Der Aufsichtsrat von Vattenfall, in dem die Stadt vertreten ist, muss es allerdings noch beschließen. Das könnte im Detail schwierig werden, heißt es in Kerstans Behörde. Im Prinzip seien Politik und Wirtschaft aber einig, und vor allem: Der Kohleausstieg bis zum Jahr 2025 ist nicht mehr strittig.
Soll man all das glauben? Kerstans Leute wären nicht die Ersten, die sich in Fragen der Energiewirtschaft verrechnet hätten, weil passend gemacht werden sollte, was nicht passt. Allerdings ist das, was sie zu berechnen haben, vergleichsweise trivial. Alle früheren Pläne für die Zukunft der Hamburger Fernwärme sahen den Bau neuer Heizkraftwerke vor, die gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen. Damit bliebe das Fernwärmenetz unlösbar verwoben mit der in Zeiten der Energiewende unberechenbaren Zukunft der deutschen Stromwirtschaft.
Gemessen daran haben es die Mitarbeiter der Behörde für Umwelt und Energie leicht. Mit ihren Plänen trennen sie die Wärme- fast vollständig von der Stromproduktion. Die Zukunft der Elektrizitätswirtschaft muss sie daher nicht beschäftigen. Da sie keine Kohle und nur relativ wenig Erdgas verwenden wollen, sind sie zudem weniger als bisher auf Vermutungen über die langfristige Entwicklung auf den Weltmärkten für Fossilenergien angewiesen. Übrig bleiben vergleichsweise einfache Fragen: Was kostet die Technik? Leistet sie, was sie soll? Lassen sich Lieferketten für Biomasse organisieren und langfristig sichern? Wie hoch sind die Zinsen? Auf welche Preise für Abwärme kann man sich mit den Hamburger Industriebetrieben verständigen?
Diese Fragen sind offenbar im Wesentlichen beantwortet. Wenn das stimmt, kann die Revolution losgehen.
Was bedeutet das für die Parteien?
Wer sich den Grünen nicht anschließt, wirkt überholt
In Hamburg gerät jede Landtagswahl zur energiepolitischen Richtungsentscheidung. Strom, Wärme, der Rückkauf der Energienetze – all das ist heiß umstritten. Jede neue Regierung könnte der Versuchung erliegen, abzureißen, was ihre Vorgänger aufgebaut haben, und von vorne anzufangen. Eine politische Wende ist daher auch die größte Gefahr für die grüne Wärmewende. Was bleibt von den Plänen des grünen Umweltsenators, falls die Grünen nach der Landtagswahl 2020 in der nächsten Landesregierung nicht vertreten sind?
Die Vorstellungen von CDU und FDP stehen den grünen Ideen diametral entgegen: Sie wollen das Kohlekraftwerk Moorburg, das bislang hauptsächlich Strom erzeugt, doch noch an das Fernwärmenetz anschließen. Dafür wird sich allerdings kaum je eine politische Mehrheit finden. Es bedürfte eines politischen Erdrutsches, um Christ- und Freidemokraten gemeinsam an die Regierung zu bringen und SPD und Grüne in die Opposition zu schicken. Und selbst wenn es so käme, müsste eine rechtsliberale Moorburg-Koalition sich mit den kampagnenfähigen Umweltverbänden auseinandersetzen, die den letzten Volksentscheid über die Hamburger Energiepolitik gegen eine überwältigende Mehrheit unter den Bürgerschaftsparteien gewonnen haben.
Die Schlüsselrolle fällt darum den Sozialdemokraten zu. Würden sie unter anderen Mehrheitsverhältnissen die Energiepolitik dieser rot-grünen Legislatur aufgeben?
Kommentare
Ein sehr langer Artikel mit leider sehr wenig Fakten und Neuigkeiten.
Da dies nicht der erste Drieschner-Artikel ist, der unkritisch das umstrittene Konzept der BUE zur HH Fernwärme bejubelt, muß man ketzerisch die Frage stellen:
ist Herr Drieschner noch Journalist oder schon 2. Pressesprecher der BUE?
Auf die schnelle nur drei Fakten, die zu dieser Frage berechtigen:
1. Revolution
Quatsch. Was nämlich Herr Drieschner trotz besserem Wissen verschweigt: der Großteil der "revolutionären neuen Fernwärme" südlich der Elbe im Plan von Senator Kerstan/BUE soll aus der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm in die neue Elbtrasse eingespeist werden.
Fernwärme aus Müllverbrennung ist nun aber nun alles andere als revolutionär, sondern wird in vielen anderen Städten seit Jahren praktiziert.
Im übrigen auch schon im kleineren Maßstab in HH.
Ökologisch ist Müllverbrennungswärme nicht, sondern primär billig. So wie Kohle.
Und grundsätzlich sollte Müll auch besser vermieden statt verbrannt werden.
2. Ausstieg aus der Kohle
Hier bewegt sich F. Drieschner schon nah an einer "fake news", wenn er das Konzept von Kerstan/BUE mit einem Hamburger Kohleausstieg in Verbindung setzt.
Ist es doch gerade das Konzept der BUE, das sich auf die Kohlewärme aus dem KoKW Moorburg stützt. Und zwar dadurch, daß diese Kohlewärme die Müllverbrennungswärme südlich der Elbe ersetzt, damit diese dann nördlich der Elbe genutzt werden kann. Ökologischer Nutzen: Fehlanzeige.
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Fortsetzung:
Mogelpackungsindikator: hoch.
Profiteur dieser Mogelpackung: Vattenfall, denn durch den deal würde das defizitäre KoKW Moorburg seine Verluste erheblich verringern und Vattenfall kann wieder hoffen, doch noch einen Käufer für das Ding zu finden.
3. Neuigkeitsgehalt
Grundsätzlich wärmt der Artikel nur das auf, was einschlägige Kreise schon seit Monaten diskutieren. Das Konzept von Kerstan/BUE liegt nämlich schon seit Frühjahr vor, und seitdem haben verschiedenste NGO und Energieexperten fundierte Kritik geübt und ein schnelleres, ökologischeres und günstigeres "Nord-Szenrio" entworfen.
Davon aber liest man bei Drieschner kein Wort, obwohl im dieses Konzept durchaus bekannt ist oder mindestens sein sollte, wenn er sich ernsthaft mit der Hamburger Fernwärme beschäftigt hat.
Fazit:
Inhaltlich weist Drieschners Artikel noch viele weitere Schwächen auf, aber das würde hier den Platz sprengen.
Die Fakten verhalten sich also ziemlich gegensätzlich zu dem, was Drieschner in seinem Artikel beschreibt. Denn anders, als er suggeriert, gehen Vattenfall und BUE Hand in Hand. Auch interessant: die im Bereich Energie engagierten Grünen in HH gehen aus inhaltlichen Gründen zu sichtbarer Distanz zu den Plänen der BUE.
Bei Drieschner kein Wort wert.
Die Grünen und die LINKE diskutieren das Thema immerhin; bei SPD, CDU und FDP herrscht dagegen Ahnungslosigkeit.
Daß Drieschner es besser kann, ist bekannt. Stellt sich also die Frage, warum er bei diesem Thema wiederholt patzt.
Der Artikel kommt recht oberflächlich daher. Ein kritischer und informierter Blick hinter die wolkigen Ankündigungen vom besprochenen Konzept würde ich in der Zeit schon erwarten. Stattdessen wird vielfach das Wort 'offenbar' verwendet.
Es empfiehlt sich hingegen die Lektüre des Kommentars von green-washing.org.