Er hat es wieder getan: In Billbrook, das hat der Hamburger Senat gerade beschlossen, werden bald alte Fabrikgebäude abgerissen, die unter Denkmalschutz stehen. Es handelt sich um das Werksgelände der Kupfer- und Messingblechfabrik Hamburger Metall-Walzwerk von George Dittmann & Co mit mehreren Fabrikbauten. Gebaut hat es das Architektur- und Ingenieurbüro Gustav Kraus in den Jahren 1912 bis 1914.
Der Senat hat damit den eigenen Denkmalschutz ausgehebelt. Wie zuvor schon beim Cityhof, dem Allianz-Hochhaus am Großen Burstah oder dem schon vollzogenen Abriss des größten Teils des GEG-Geländes auf der Peute. Als Nächstes droht der Abriss der Schilleroper auf St. Pauli, ein wunderbarer, leichter Stahlskelettbau aus dem Jahr 1891, gebaut als "Zirkuszelt" für den Circus Busch.
Nun also auch noch Billbrookdeich 167-171, eine Randlage im Osten der Stadt. Wenn dort die einflussreiche Projektentwicklungsfirma ECE von Alexander Otto für ihre Tochtergesellschaft Hermes ein Logistikzentrum mit 250 Arbeitsplätzen bauen will, bei dem ein paar marode Fabrikgebäude aus den Jahren um 1910 abgerissen werden, weil "technische, bauliche und insbesondere betriebsablaufbedingte Anforderungen einen Erhalt des Ensembles oder auch von Teilen davon leider unmöglich machen", so der Pressesprecher von ECE – wen juckt das?
Das dachte sich wohl auch der Hamburger Senat, als er die Genehmigung zum Abriss erteilte. Hinzu kommt: Die Otto-Gruppe gilt als Hamburger Vorzeigeunternehmen. Geleitet wird die ECE von Alexander Otto, dessen Halbbruder Michael ist Hamburger Ehrenbürger. Die ganze Familie engagiert sich vorbildlich in Hamburg, als Stifter und Förderer; sie finanzierte den neuen Eingangsbereich zur Kunsthalle und unterstützt den Behindertensport, sogar der HSV kann sich auf sie verlassen. Da kann man ihnen doch mal einen kleinen Gefallen tun?
Kann man, muss man aber nicht. Denn Denkmalschutz ist kein Handelsobjekt, selbst wenn man das im kaufmännisch geprägten Hamburg zu glauben scheint. Denkmalschutz ist eindeutig gesetzlich geregelt, und das Gesetz ist erst ein paar Jahre alt. Darin wird die Stadt verpflichtet, "durch vorbildliche Unterhaltungsmaßnahmen an Denkmälern für den Wert des kulturellen Erbes in der Öffentlichkeit einzutreten und die Privatinitiative anzuregen" – anzuregen zum Erhalt, nicht zum Abriss.
Die Behörden müssen gefragt werden, wenn von privaten Eigentümern Abrissanträge gestellt werden – schließlich kann hier nicht jeder machen, was er will: Denkmäler sind keine private, sondern eine öffentliche Angelegenheit. Darüber haben schon viele Eigentümer eines Einfamilienhauses geklagt, die zu aufwendiger, teurer Pflege verpflichtet wurden.
Aber der hamburgische Senat darf auch die Abrissgenehmigung von Denkmälern erteilen, "sofern überwiegende öffentliche Interessen dies verlangen". Dazu gehören laut Gesetz der Wohnungsbau, die energetische Sanierung und Rücksicht auf Menschen mit Behinderungen. Das möglichst reibungslose Geldverdienen wird im Gesetz nicht genannt. Deswegen wäre es interessant, in der Senatsdrucksache die Begründung zum Abrissbeschluss zu lesen – darf man aber nicht: ist geheim. Warum? Weil es geheim ist: "Senatsentscheidungen und Drucksachen werden dann als streng vertraulich klassifiziert, wenn das schützenswerte Interesse Dritter, bspw. an Geheimhaltung, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt." Teilt die Pressestelle der Wirtschaftsbehörde mit.
Denn darum geht es: Ein Vorschlag des Denkmalschutzamtes, zumindest eine der drei unter Schutz stehenden Hallen zu erhalten, wurde vom Bauherrn abgelehnt – nicht praktisch, zu teuer. Der Stiftungszweck der von Alexander Otto gegründeten Stiftung Lebendige Stadt ist unter anderem "die Förderung der Kultur sowie der Pflege der Erhaltung von Kulturwerten". In deren Stiftungsrat sitzt übrigens auch der Oberbaudirektor Jörn Walter.
