letzten Schritt entschieden haben.
"Abgesehen davon, würden Sie auch einem Krebspatienten absprechen, die richtige Behandlung zu kriegen, weil eine Studie aussagt, dass sie vielleicht ja gar keinen Krebs haben, und es besser wäre, erstmal zu lernen, mit dem Krebs klarzukommen, bevor man ihn behandelt?"
Je nach Art und Schwere der Behandlung, na aber sicher! Da möchte ich doch schon ganz gerne relativ sicher sein, dass ich auch tatsächlich Krebs habe, bevor ich mich einer heftigen Chemo, einer Operation oder sonstigen Behandlung unterziehe!
Üblicherweise existieren aber vor Krebsbehandlungen (bei Kindern), auch weitaus mehr diagnostische Möglichkeiten. Da sind normalerweise doch recht handfeste Beweise wie CT- oder MRT-BILDER, bestimmte Blutmarker etc. pp. nachweisbar. Man muss dabei nicht allein aus Aussagen/Verhalten eines Kindes einen eventuellen Zustand erschließen.
Passender wären vielleicht als Beispiel psychiatrische Behandlungen mit Psychopharmaka oder stationäre Aufenthalte im Kindes-/Jugendalter. Auch hier muss aus Aussagen und Verhalten der Kinder und Jugendlichen entschieden werden, ob und wie behandelt wird oder eben nicht.
Und bevor ich es gefragt werde: nein, ich habe mir bisher keine abschließende (pauschale!) Meinung zum Artikelthema gebildet, finde aber manches eben doch zumindest (nach-)frag(e)würdig.
cassi
"Das durchlaufen der Pubertät ist für die betroffenen Kinder nämlich traumatisch. "
Ich will ja nichts sagen, aber ich behaupte einfach mal, die Pubertät ist nur in ganz seltenen Fällen überhaupt so etwas wie 'ein Kinderspiel'. Eigentlich dürfte es für so ziemliche alle davon betroffenen eines Jahrgangs (also rund 100% der die Pubertät erreichenden Kinder) eine ziemlich heftige Zeit sein...
Für die Eltern übrigens auch.
Dabei ist es eigentlich fast egal, was dann 'die Dramen' ausmacht, es gibt sie wohl in nahezu jeder Familie! Das kann eine potentielle Krankheit sein, das können prekäre Verhältnisse sein, das kann schwere Krankheit/Pflegebedürftigkeit in der Familie sein, das kann sonstwas sein! Oder aber auch nur der 'ganz normale hormonelle Wahnsinn'...
Ich möchte auch garnicht abstreiten, dass es transidente Kinder/Jugendliche geben kann und die es nicht immer leicht haben (der Junge im Artikel scheint ja hier zum Glück kaum Probleme gehabt zu haben), wohl aber möchte ich, wie es ja auch der Artikel macht, wenn es zu einer derartigen Zunahme bei Diagnosestellungen und Behandlungen kommt, die Ursachen dafür hinterfragen können und die Verfahren überprüfen dürfen.
cassi
Ich sehe aber halt grundsätzlich das Problem, dass Kindern allerhand eingeredet werden kann von Erwachsenen. Das mag nur selten der Fall sein, aber es muss halt auch ausgeschlossen werden können, dass Kinder hier von ihren Eltern in eine bestimmte Richtung beeinflusst wurden, bevor eine solche Behandlung begonnen wird.
Gibt es eigentlich gesellschaftliche Unterschiede in der Diagnosehäufigkeit von Transidentität bei Kindern oder wird das in allen gesellschaftlichen Schichten und familiären Situationen gleich häufig diagnostiziert?
cassi
"Wenn sich urplötzlich die Geschlechtsverhältnisse umdrehen dann ist das doch ein vehementer Alarmfaktor"
Wofür genau?
"Das sollte man überprüfen bevor man weitere Kinder da durchlässt."
Wo "durchlässt"? Haben Sie Angst, dass sich jemand frei entfalten könnte, der dadurch Ihr Weltbild ins wanken bringt?
"Erlauben Sie mir eine gewisse Skepsis. Im Grunde wird hier ja gerade ein großes Experiment am Menschen in einer doch sehr fundamentalen Frage durchgeführt"
Nein. Wird es nicht.
Die Diagnosen dauern jahrelang bei kindern/jugendlichen. Da wird schon sehr gründlich geschaut. Darum kann die Diagnose dann auch relativ sicher gestellt werden.
und es gibt ein Gefälle bei den Diagnoses was Gesellschaftsschichten betrifft. Das hat aber ziemlich sicher weniger mit der tatsächlichen Prävalenz zu tun als damit, dass menschen aus gebilderten Gesellschaftsschichten im Schnitt offener mit dem Thema umgehen können, und daher Betroffene aus einem solchen Umfeld eher den Schritt zum Spezialisten wagen.
