Vor einigen Jahren hatte ich einen Freund. Nennen wir ihn René. René war schüchtern. Sehr schüchtern. Er war auch nicht besonders attraktiv, aber das sind ja nur wenige. Sobald er mit einer Frau reden wollte, spielten die Worte Autorennen, überholten einander, stießen zusammen, überschlugen sich. Er stammelte dann, musste warten, bis die Gedanken sich ordneten. Dann senkte er oft den Blick, wurde rot. Manchmal versuchte er es noch zu retten, indem er schneller und intensiver redete. Das machte es eigentlich nie besser.
René hatte keine Freundin. Er hatte, bis er in seinen Zwanzigern war, mit niemandem Händchen gehalten, geknutscht, geschweige denn geschlafen. Irgendwann, in einer Sommernacht, verschwand er nachts um zwei Uhr von der Tanzfläche, auf der wir zu fünft tanzten. Er verließ den Club, ging ein paar Straßen weiter durch die laue Luft, bezahlte 100 Euro und hatte das erste Mal Sex mit einer Frau. Eine Stunde später stand er wieder auf der Tanzfläche mit einem idiotischen Lächeln im Gesicht und einem sehr ausgeprägten Mitteilungsbedürfnis. Wir hatten gar nicht bemerkt, dass er weg gewesen war.
Er ging danach immer wieder. Die Prostitution war für ihn ein Ausweg aus einer großen Ungerechtigkeit. Der Ungerechtigkeit, in einem unattraktiven Körper geboren worden zu sein. Der Ungerechtigkeit lähmender Schüchternheit. Der Ungerechtigkeit, Freunde zu haben, denen all das so viel leichter fiel. Sein wirkliches Problem löste er so nicht. Er hatte immer noch keine Ahnung, wie er Frauen ansprechen, sie unterhalten, sie faszinieren könnte.
René befördert so, ohne es zu merken, seit Jahren ein zynisches Menschenverwertungsgeschäft. Ein Geschäft, das in Rumänien, Litauen, Nigeria oder Thailand beginnt und in unseren Bordellen endet. Er denkt sich nichts Böses dabei und tut nichts Verbotenes. Doch mit seinem Geld sorgt er dafür, dass Frauen Unrecht geschieht. Wir brauchen ein Gesetz gegen ihn, ein Gesetz gegen Freier.
Die Idee ist nicht neu. Es gibt solche Gesetze schon in Schweden, Norwegen und Island, weshalb das Ganze auch als "nordisches Modell" bezeichnet wird. Prostituierte dürfen dort legal arbeiten. Aber das Kaufen von Sex ist illegal. Die Strafen für die Freier fangen zum Beispiel in Schweden bei Bußgeldern von 250 Euro an und reichen bis zu einem Jahr Gefängnis. Es wird asymmetrisch bestraft – einer büßt für beide. Was erst mal paradox erscheint, aber ziemlich clever ist.
Man weiß nicht viel über Männer, die zu Prostituierten gehen. Die wenigsten von ihnen reden gern drüber. Es gibt eine Handvoll Studien, die zumindest so viel sagen: Freier kommen aus allen Schichten, aus allen Altersgruppen, es sind Doktoren, Professoren, Stahlarbeiter, Busfahrer und Arbeitslose darunter.
Einen Weg, um herauszufinden, wie diese Männer sich und die Frauen sehen, bieten Freier-Foren im Internet. Beliebt ist dort die Bewertung von Prostituierten in Zeugnissen, mit Noten von 1 bis 6. Benotet wird in den Kategorien "Figur", "Titten", "Fotze", "Gesicht" und "Gebiss". Die Frauen werden als "Säue", "Frischfleisch" oder "Pflaumen" bezeichnet. Man spricht sich mit "Hallo Mitficker" an und verarbeitet Frustrationen ("Ich war enttäuscht, dass ihr Gesicht etwas verlebt aussieht").
Feministinnen wie die Philosophin Iris Marion Young bezeichnen das, was diese Männer machen, als Objektivierung des weiblichen Körpers: das Zerlegen und Bewerten, die Blindheit dafür, dass diese Frauen eine Persönlichkeit haben. Sie kaufen keine Dienstleistung, sondern eine Ware. Wie sie selbst sagen: "Fleisch".
René würde nie so reden, nie so etwas schreiben. Und doch stellt sich die Frage: Verschiebt sich nicht auch in ihm etwas, wenn er jeden Monat losgeht und eine Frau kauft? Und bestärken wir ihn nicht darin, solange unser Recht diese Art von Geschäft erlaubt?