Kommentare
Moin,
da bin ich gerne mit dem Rad (jetzt: Radl) rumgefahren. Und ja, diese alten Industriebauten haben eine Austrahlung die den modernen Hallenbauten gänzlich abgeht.
Aber wenn es um bezahlbare(!) Wohungen geht würde ich das Interesse der Wohungssuchenden voran stellen.
Auch wenn es weh tut.
Howgh
Wo haben Sie gelesen, dass "es um bezahlbare(!) Wohungen" geht?
Kann man sich streiten. Vielleicht dachte der Senat etwa bei der Schilleroper, dass dieses Monstrum, welches eher nach versiffter Gewerbebausünde eines halbblinden Architekten aussieht als nach irgendetwas anderem, von vornherein nicht unter Denkmalschutz gestellt hätte werden sollen. Ist meine persönliche Meinung, ist klar, aber mein Punkt ist: nicht alles, was unter "Denkmal" läuft, verdient nach breitem, allgemeinem Konsens diesen Schutzstatus. Insbesondere wenn man bedenkt, dass manch ein Staat den Denkmalstatus früher mit der Gießkanne zuerkannt hat; Bayern etwa tut es bis heute: es muss nicht denkwürdig sein, nur alt und aufheben kann man ihn immer noch.
Wenn Hamburg das ähnlich praktiziert, ist es kein Wunder, dass eben auch viele Aufhebungen des Denkmalstatus hinten herauskommen, wenn man lieber erst mal schützt und dann später erst genauer hinsieht. Bei einem alten Fabrikbau wie diesem hier etwa frage ich mich, wie viele es in Hamburg gibt. Wenn das das einzige vergleichbare Gebäude ist, wäre es eine Sünde, es abzureißen. Wenn nicht... nun ja, dann ist es eben eine alte Fabrikhalle.
Endlich mal wieder ein ein Logistikzentrum! Da freut das Auge sich doch, wenn man mit dem Fahrrad dran vorbei fährt!
Freie und Abrissstadt Hamburg - und die Schilleroper ist kein versifftes Bausündenmonstrum, genau so wenig ist die alte Industriearchitektur dieses alten Fabrikgebäudes! Schon zu viele wurden davon abgerissen, schon zu viele ein Logistikzentren wurden in eigentlich für den Wohnungsbau attraktiven Lagen gebaut!
Aber da muss nur ein Herr Otto oder Seinesgleichen kommen und die Hamburger Politiker kratzen mit den Füßen.
Das hat leider eine traurige Tradition in Hamburg, Altes einfach abzureissen. Es ist sehr sehr schade, denn diese Bauten sind dann weg, für immer. Stattdessen wird es moderne, seelenlose Logistikhallen geben.
Ich frage mich warum sich in Hamburg niemand für den Erhalt dieses Hanseatischen Erbes einsetzt? Die Otto Stiftungen sind offensichtlich nur Fassade, tue Gutes und sprich darüber, dann werden die Türen geöffnet.
Ehrenhaft ist das nicht. Schade Hamburg!
Da liegt ein Missverständnis vor. Das Hanseatische Erbe besteht eben nicht im Erhalt des Bestehenden, sondern in der konstanten Erneuerung. Diese ist oft durch äußere Einflüsse getrieben, von der Vernichtung der Hammaburg durch die Wikinger über die verschiedenen Stadtbrände bis zum Feuersturm 1943. Daneben gab es aber immer schon den Vorrang des hanseatisch-kaufmännischen Interesses, so z.B. beim Abriss des Gängeviertels oder Bau der Mönckebergstraße. Selbst der Bau des Rathauses forderte bauhistorische Opfer.
Hamburg ist nicht Leipzig. Dort hat man den Charme solcher Ruinen erkennt und baut sie aus. Die Mauern sind kräftig, innen kann meist beliebig entkernt werden. Die Bleichertwerke oder die zum Teil völlig verrotteten Kasernenareale in Gohlis sind gite Beispiele, an denen sich auch Hamburg orientieren sollte.
Auch Hamburg hat viele alte Gebäude, die umgenutzt worden sind. Die gesamte Speicherstadt, in Ottensen, Kampnagel... Aber nicht jede kleine Baracke auf einem Acker am Rande der Stadt bietet sich für einen derartige Umnutzung an.
Und in Leipzig sind auch nicht alle alten Fabrikhallen erhalten worden, sondern nur ein kleiner Teil.