Der Schriftsteller Joachim Lottmann sagte neulich im Radio, er selber habe ja gar keine Meinung. Dafür hat seine Romanfigur, die so ähnlich heißt wie er, nämlich Johannes Lohmer, nichts außer Meinungen. Und schon gar keine Haltung. Eigentlich verbrät er nur Thesen, die dem widersprechen, was er für die "konsensualen Denkmuster unserer Mediendemokratie" hält.
In Lohmers Welt kommen, wie in Lottmanns Büchern üblich, überwiegend Figuren und Ereignisse der real existierenden Welt in fiktionalisierter Form vor: Personal aus der Berliner und Wiener Kulturszene und aus Lottmanns Privatleben. Außerdem die Themen der Jahre 2015 und 2016: Flüchtlingskrise, Terroranschläge, Erfolg rechter Parteien. Lohmer, weil er sich umzingelt fühlt von den Wohlmeinenden und ihrer Willkommenskultur, betätigt sich als Kritiker der Zuwanderung und des Islams, den er für den "zweiten Faschismus" hält. So heißt ein Buch, das er zu schreiben plant. Um es sich aber vor allen Dingen mit seiner Gattin nicht zu verscherzen, muss er sich um diese seine Meinung herumschwindeln, weshalb der vorliegende Roman Alles Lüge heißt.
Der 60-jährige Lottmann, der sich selbst zum Erfinder und Totengräber der Popliteratur erklärt hat, spielt hier wie bereits in früheren Werken die Rolle der Szene-Pissnelke. Dazu bedient er sich einer Form der Wirklichkeit, die karikaturesk überzeichnet und für einige Beteiligte beleidigend dargestellt ist, damit die Kontraste besser knallen und die Konflikte saftiger wirken. Da Borderline-Wahrheiten heute aber keine dissidenten Strategien mehr sind, sondern zuletzt sehr erfolgreiche Machtmittel des Populismus, müsste sich der Pop jetzt mal etwas Neues überlegen.
So etwas schwant auch Lohmer/Lottmann gegen Ende des Buches. Das wird aber nur derjenige Leser mitbekommen, der über Hunderte von Seiten die Geschwätzigkeit eines Mannes in den sogenannten besten Jahren erträgt, mit der die News vom letzten Jahr noch mal aus seiner Sicht nacherzählt werden. Keine Ahnung, wo Lottmann diese Leser immer findet.
Joachim Lottmann: Alles Lüge
Roman; KiWi Taschenbuch, Köln 2017; 352 S., 12,– €, als E-Book 9,99 €
Kommentare
Unklar bleibt, ob seine künstlerischen Stilmittel, , sein Umgang mit dem Inhalt oder der Inhalt mit den Urteilen selber das Hauptproblem sein soll.
Liebe Zeit Online,
Herr Lottman mag sich über die konsensuale Mediengesellschaft ereifern. Warum heisst das aber jetzt Flüchtlingskrise? Letztere existiert im Kopf von Fremdenfeindlichen und islamophoben und ist ein Sprachungeheuer, dass sich offenbar ebenso erfolgreich, wie der unsägliche "Islamist" ins Gehirn von Journalisten eingegraben hat. Wir haben weder "Krise" noch "Welle" und auch keinen "Ansturm". Empfehlenswert zu dieser Art Sprachbrutalisierung: Victor Klemperer, LTI, Die Sprache des dritten Reiches.
Satire sollte entsprechend gekennzeichnet werden. Kann man ja sonst nicht verstehen.
Who the hell is Lottmann? Must we know him? Writer? I doubt!
Wow, Sie sprechen sogar englisch?
Das ist recht armselig vom Sarrazin der Speckgürtelbewohner. Wenn es literarisch nicht läuft, hschlägt er auf die Laute der Pein. IUnd bleibt Mitleid oder Verachtung.