Nijaz Hastor und seine Söhne haben sich in den vergangenen Monaten so viele Feinde gemacht, dass man fast den Überblick verliert. Da ist nicht nur der Chef von Grammer, einem Automobilzulieferer aus Amberg, in den die Hastors investiert haben und bei dem sie die Führung auswechseln wollen. Der Betriebsrat des Unternehmens sorgt sich um Arbeitsplätze. Sogar Vertreter der Wirtschaftsministerien Bayerns und des Bundes warnen vor den Investoren. Und der stärkste Gegner von allen ist der größte Autokonzern der Welt, der wichtigste Kunde des Zulieferers Grammer: Volkswagen.
Was muss man nur tun, um diese ungewöhnliche Koalition gegen sich aufzubringen?
Vordergründig geht es vor allem um Misstrauen, weil die Hastors mit derart undurchsichtigen Methoden nach einem strategisch wichtigen Zulieferer von Autoteilen griffen, dass viele Beteiligte von einer feindlichen Übernahme sprechen.
Tatsächlich aber geht es um mehr. Denn die Unternehmerfamilie attackiert das Geschäftsmodell der Autoindustrie.
Das beruhte jahrzehntelang auf dem Recht des Stärkeren, und die Stärksten waren die großen Autobauer. Wenn sie Geld sparen mussten, gaben sie den Druck an ihre Lieferanten weiter und zwangen sie zu niedrigeren Preisen. Die begehrten nicht auf, weil sie keine Aufträge gefährden wollten.
Ein widerspenstiger Zulieferer legte die Produktion bei VW lahm.
Der Streit um den Autozulieferer Grammer bietet nun einen seltenen Einblick in diesen Verteilungskampf. Hier geht es nicht nur um einseitigen Preisdruck. Es geht um Produktionsstopps und Machtspiele – und mittendrin steckt Hartmut Müller.
Zu Müller passen so aggressive Vokabeln eigentlich nicht. Er ist ein diplomatischer Mann. Doch seit die Familie Hastor nach seinem Unternehmen greift, ist er ungewollt zur zentralen Figur in einem Streit geworden, in dem derlei Vokabeln Alltag sind. Müller ist Vorstandsvorsitzender von Grammer. Das Unternehmen liefert Fahrersitze für Nutzfahrzeuge sowie Armlehnen, Mittelkonsolen und Kopfstützen für Pkw – Jahresumsatz 1,7 Milliarden Euro, Gewinn nach Steuern 45 Millionen. Die wichtigsten Kunden: VW, Daimler, BMW. "Natürlich kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen Zulieferern und Autoherstellern. Aber einen Familienstreit kehrt man doch nicht nach außen", sagt Müller.
Auch VW gibt sich familiär. "Mit dem Großteil unserer Lieferanten pflegen wir langjährige und gute Geschäftsbeziehungen", teilt das Unternehmen mit.
Manager anderer Zulieferer berichten gegenüber der ZEIT dagegen vom brutalen Druck in der Branche. Offen äußert sich kaum jemand, aus Angst, es sich mit den mächtigen Kunden zu verscherzen, die, so heißt es, allesamt ihre Marktmacht ausnutzten. Die Hastors sind bekannt für ihren Kampfgeist. Auch deshalb blickt die Branche auf ihren Einstieg bei Grammer – und darauf, wie Volkswagen reagiert.
Der Automobilkonzern gilt schon allein wegen seiner Größe als besonders harter Kunde. Er sorgt dafür, dass seine Lieferanten keine Geheimnisse vor ihm haben: Sämtliche Kalkulationen müssen sie offenlegen, auch ihre Produktion durchleuchten die VW-Manager bis ins Detail. "Man macht sich völlig nackt", sagt ein Mittelständler, der VW-Lieferant ist.
Kommentare
In der Autoindustrie verschwindet noch immer viel zu viel Geld in den Taschen der Manager - während die normalen Ingenieure mit zweifelhaften Verträgen von Personalfirmen am Leben gehalten werden.
Guter Beitrag. Hat zwar mit dem Thema des Artikels nichts zu tun, aber wenn Sie eine derartige Absonderung als Katharsis benötigen, wer bin ich, dass ich Ihnen im Weg stünde?
Aber wenn wir grade dabei sind: Die wahre Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Autoindustrie besteht zwischen den Kulis der Zulieferer, die für den Mindestlohn am Fließband stehen, und den Kulis der Markenhersteller, die bei halbwegs gutem Jahresabschluss großzügigste Einmalzahlungen erhalten.
"In der Autobranche knebeln die Großen seit Jahren ihre Lieferanten..."
...und erzielen trotzdem eine geringere Umsatzrendite als die Zulieferer.
Zitat: Das beruhte jahrzehntelang auf dem Recht des Stärkeren,
und die Stärksten waren die großen Autobauer.
Wenn sie Geld sparen mussten, gaben sie den Druck an ihre Lieferanten
weiter und zwangen sie zu niedrigeren Preisen. Zitat Ende.
Da drängt sich einem doch die Frage auf, ist die Qualität gleich geblieben?
Die Autohersteller sind doch nur ein Beispiel von vielen.
Große Unternehmen diktieren die Preise, sie fragen bei den Herstellern nicht
zu welchen Konditionen sie liefern könnten.
Nein, sie sagen das Produkt darf max. den Preis von X Euro haben.
Primär können nur Personalkosten/Materialkosten zu Einsparungen führen.
Bei Personalkosten kommt es zu Reduzierungen oder Streichungen von
Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, 13. Gehalt, keine Lohnerhöhungen.
Bei Materialkosten sind es Zukauf von Hersteller in China, Indien usw.
verbunden mit Personalreduzierungen der eigenen Belegschaft.
Womit wir dann wieder ein paar Arbeitslose mehr bekommen.
So geht Marktwirtschaft, aber keine soziale Marktwirtschaft.
Langsam werde ich Fan von den Jugoslawen!
Ich habe selber viele Jahre in bei einem Zulieferer in der Gießereibranche gearbeitet und habe viele Firmen neben uns kaputt gehen sehen.
Auch wenn es für Grammer vielleicht nicht gut ausgeht, finde ich es gut, dass endlich mal jemand den großen auf die Füße tritt. Es sind in den letzten 25 Jahren genug Firmen über die Klinge gesprungen.
Bzgl der Open Book Kalkulation: Das ist erstmal nichts schlechtes. Ursprünglich kommt das von Toyota und deren TPS bzw besser bekannt als Lean Managemant. jedoch wird da darauf geachtet, dass sowohl Toyota, als auch der Lieferant gleich viel Gewinn machen. Das Buch ist also in beide Richtungen offen.