In Stuttgart liegen nur 70 Meter zwischen Anfang und Ende des Diesels. Am Anfang steht die "Schwabengarage", das größte Autohaus Deutschlands: 20.000 Quadratmeter, 1.000 Parkplätze, mehr als 300 Mitarbeiter. In mehreren Showrooms werden Autos angeboten, darunter Ford, Hyundai und Volvo. Daneben eine Waschanlage und eine Werkstatt. Hier nehmen die stolzen Käufer die Schlüssel ihrer Neu- oder Gebrauchtwagen entgegen. In wenigen Monaten könnte es allerdings geschehen, dass sie nicht mehr vom Hof fahren dürfen.
Die Schwabengarage befindet sich in der Stuttgarter Innenstadt, zwischen Neckarstraße und Cannstatter Straße – und 70 Meter weiter steht ein unscheinbarer grauer Klotz in der Größe eines Smart: die Spot-Messstation Am Neckartor. Sie misst in der Luft regelmäßig zu hohe Werte für Feinstaub und Stickoxid. Die Gegend macht deshalb Schlagzeilen als dreckigste Nachbarschaft Deutschlands. Und weil die Stadt das Abgasproblem nicht in den Griff kriegt, drohen ab Januar Fahrverbote für Diesel in der Innenstadt. "Ich kann unseren Kunden nicht mehr guten Gewissens den Kauf eines Diesels empfehlen", sagt ein Mitarbeiter der Schwabengarage. "Wer weiß schon, wie das Verbot aussehen wird?"
Dieselbesitzer fragen, wie lange sie ihr Auto noch fahren können. "Uns erreichen täglich Hunderte, manchmal Tausende Anfragen von Mitgliedern, wie man sich jetzt am besten verhalten sollte", sagt Ulrich Klaus Becker, Vizepräsident des ADAC. "Wer sich vor ein, zwei Jahren ein Auto gekauft hat, spürt jetzt schon Einbußen."
Der Kampf um die saubere Luft
Für Farah Mohamed, 46, käme das einer Enteignung gleich. Der Übersetzer parkt seinen VW Passat gegenüber der Schwabengarage: "Als ich den vor fünf Jahren gekauft habe, war alles gut, es klang sogar so, als sollten wir alle Dieselautos kaufen. Und jetzt? Klar ist die Luft schlecht, aber ich frage mich, wie ich zur Arbeit kommen soll, wenn das Verbot kommt."
Der Diesel ist in Deutschland – anders als in den USA oder Japan – kein Nischenprodukt: Fast jedes zweite neu zugelassene Auto hat diesen Antrieb, über 15 Millionen brummen über die Straßen. Doch nun brechen harte Zeiten für Dieselbesitzer an, nicht nur in Stuttgart. Der Münchner Oberbürgermeister hält Fahrverbote für denkbar. Hamburg kündigt an, Hauptverkehrsstraßen für den Diesel zu sperren.
Vielerorts stehen die Bürgermeister unter Druck: Gegen 17 Städte laufen Klagen, weil sie ihre Luft nicht sauber halten. Verlieren sie diese Verfahren, drohen Fahrverbote, die dann quer durch Deutschland angeordnet werden könnten. In Berlin und Düsseldorf, in Mainz und Gelsenkirchen, in Frankfurt, Essen und Aachen. Das Szenario zeigt schon Wirkung. Die Neuzulassungen für Diesel sinken, die Preise für solche Gebrauchtwagen fallen, und sie stehen im Schnitt zwölf Tage länger beim Händler als Benziner. Erste Unternehmen wie die Fischfirma Deutsche See ersetzen Dieselfahrzeuge in ihren Flotten. Und die deutsche Autoindustrie steht vor dem größten Umbruch ihrer Geschichte.
Inzwischen hat der Streit um saubere Luft und schmutzige Motoren die hohe Politik erreicht. Ebenso wie der baden-württembergische Kollege Winfried Kretschmann will Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer die Fahrverbote noch abwenden. "Ich habe das Thema mit der Bundeskanzlerin besprochen, auch die sieht hier bundesweit Handlungsbedarf", sagte er vergangene Woche. Die Bundesregierung will mit Autoherstellern über Nachrüstungen sprechen.
Längst sind nicht alle juristischen und politischen Kämpfe ausgetragen. Fest steht aber, dass die selbstzündenden Autos in Zukunft nicht mehr unbehelligt die Luft verpesten werden. Bleibt die Frage, wie lange der Verbrennungsmotor dann noch überlebt – und wer am Ende die Rechnung bezahlt.
Remo Klinger, 47, hat das alles ins Rollen gebracht. Er hat seine Anwaltskanzlei in einem schicken Altbau nahe dem Berliner Ku’damm. Ein Lüster aus Murano-Glas ziert den Empfangsraum, im Besprechungszimmer hängt Kunst des 19. Jahrhunderts, goldgerahmt. "Wir waren nie eine Birkenstock-Kanzlei", sagt Klinger. Bloß seine Ideen sind radikal grün, jedenfalls nach den Maßstäben der Autorepublik Deutschland.