"…, dass eben all diese psychologischen Probleme nicht auftreten, wenn rechtzeitig behandelt wird."
Das kann ich nach Gesprächen mit Betroffenen in keiner Weise bestätigen, leider, denn ich bin dazu offen eingestellt.
Mir scheint manchmal, dass ein sehr grundlegender Kernkonflikt der Person und noch mehr ihres Familiensystems verlagert wird, indem sehr viel Aufmerksamkeit absorbiert wird durch die Beschäftigung mit Aussendarstellung von Sexualität. Ich beobachte, wie die Heranwachsenden da bereit sind, sehr viel auf sich zu nehmen.
Das ist sicher nur ein Aspekt, aber man könnte ihn berücksichtigen, denn er verbleibt ungelöst, auch nach einer Umwandlung.
"Sie könnten mir beispielsweise erklären, wieso die Praxis, präpubertären Kindern Hormonblocker zu verabreichen, kein großes Experiment am Menschen mit ungewissem Ausgang ist."
Weil es ein reversibler Vorgang ist, der jederzeit beendet werden kann. Auch ohne diese Behandlung kommen nicht alle Kinder gleichzeitig in die Pubertät.
"Es geht hier um Kinder, die jahrelang diesen Wunsch äussern…"
Sicher. Es gibt auch Menschen, die jahrelang den Wunsch äußern, man möge Ihnen ein völlig gesundes Bein oder einen Arm amputieren, den sie nicht als zu sich zugehörig empfinden. Und es gibt Ärzte, die dem Wunsch nachgeben.
Das meine ich keineswegs provokativ oder abwertend. Mir geht es darum, wie ein Mensch sich durch eine früh getroffene Entscheidung (zur Behandlung) selbst auf Dauer am besten nützlich sein kann, falls die Eigeneinschätzung noch nicht auf standfester Selbsteinschätzung gründet.
Tschuldigung, ich kann hier nicht folgen. Was hat das ganze denn jetzt mit Sexualität zu tun?
in anderen Worten, sie sprechenen den Betroffenen das Recht auf Selbsteinschätzung ab.
und es war ja nur eine Frage der Zeit, bis jemand Body Dysmorphism als Beispiel bringt. Das ist ein falscher vergleich. Da können sie auch den berühmten Transdelfin aus Southpark zitieren.
Ich empfinde Ihre Äußerungen im letzten Abschnitt Ihres Kommentars angesichts der Tatsache, dass auf jeden Fall ein hoher Leidensdruck der betroffenen Kinder dahinter steckt, als völlig fehl am Platze und unverschämt.
Für Mediziner ist das ein schwieriger Abwägungsprozess, den sie "sine ira et studio" im Austausch miteinander und unter Wahrnehmung der empirischen Untersuchungsbefunde im Einzelfall entscheiden müssen. Das ist im Grunde nichts anders als bei einer Entscheidung für eine Therapie, wenn sie mit großen Heilungschancen, aber auch mit großen Risiken verbunden ist.
Whataboutism und daher irrelevant.
An einem politisch-ideologischen Einfluss auf das Kind gebildeterer Eltern, am Erziehungsstil kann es also grundsätzlich nicht liegen? Naja, ich denke hierbei auch ein wenig an gestiegene Zahlen bspw. von Ritalinverschreibungen. Auch wird ja eine Zunahme auch kritisch gesehen. Es geht halt darum, dass die Kinder durchaus sehr gewollt vom Gesetzgeber in diesem Alter grundsätzlich nur begrenzt willensbildungs- und geschäftsfähig sind und das zurecht. Kinder sind formbar in ihrer Psyche, sprunghaft (ich sag mal Stichwort: Verein, Instrument), aber diesbezüglich soll bereits vor Einsetzen einer bestimmten (hormonell bedingten) Entwicklungsphase ein hormonbedingter (sonst könnte die hormonelle Therapie ja garnicht wirken) Zustand vom Kind derartig 'sicher' festgestellt werden?
"Die Diagnosen dauern jahrelang bei kindern/jugendlichen. Da wird schon sehr gründlich geschaut. Darum kann die Diagnose dann auch relativ sicher gestellt werden."
Das wüsste ich ganz gerne etwas besser belegt als nur so von Ihnen behauptet. Auch, wie so ein Diagnoseverfahren abläuft, woran es festmacht, dass keine äußeren Einflüsse auf das Kind einwirken, dass der Wunsch nicht nur eine Laune ist oder Ausdruck bspw. den Eltern gefallen zu wollen, ein gesellschaftlich bedingter Glaube 'so sein zu müssen' etc. pp.
cassi
@madsci
"Das ist ein falscher Vergleich."