Kommentare
Straßenprostitution ist mM zu verbieten, wegen des häufigen Menschenhandels.
Aber was ist mit teureren, von Frauen geführten Etablissements? Die gibt es sehr wohl, mir bekannt z.B. Kamilla la Dee in Berlin. Man kann von Sex gegen Geld halten, was man möchte, aber wo helfen die Freier dort Verbrechern?
Anders gefragt: Wie genau definiert man Prostitution, wenn man sie verbieten will?
"Suche aufgeschlossene, hübsche Begleiterin für Karibikurlaub"
Wer würde sich hier strafbar machen?
Menschenhandel und Zwangsprostitution müssen bekämpft werden - aber schon seit vielen Jahren werden Krankheiten der Gliedmaßen nicht mehr standardmäßig durch Amputation geheilt.
Am Ende zahlt Renée die Zeche und das obere Prozent lacht sich ins Fàustchen
Was stimmt: Seit der EU-Osterweiterung, vor allem seit der Reisefreiheit für Bulgaren und Rumänen ab 1.1.2014, hat der Menschenhandel in Europa enorm an Fahrt aufgenommen. Die Justiz und Polizei sind vollkommen überfordert bzw. auch eigentlich nicht wirklich interessiert. Der Politik ist es total egal.
Ich bezweifle, dass Menschenhandel innerhalb der EU ein Problem ist. Millionen von Osteuropäern sind nach der Reisefreiheit legal nach Deutschland gekommen, um zu arbeiten- darunter eben auch Prostituierte. Anders als jetzt illegal arbeitende Prostituierte aus dem EU-Ausland können sie im Bedarfsfall jederzeit zur Polizei gehen ohne Angst zu haben, abgeschoben zu werden.
Ach was?
Rene ist doch selbst schuld, wäre er Milliardär würde ihn eine ehemalige (slowenische?) Schönheitskönigin bestimmt interessant finden.
Aber das wäre dann ja keine Prostitition, oder?
So ein Käse, außerdem hatten wir die Diskussion lang und breit, als das ProstG in der Mache war. Die meisten Prostituierten sind "Legale", nicht unähnlich völlig anderen Branchen. Da würde sich der Staat wieder einmal ohne Not einmischen, nachdem er zunächst eigentlich begriffen hatte, dass ihn diese spezielle Art der Transaktion wenig angeht.
Die Mondzahlen aus dem Artikel (die davon ausgehen, dass a) es keinen Transit gibt, und b) Menschenschmuggel grundsätzlich zum Zweck der erzwungenen Prostitution stattfindet) mal dahingestellt, hätte ich einen Lösungsvorschlag: Um genau das zu verhindern, war die Parole im Zuge der Liberalisierung eigentlich, die zuständigen Stellen personell aufzustocken, um entsprechend kontrollieren zu können. Diese personelle Aufstockung hat nie stattgefunden. Wie wäre es denn damit, das nachzuholen und dann weiterzusehen? Ich denke, damit dürfte das Problem ausreichend gelöst sein.
Ist ein typisches Argumentationsmuster der Empörungsmedien. Dinge kritisieren, von denen man weiß, dass niemand wirklich Einfluss drauf hat, um sie immer wieder als aufgreifen zu können um zu illustrieren, dass X ganz schlimm ist und etwas getan werden muss (außer das Offensichtliche).
Sie machen es sich etwas einfach. Einmal kurz googlen präsentiert Schätzungen von 200.000-400.000, manche gar 1.000.000 (was deutlich zu viel sein dürfte) Prostituierten in Deutschland.
Diese Zahlen sagen uns vor allem eines: Kein Mensch weiß auch nur ungefähr, wie viele es sind, was die Wirksamkeit sämtlicher gut gemeinter Kontrollen nivelliert. Auf gut deutch, wenn wir es nicht mal hinbekommen, überhaupt die Gesamtzahl halbwegs realitisch einzuschätzen, wie können wir dann behaupten, irgendwelche Registrierungspflichten würden auch nur im Mindesten funktionieren?
Es sagt auch noch etwas anderes.
Wenn pro Jahr im Schnitt laut Artikel 15.000 Zwangsprostituierte nach DE geschuggelt werden, die dort im Schnitt fürwie lange, 10(?) Jahre "arbeiten" bevor sie auf die eine oder andere Art und Weise "entsorgt" werden, dann ist ihre These, dass die allermeisten "Legale" seien, mehr als naiv. Dem reinen Zahlenspiel zufolge stammt dann ein gutes Viertel davon aus dem Menschenhandel.
