Eberhard Henne erinnert sich noch heute an diesen Tag im Juli – und an seine Wut. Es war ein ruhiger Sommertag, als er vor einer tennisplatzgroßen Fläche aufgewühlter Erde stand. Aus ein paar Baumstümpfen strömte der Geruch von frischem Holz. Vor ein paar Tagen hatten hier noch riesige Buchen gestanden, 150 Jahre alt. Jetzt waren die Bäume verschwunden.
Henne ist Umweltschützer. Er war Ende der neunziger Jahre kurze Zeit SPD-Umweltminister in Brandenburg, und 25 Jahre lang leitete er das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, dessen Kernzone nur wenige Kilometer von dem Waldstück entfernt liegt. Heute ist er Rentner, hat aber deswegen nicht weniger zu tun: Kraniche beobachten, die Politiker an ihre Pflichten erinnern, solche Dinge. Im Moment ist es der Wald, der ihn beschäftigt.
"Der macht hier, was er will", sagt Henne mit grimmiger Miene. Der, das ist Albrecht Fürst zu Oettingen-Spielberg. Ihm gehört das Waldstück seit zwei Jahren. Es war Teil der rund 500.000 Hektar Land in den neuen Bundesländern, die der Bund in den vergangenen acht Jahren veräußerte. Darunter sind ehemalige Grenzgebiete, Truppenübungsplätze und Jagdreviere der DDR-Parteibonzen. Die gesperrten Gebiete waren wie Reservate für die Buchen, Eichen und Ahornbäume.
Doch seit der Fürst den Wald gekauft hat, ist mit der Ruhe Schluss. Der ökonomische Blick auf den so lange ungestört wachsenden Wald wirft auch hier – wie in den meisten deutschen Wäldern – die Frage nach dem Verhältnis zwischen ungestörter, auch gern romantisierter Natur und wirtschaftlichem Nutzen auf. Zumal der Einschlag nicht nur die Bäume trifft. Wege müssen ausgebaut werden für schwere Lkw und die sogenannten Harvester, diese Alleskönner-Maschinen, die Bäume fixieren und fällen können und anschließend die Äste abtrennen. Wo Harvester über Waldboden fahren, hinterlassen sie tiefe, verfestigte Spuren. An Stellen aber, wo vorher große Buchen gestanden haben, sterben nicht selten die jüngeren Buchen drum herum. Sie vertragen die plötzlich einstrahlende Sonne nicht.
Aus waldwirtschaftlicher Sicht geschieht hier nichts Aufregendes. Förster Markus Schlösser, der für den Wald zuständig ist, hat das Fällen der alten Buchen veranlasst. Er müsse der Entwertung des Waldes zuvorkommen. "In dem Waldstück stehen einfach zu viele alte Bäume. Wenn wir den Wald wirtschaftlich nutzen wollen, müssen wir ihn verjüngen." Er hat mittlerweile noch mehr Bäume fällen lassen.
Was im Wald des Fürsten passiert, halten Naturschützer für den Teil eines Trends, der seit Jahren anhält: In deutschen Wäldern werden immer mehr Bäume geschlagen. Teures Erdöl trieb die Preise für Holz nach oben. Haushalte stiegen auf Pellet-Heizungen und Holzöfen um oder stellten sich einen Kamin ins Wohnzimmer. 2015 wurde, trotz des Baubooms, erstmals mehr Holz in Deutschland verheizt als verbaut – 60 Prozent der gefällten Bäume gingen durch den Kamin.
Dass der Holzeinschlag so massiv zugenommen hat, liegt nicht nur an den privaten Waldbesitzern. Auch die Forste des Bundes, der Länder und der Kommunen sind als Einnahmequellen ins Visier der staatlichen Haushaltsexperten geraten. Nur: So sichtbar wie beim Kahlschlag im Wald des Fürsten sind die Eingriffe nicht immer. "Die Wälder verändern sich schleichend", sagt Lebrecht Jeschke. Jeschke ist Biologe, ein Buchenwald-Spezialist. Bis zu seiner Pensionierung leitete er das Landesnationalparkamt Mecklenburg-Vorpommern.
Das Verschwinden der alten Bäume mag beklagenswert sein. Dazu kommt aber auch eine strukturelle Veränderung der Wälder, die auch ökologische Konsequenzen hat: Monokultur. Denn das Geschäft mit den alten Luxusbäumen – für eine alte Eiche kann man einige Tausend Euro bekommen – ist mühselig. Schnelles Geld lässt sich mit Massenware machen. Und das sind Bäume, die 60 bis 80 Jahre alt sind, gerade gewachsen, ohne viele Verästelungen. Bekanntestes Beispiel sind die Nadelholzwälder, wie sie häufig nach dem Zweiten Weltkrieg angelegt wurden. Damit die Bäume maschinentauglich aufwachsen, stehen sie in definierten Abständen zwischen ausgebauten Waldwegen. Die "Ernte" geschieht heute oft schon im Dreischichtbetrieb und kann fast das ganze Jahr über andauern. Früher erntete man nur im Winter, wenn die Bäume nicht im Saft standen und der Boden gefroren war. Die Harvester schaffen auch die Frühjahrs- und Sommerbäume problemlos. "Die Wälder werden immer mehr dem angepasst, was die Industrie fordert", sagt Jeschke. Am Ende würden wir nur noch eine Form des Waldes kennen: die Plantage, "in der Reih an Reih Bäume einer Altersstufe stehen".