Es hat doch keinen Sinn, jede andere Auffassung als die Ihre mit Intoleranz zu belegen. Da machen Sie ja genau das, wogegen Sie sich so augenscheinlich zur Wehr setzen. Das ist ein ziemliches anstrengendes Martyrerscript, aber jeder hat die Wahl...
"Es geht halt darum, dass die Kinder durchaus sehr gewollt vom Gesetzgeber in diesem Alter grundsätzlich nur begrenzt willensbildungs- und geschäftsfähig sind und das zurecht. "
Muss natürlich heißen:
'Es geht halt darum, dass die Kinder durchaus sehr gewollt vom Gesetzgeber in diesem Alter grundsätzlich nur ALS begrenzt willensbildungs- und geschäftsfähig GELTEN und das zurecht. '
cassi
Eben nicht viel. Das will ich ja gerade aussagen mit #2.17.
Es wird sehr viel Aufmerksamkeit absorbiert durch die Beschäftigung mit Aussendarstellung von Sexualität und darum geht es im Kern m.E. nicht.
Ich bin da überhaupt nicht intolerant. transspezie-ism halte ich für etwas was es nicht ernsthaft gibt (abgesehen von den berühmten Beispielen, die von mir aus aber auch gerne machen dürfen was sie tun, und das ohne dass sich jemand daran stören sollte). Body Dysphormism existiert, und ich kann mir die Leiden dieser Menschen vorstellen. Es ist aber schlichtweg mit Transidentität nicht vergleichbar. Jemand der sich ein bein amputieren lassen will hat mit ganz anderen konsequenzen zu leben (Rollstuhl, Protesen, etc).
"Weil es ein reversibler Vorgang ist, der jederzeit beendet werden kann. Auch ohne diese Behandlung kommen nicht alle Kinder gleichzeitig in die Pubertät."
Körperlich mag Reversibilität wohl gegeben sein (hormonell, operabel), aber gilt das für die Psyche auch?
cassi
Niemand redet hier (gott sei dank) von Sexualität. Das wird weder in den kommentaren grossartig diskutiert noch wird im Artikel viel darüber gesagt. Es ist mir auch nicht bekannt, dass Transsexuelle überauss sexualisierend aufterten o.ä..
"Das wüsste ich ganz gerne etwas besser belegt als nur so von Ihnen behauptet. "
Googeln Sie mal "Standards of Care" und "WPATH (die Behandlungsrichtlinien gibts da auch auf deutsch). Da kriegen sie einen Eindruck davon, wie die Diagnose funktioniert.
Mir scheint, Sie haben eine Gabe, auf Antworten anderer Forumsteilnehmer möglichst nicht konkret einzugehen. Da nützt es auch nichts, immer wieder medizinische Begriffe einzubringen, die sich nur selbst erklären. Das muss ich respektieren, denn es bedeutet letztlich eine Absage an eingestimmte Kommunikation.
Was ist denn daran bitte schön niciht konkret. Jemand fragt nach einer nicht von mir stammenden Definition des Diagnoseverfahrens und ich liefere die Stichwörter nach denen man suchen muss, um genau diese zu finden. Die 138 Seiten Text konnte ich hier leider nicht reposten.
Krause Argumentation
"Abgesehen davon, würden Sie auch einem Krebspatienten absprechen, die richtige Behandlung zu kriegen, weil eine Studie aussagt, dass sie vielleicht ja gar keinen Krebs haben, und es besser wäre, erstmal zu lernen, mit dem Krebs klarzukommen, bevor man ihn behandelt?"
Abgesehen von den bereits festgestellten sprachlichen Schwächen, lässt mich das obige Zitat ratlos zurück. Es ist doch wohl ein Unterschied, ob eine Studie aussagt, jemand hätte "ja gar keinen Krebs", oder ob die Aufforderung lautet, "erstmal zu lernen, mit dem Krebs klarzukommen, bevor man ihn behandelt". Das sind doch zwei vollkommen unterschiedliche Sachverhalte, die auch verschiedene Handlungsoptionen beinhalten.
Aufgrund dieser Aussage kann ich - so leid es mir tut - das von Ihnen anderweitig reklamierte Expertentum nicht ansatzweise erkennen.
Komisch. Es ist nämlich genau diese Argumentation die man ständig auch hier hört: vielleicht sind die Kinder und Jugendlichen ja gar nicht ernsthaft Trans und sie sollten erstmal lernen ihren biologischen Körper zu akzeptieren. Wenn Sie diese Logik fehlerhaft finden bin ich bei Ihnen.