Wenn wir also schon von Mondzahlen sprechen, wollen Sie uns denn mal ihre Statistiken präsentieren, auf denen ihre Einschätzung beruht?
Ob ein Freierverbot oder Prostitutionsverbot der richtige Weg sind, weiß ich auch nicht, aber dass diese Industrie bei weitem zu viele Opfer produziert, ist offensichtlich. Von wegen der Staat würde sich hier ohne Not einmischen!
Ich denke, damit dürfte das Problem ausreichend gelöst sein.
Ich denke das nicht. Verbote sind jedoch der vollkommen falsche Weg, das WARUM muss ich hier hoffentlich nicht erläutern, da es so simpel ist, das es eine Beleidigung wäre - zumal das politische Konzept des Verbietens heute mit 4.0% abgestraft wurde.
Mein Vorschlag: Prostitution nur noch ab 21 Jahre und (!) nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung in Deutschland - Prostitution darf nicht alternativlos für die Sexarbeiterinnen sein. Ergebnis hiervon: Das Geschäftsmodell mit ausländischen Frauen, die kein Deutsch sprechen und in Abhängigkeitsverhältnissen zu ihren "Chefs" leben, wäre nicht mehr möglich. Wer dann trotzdem noch als Sexarbeiterin arbeiten will, der soll das können, aber im Rahmen einer Branchen-spezialisierten Altersvorsorge, so wie zum Beispiel die Rechtsanwaltsversorgungswerke. Ziel ist es dabei dem Beruf Sexarbeiterin die Attraktivität zu nehmen und in einen gesetzlichen Rahmen einzupflegen, der eine illegale Partizipation Dritter erschwert/unterbindet.
Sexarbeit ohne kriminellen Überbau muss eine Gesellschaft aushalten können, genauso wie 4% Grünen-Wähler.
Jepp... genau das habe ich auch gedacht... warum holt man diese alte Mottenkiste wieder vom Dachboden? Prostitution wird und hat es immer gegeben und ich habe es lieber in der Legalität und überwacht als in der Illegalität und nur schwer überwachbar!
Es wird immer Missbrauch geben, siehe Steuergesetze aber dafür muss man halt auch mal Geld in die Hand nehmen und genug Leute anstellen die die Überwachung übernehmen... und von Bestrafung der Freier halte ich auch nichts.
Ob ein Freierverbot oder Prostitutionsverbot der richtige Weg sind, weiß ich auch nicht, aber dass diese Industrie bei weitem zu viele Opfer produziert, ist offensichtlich. Von wegen der Staat würde sich hier ohne Not einmischen!
Richtig, darum finde ich, das meine Idee in 2.3 ein Versuch wert wäre. Ich kann mir nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, das eine Zwangsprostituierte aus dem Ausland mal schnell eine deutsche Berufsausbildung (z.B. zur Verkäuferin) besteht, bzw. ihr "Eigentümer" gewillt ist, 2 Jahre zu warten bis er mit ihr Geld verdienen kann. Ohne einen (scheinbar) legalen Zugang zum Markt, kann aber mit den Zwangsprostituierten kein Geld verdient werden, das Geschäftsmodell wäre zerstört, eine Kontrolle durch die Behörden und schnelle Ausweisung einfach.
Sinnvoll wäre ein Mindestalter von 21 Jahren. Dagegen jedoch wehrte sich Schwesigs Familienministerium.
"Mein Vorschlag: Prostitution nur noch ab 21 Jahre "
Dieses Mindestalter wurde heftig von Frau Schwesig und ihrem Familienministerium bekämpft.
Zurecht, weil ja nichtmal das Mindestalter 18 funktioniert.
Nein, die Begründung war, das würde jüngere Menschen (es gibt auch männliche Prostituierte) in die Illegalität treiben.
Absoluter Unfug. Für solch eine Tätigkeit benötigt man einfach eine gewisse Reife. Bei diesem niedrigen Alter ist häufig davon auszugehen, dass es "importierte" Frauen sind. Traurig, dass das Familienministerium das auch noch fördert. Wieder mal absolute Weltfremdheit von Seiten den Regierung.
Eine gewisse Reife benötigt man auch um eine Abtreibung vonehmen zu lassen oder zu wählen. Generell würde ich bei Frauen die Geschäftsfähigkeit und das Wahlrecht auf 21 Jahre hochsetzen. So kann man dann auch leichter rechtfertigen, dass Frauen erst ab 21 Jahren einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt haben dürfen.