Kommentare
>"Gerade ältere Menschen müssen doch mobil sein. Stuttgart ist nun mal eine Autostadt" (Karola Joos, 74, Rentnerin und Dieselbesitzerin in Stuttgart)<
Dieselfahrzeuge sind doch höchstens für Vielfahrer attraktiv. Wie oft / wie viel benötigen Rentner ein Auto? Ich habe meins ganz abgeschafft, seitdem ich nicht mehr arbeite, und fühle mich in meiner Mobilität nicht eingeschränkt. Zur Not tut's auch ab und zu ein Taxi oder ein Mietwagen.
>"Ich fahre 35 Kilometer zur Arbeit ins Zentrum und zurück. Mit der Bahn bräuchte ich drei Stunden" (Andreas Jeutter, 45, Art Director und Dieselbesitzer in Stuttgart)<
Nur mal so als Anregung: Mit dem Auto an den Stadtrand fahren und dann weiter ins Zentrum mit dem ÖPNV.
Die Anwohner am Stadtrand werden sich vor Begeisterung kaum halten können. Ich wohne direkt an einer U-Bahnhaltestelle und finde es wunderbar, dass in unserer winzigen Stichstrasse die Leute aus dem Umland die Parkplätze besetzen und neben Dreck und Gestank, von morgens 5 bis nachts um 1 laufend die Autotüren knallen, man sich noch laut palavernd Geschichten erzählen muss und Motoren gestartet werden. Ja das Leben am Stadtrand ist besonders im warmen Sommer, wenn man gerne mal das Schlafzimmerfenster offen lassen würde, bunt und abwechslungsreich. Und Schlaf wird eh überwertet.
Ich finde es persönlich gut wenn die Dieselfahrzeuge aus dem Stadtverkehr gezogen werden. Leider sind es aber die Falschen die die Zeche zahlen müssen, die Autobesitzer, die noch guten Gewissens einen Diesel gekauft haben, weil dieser doch CO2 spart und weniger verbraucht.
Alle Dieselbesitzer müssten also in Sammelklagen an die Autokonzerne gehen und eine Umrüstung erzwingen oder anderweitige Entschädigungen.
Leider werden diese dann wieder zur Regierung gehen und jammern dass sie dies nicht bezahlen können ohne pleite zu gehen und am Ende zahlen wir es doch alle über die Steuern. So ein Mist. Schließlich sind es eben auch Regierungsvertreter gewesen die gegenüber den Lobbyisten der Autokonzerne umgefallen sind bei der Schärfung der Abgasregelungen. Ist eigentlich sehr peinlich dass die USA es waren die unserer Autoindustrie die rote Karte zeigen musste und damit den Stein ins Rollen brachte.
Angeschwärzt bei den Amis hat die Dieselfahrzeuge übrigens ein deutsches Institut.
Selbst wären die nie darauf gekommen.
Die Umweltverschmutzung interessierte dabei nur am Rande. Ist ja klar, denn Amischlitten verbrauchen noch immer viel, viel mehr Sprit und pusten entsprechend mehr Dreck in die Landschaft als deutsche Autos.
Interessant war lediglich die falsche und betrügerische Angabe über die Abgaswerte. Damit konnte man nach amerikanischem Recht horrende Schadenersatzforderungen durchsetzen.
Der betrogene deutsche Autofahrer guckt in die Röhre.
Wann hört das einseitige Dieselverteufelung mal auf? Klar machen Verbrennungsmotoren jede Menge Dreck. Klar muss man diesen reduzieren.
Aber der Diesel ist jetzt doch nur das dringend benötige Bauernopfer. Messen wir mal genauso gründlich alle Benziner
nach.
Dann wäre der Skandal perfekt. Da traut sich jetzt keiner ran. Denn dann wäre die Autonation D endgültig im A....
"Denn dann wäre die Autonation D endgültig im A...."
Haaa. Es gibt wahrlich schlimmeres .
Und stolz kann man darauf auch nicht sein ...
Ich hatte die Wahl Diesel oder Elektro, ich wählte Diesel aufgrund der schlechten Infrastruktur und weil ich persönlich lieber auf Brennstoffzelle warten wollte.... Ich gehe zu Fluss zur Arbeit und zahle dafür entsprechend höhere Miete, welche ich im Gegensatz zur Pendlerpauschale steuerlich nicht absetzen kann. Ich für mich bräuchte kein Auto, aber solange ich meine Leute Pflege will ich nicht auf ein auto verzichten, denn samstags nachts um 3 Uhr bekommt man weder Mietwagen, noch taxi und schon gar keinen Nahverkehr. Und um einen Mietwagen für einen Ausflug mit Eltern und Rollstuhl zu kriegen, kostet ein Heidengeld und muss eine Woche vor geplant werden. Ich fahre unter 5000 km im Jahr und werde aufgrund meines innerstädtischen Wohnortes meinen Diesel verstecken müssen. Dreifache Bestrafung... Weil die Bundespolitik zu faul ist, Infrastruktur zu planen.
Die Bestrafung erfolgt für schlechtes Planen: Bei <5000km einen Diesel kaufen war schon im Vorfeld eine Milchmädchenrechnung.
Alternative wäre ein Hybrid gewesen, oder ein sparsamer Benziner.
Nicht alles auf die BRD schieben ... lieber besser rechnen!