Kommentare
Wer ein besonders schlimmes Beispiel an durch Förster produziertes Waldsterben sehen möchte, sollte in die "Wälder" rund um den Waldssee in Langen gehen.
Da wurde soweit "ausgedünnt", da kann der Blick kilometerweit durch den "Wald" gehen, weil da so wenig Bäume stehen, die den Weitblick stören. Der Wald und die Ignoranz der Förster erinnert mich an meinen Chef. Der hat auch nur noch ein paar Haare auf den Kopf, denkt aber, das sei eine Frisur.
Im Gegensatz zur Frisur wachsen unter Ihrem Himmelsguckerblick schon jede Menge neuer Bäume.
Drei Seiten Agitation inklusive selbsternanntem "Buchenexperten" auf Rente, viel Raum für anderslautende Berichte blieb da wohl nicht mehr - offizielle Zahlen und Berichte der Regierung bsw., denn laut dem haben Wälder in Deutschland seit letzter Inventur um 7% zugelegt, zudem sei der Mischwaldanteil ebenfalls gestiegen - was stimmt jetzt, Monokultur oder Mischwälder?
Die dritte Bundeswaldinventur ist öffentlich zugänglich und mit wenigen Klicks heruntergeladen, entweder stimmen deren Ergebnisse - dann passt die hier skizzierte Aufregung nicht - oder sie stimmen nicht, dann wäre der Aufreger schlicht weit größer.
"Drei Seiten Agitation ...."
OK, damit hätten wir Ihre Perspektive schon einmal geklärt.
"...inklusive selbsternanntem "Buchenexperten" auf Rente..."
Tatsächlich? Das gibt der Text wohl kaum her. Ihr präventiver Diskreditierungsversuch nutzt Ihnen argumentativ allerdings nichts.
"...denn laut dem haben Wälder in Deutschland seit letzter Inventur um 7% zugelegt..."
Eine quantitative Zunahme bewaldeter Fläche. Aussagekraft zu den im Artikel angesprochenen Problematiken: Null.
"...zudem sei der Mischwaldanteil ebenfalls gestiegen ..."
Das ist doch schön zu lesen. Allerdings hat eine allgemeine (quantitativ undefinierte) Zunahme des Mischwaldes bundesweit keine Aussagekraft hinsichtlich der Bedingungen in großflächig kommerziell genutzten Arealen wie im Artikel problematisiert.
HOLZ - Waldnutzung kriminalisieren?
Was Sie in Ihrem detailreichen aber trotzdem tendenziösen Artikel nicht erwähnen, sind gleich mehrere Fakten:
- Seit über 20 Jahren wird mit Millionen Fördermitteln die Verbrennung von Holz in Privathaushalten und der Industrie propagiert und gefördert. Jetzt wundert man sich, wenn das Früchte trägt und tatsächlich umgesetzt wird?
- Holz ist in vielen Einsatzfällen ein Austauschstoff für Kunststoffe aller Art, siehe
Möbel, Decken, Wandverkleidungen, Fußböden, Fensterrahmen und so weiter. Es sind Hunderte unterschiedl. Artikel. Wollte man die alle durch Kunststoff ersetzen?
- Waldwirtschaft ist seit Jahrhunderten Teil der Landwirtschaft, der Zyklus von Saat und Ernte inclusive. Nur ein etwas längerer Intervall dazwischen. Eine konservierende, praktisch museale Bewirtschaftung ist da nicht sinnvoll.
- Welchem Eigentümer will man zumuten, auf den wirtschaftlichen Ertrag seiner Investition zu verzichten, nachdem er Millionen Kosten in die Bewirtschaftung seiner Flächen investiert hat?
- Waldwirtschaft in Deutschland ist immer nachhaltig. D.h. es werden bedeutend weniger Bäume gefällt als auf der Fläche nachwachsen. Die Grundlagen dazu wurden vor über 250 Jahren in Sachsen ! ( Tharandt ) gelegt, und dann als Bewirtschaftungsform weltweit exportiert.
ALSO - MEHR MUT ZUM HOLZ !
Das würde ich gerne glauben, gibt es Quellen zu Ihren Aussagen.
Soweit ich es weiss, ist Holz ein nachwachsender Rohstoff. So wie Sie argumentieren, sollte man auch den Weizen nicht ernten, wenn er reif ist, sondern am Halm verdorren und die Menschen verhungern lassen.
Die Ideologie, die in diesem Artikel durchkommt, ist schlicht menschenfeindlich. Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt, sondern eine vergottete Natur. Zu der der Mensch nicht zählt.
Ein natürlicher Wald ist mehr als nur ein Rohstoffhaufen und hat mehr Zwecke als darauf zu warten abgeholzt zu werden. Wer nur die deutschen leblosen Monokultuten kennt kann jedoch schon auf die idee kommen, dass ein Wald nur zum Abholzen taugt.