Aber das wollen sie vermutlich gar nicht.
Eigenartig
Ich habe lediglich auf die Inkonsistent Ihrer beiden in einem Satz genannten Beispiele hingewiesen. Es ist doch unbestreitbar ein Unterschied, ob jemand die Diagnose erhält, er/sie habe gar keinen Krebs, oder ob der/die-selbe aufgefordert wird, doch zu versuchen, mit dem festgestellten Krebs zu leben. Darauf mit Rabulistik zu reagieren, zeugt von wenig sprachlichem und argumentativen Verständnis. Leider.
Man verabreicht ja nicht gleich die Pubertätsblocker und schon gar nicht die Hormone für das andere Geschlecht. Damit wartet man wie es auch im Artikel steht. erst wenn das Kind über einen längeren Zeitraum den gleichen Wunsch wiederholt, wird die Pubertät gestoppt. So dass es sich im anderen Geschlecht ausprobieren kann. Und wenn es das eine Weile getan hat und sich immer noch sicher ist, beginnt man im Teenageralter mit der Hormonbehandlung. Das sind dann keine 10 oder 11 jährigen Kinder sondern 14 bis 16 jährige Teenager.
Also der Linkshänder-Vergleich hinkt extrem! Linkshänder sein hat keine tiefgreifenden Operationen und lebenslange Hormontherapie zur Folge. Diese Diagnose und die entsprechende Behandlung hat so massive, weitreichende Folgen, die man doch abwägen und einschätzen können muss, bevor man sich darauf einlässt. Nur ein Beispiel ist die zwangsläufige Unfruchtbarkeit. Kann ein Jugendlicher eine solche Entscheidung überhaupt schon treffen, frag ich mich...
"In den achtziger Jahren galt Transsexualität noch als Krankheit. Trat sie bei Minderjährigen auf, hieß es, man müsse die Betroffenen "heilen", indem man sie in ihrem Geburtsgeschlecht bestärke. "Davon spricht heute so gut wie niemand mehr", sagt Meyenburg."
warum sie nicht einfach ihren weg und ihre entwicklung gehen lassen und das entspannt begleiten?
ob es sinnvoll ist, in die körrperliche entwicklung irreversibel einzugreifen ist fragwürdig, immerhin gibt es genug, die den "finalen schnitt" ablehnen.
aber sie einfach mit dem was sie sind anzunehmen und sich finden zu lassen, sollte doch drin sein.
"warum sie nicht einfach ihren weg und ihre entwicklung gehen lassen und das entspannt begleiten?"
genau das wird ja gemacht. niemand wird zu etwas gezwungen.
"Das ist kein Spleen"
Das ist zweifellos richtig. Leider gibt es zahllose Fälle, in denen Kinder/Jugendlichen das Gefühl haben, dass irgendetwas nicht normal mit ihnen sein. Fragliche Erziegungsmethoden und festgefahrene Rollenvorbilder in der Familie tun ihren Rest.
Umso wichtiger ist es, Kinder/Jugendliche in der schulischen Sexualerziehung schon früh an das Thema heranzuführen. Lernziel: Transsexuell zu sein ist normal. Und Diskriminierung verhindern.
--->"Lernziel: Transsexuell zu sein ist normal."
Na ja. Wobei - siehe Artikel, mangels überzeugender Studien mit ausreichenden Daten über längere Zeiträume - durchaus die Möglichkeiten bestehen könnte, dass gerade solche allzu "einladende" Kommunikation eher zu einem ansteigenden Trend führt, ohne dass es tatsächlich medizinische Gründe dafür gibt. Es wird also - vielleicht - eine Mode unter Kindern (gerade Mädchen, siehe Artikel) erzeugt, mit potentiell gravierendsten Folgen.
"Normal" im Sinne von "Das kommt gelegentlich schon mal vor, kein Problem" dürfte in Ordnung sein.
"Normal" im Sinne von "Das sind ganz viele, du vielleicht ja auch." dürfte nicht in Ordnung sein.
Jeder Einzelfall ist anders und muss von Experten beurteilt werden. Ich finde es jedenfalls durchaus verstörend, dass es bei einem für die Betroffenen so fundamentalen Thema offensichtlich die wissenschaftlich fundierte Studien- und Datenlage so schwach ist. Eigentlich erlaubt diese doch gar keine Schlussfolgerung. Dass es sich im Allgemeinen um modischen Trend handeln könnte, gerade bei Mädchen, ist ebenso möglich wie das exakte Gegenteil.