Und das mit der Abtreibung ist ja auch ein Problem das Zwangsprostituierte und auch andere Frauen betrifft. Kann ein Arzt da wirklich zweifelsfrei feststellen, dass die Entscheidung, das Kind abzutreiben aus freien Willen getroffen wurde oder nicht etwa ein Zuhälter oder ein anderer Mann Druck auf die junge Frau ausgesetzt hat? Oder wirtschaftliche Zwänge hinter der Entscheidung der Abtreibung stehen?
Eine Frau, die aufgrund ihrer Reife nicht in der Lage sein soll, zu entscheiden, ob sie Sex gegen Geld anbietet, dürfte ja wohl auch nicht in der Lage sein andere Rechtsgeschäfte zu schließen.
Was für ein Blödsinn! Puh - tief einatmen, sonst muss ich wieder auf die stille Treppe - einen LKW-Führerschein (Klasse C/CE) kann man auch erst mit 21 Jahren machen:
http://www.verkehrsrundschau…
Warum wohl? Weil erst dann - ja, offensichtlich auch bei Männern - eine gewisse geistige Reife vorhanden ist. Was für ein Wahnsinn ist das, das man mit 18 als Prostituierte arbeiten kann, aber erst mit 21 LKW fahren darf. Auf die Begründung bin ich wirklich gespannt!
Ich würde, wie bereits geschrieben, auch noch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzen, so dass Prostitution nicht alternativlos für die Betroffenen ist. Und ja, das wäre natürlich nur ein Scheingefecht, denn in Wahrheit geht es mir darum den Zuhältern und Menschenhändlern das Geschäft mit Zwangsprostituierten kaputt zu machen. Wer dann bei Polizeikontrollen keine "Zulassung" (die es nur mit 21 Jahren + Ausbildung gibt) vorweisen kann, der verlässt Deutschland umgehend. Eine Diskussion, das man sich freiwillig prostituiert, der Typ neben mir ein guter Freund ist und es total okay ist, das ich kein Deutsch spreche, muss die Polizei dann nicht mehr führen.
>Ob ein Freierverbot oder Prostitutionsverbot der richtige Weg sind, ...
ausreichend wäre ja eine Offenlegungspflicht: die Prostitutierten sind verpflichtet, wöchentlich die Namen aller Kunden am schwarzen Brett am Rathausplatz bekanntzugeben.
Die gesellschaft wäre schnell von der Prostitution geheilt.
>Sinnvoll wäre ein Mindestalter von 21 Jahren.
>Dagegen jedoch wehrte sich Schwesigs Familienministerium.
Woran man wieder sieht, wo möglicherweise ein Unterschied zwischen Feminismus und Scheinfeminismus liegt.
"Was für ein Wahnsinn ist das, das man mit 18 als Prostituierte arbeiten kann, aber erst mit 21 LKW fahren darf. Auf die Begründung bin ich wirklich gespannt!"
Ich finde, solange unsere Gesellschaft Männer und Frauen ab 18 zum Töten und Sterben in den Krieg schicken kann, sind diese auch für andere Tätigkeiten alt genug.
"Warum wohl? Weil erst dann - ja, offensichtlich auch bei Männern - eine gewisse geistige Reife vorhanden ist. Was für ein Wahnsinn ist das, das man mit 18 als Prostituierte arbeiten kann, aber erst mit 21 LKW fahren darf. Auf die Begründung bin ich wirklich gespannt!"
Ich halte LKW fahren für wesentlich komplizierter als Sex zu haben. Die meisten Menschen haben ja das erste Mal so mit 15/16. Und wer will darf dann mit 18 Jahren mit anderen Erwachsenen Sex gegen Entgelt haben. Da findet also bereits eine altersgerechte Abstufung statt.
Ich verstehe nicht, warum Feministinnen einerseits das Recht einer jeden Frau auf Abtreibung betonen (selbst wenn der Wunsch abzutreiben mal von Männern/Zuhältern/wirtschaftlichen Zwängen ausgeht) und dann gleichzeitig gefordert wird, dass erwachsene Frauen eben nicht das Recht haben sollen, Sex gegen Geld zu haben (und auf Zwänge verwiesen wird, die auch im Rahmen einer Abtreibung bestehen können).
Das ist für mich ein Widerspruch. "Mein Bauch gehört mir, aber meine Geschlechtsorgane nicht"
Wenn man/frau ab 18 Berufssoldat bzw. sogar auch Berufssoldatin werden kann, warum sollte dann bei der Prostitution mit einem anderen Maß gemessen werden?
Ich finde beides zu jung. Was bringt eine solche Abwägung? Ist rechtlich nicht miteinander verbunden.