Manchmal ist es die Andersartigkeit, für die man gerade noch gefeiert wurde, die einem im nächsten Moment zum Verhängnis wird. Als Frank Haubitz sich vor zwei Monaten der Öffentlichkeit präsentierte, als neuer Kultusminister Sachsens, da entschuldigte er sich zunächst für sein Outfit. Haubitz trug ein luftiges Hemd, Jeans und Turnschuhe. Das liege daran, dass er gerade aus der Schule komme: "Ich hab schnell noch drei Stunden Sport vertreten."
Die anwesenden Journalisten lachten fröhlich: Was für ein erfrischender Typ! Ein echter Lehrer! Das wird ja spannend! Haubitz’ Ernennung war eine Sensation: Er, ein parteiloser Schulleiter des Gymnasiums Dresden-Klotzsche, übernahm als Minister das heikelste Ressort des Freistaats. Diese Personalentscheidung sollte ein Befreiungsschlag sein: Denn kaum irgendwo in Deutschland ist der Lehrermangel so gravierend wie in Sachsen. Dass die AfD hier zur Bundestagswahl so stark geworden ist, erklärten sich viele in der CDU auch mit dem katastrophalen Start des Schuljahres im September. Kein anderes Bundesland tut sich so schwer damit, junge Pädagogen zu finden.
Frank Haubitz, der Quereinsteiger, sollte dieses Problem lösen. Man sah ihn fortan in Lederschuhen.
Aber jetzt, nur acht Wochen später, kann er seine Sneakers wieder aus dem Schrank holen. Denn Haubitz wurde entlassen. Sachsens neuer Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), ein Bildungspolitiker, hat entschieden, ihn durch einen Parteisoldaten zu ersetzen. Vor allem weil Haubitz sich im Streit um Lehrer-Verbeamtungen in Sachsens CDU-Fraktion unbeliebt gemacht hatte. Weil er zu forsch vorgegangen war, zu wenig professionell. Weil er das getan hatte, wofür man ihn doch eigentlich geholt hatte.
Aus dem Fall Haubitz kann man zweierlei lernen: Erstens, dass ein guter Lehrer noch lange kein guter Politiker sein muss. Denn der Mann, der unkonventionell sein sollte, scheiterte just in dem Moment, in dem er anfing, sich tatsächlich unkonventionell zu verhalten. Man sieht aber, zweitens, vor allem, wie nahezu unlösbar das Lehrermangel-Problem im einstigen Pisa-Musterland Sachsen inzwischen ist.
Frank Haubitz mangelte es nicht an Selbstbewusstsein. "Man hat den Fehler gemacht, zu sagen: Lehrer sein kann jeder", das sagte er schon an jenem Tag, an dem er sich in Turnschuhen vorstellte. Er wolle Lösungen finden, um die Lehrer wieder zu motivieren, und ihnen "die Wertschätzung entgegenbringen, die sie verdient haben". Haubitz wirkte damals wie einer, der sich freut, endlich selbst die Probleme zu lösen, die er immer nur beklagt hatte.
Kommentare
Ein ganz klassischer ˋDeal´ & Arroganz der Macht.
Ich lebe hier in Sachsen und habe schulpflichtige Kinder. Die Wahl von Michael Kretschmer zum Ministerpräsidenten war seitens der CDU - Landtagsfraktion gekoppelt an die Entfernung von Haubitz aus dem Amt. Das ist hier in Sachsen ein offenes Geheimnis.
Die Situation in der schulischen Praxis wird sich dadurch in Sachsen für Schüler, Lehrer und Eltern - und auch für die Kultusadministration - weiter verschärfen aber das interessiert weder die Mehrheit im Sächsischen Landtag noch in der Staatsregierung. Ein schulischer Praktiker wird ersetzt durch einen langjährigen Junge Union-Kameraden von Michael Kretschmer, leider ohne jedwede Praxis im schulischen Bereich.
Sachsen wäre auch nicht Sachsen, wenn es anders gekommen wäre und sich die alten Sächsischen Unions-Kader nicht wie gehabt durchgesetzt hätten.
Aus der Sicht eines betroffenen Vaters ist die Personalie Haubitz allerdings eine Katastrophe.
Ulrich Ingenlath, Bautzen
Volle Zustimmung. Allerdings ist die Personalie nicht nur eine Katastrophe für Sie als Vater sondern ganz allgemein für die Gesellschaft.
Darüberhinaus ist der Vorgang sinnbildlich für die gesamte Republik, anstatt Probleme zu lösen werden sie verwaltet. Und das betrifft nicht nur den Bildungssektor. Und wenn, ja wenn, mal eine(r) kommt und das Problem tatsächlich lösen, eventuell sogar jemand Kompetentes, dann ist diese Person nicht lange im Amt.
Kann mich noch gut an eine Veranstaltung an der TU Chemnitz um die Jahrtausendwende erinnern, bei der der damalige Kultusminister zugegen war und erklärte, dass man den zukünftigen Bedarf genau berechnet habe, nicht mehr so viele Lehrer brauchen würde und daher das entsprechende Studium in Dresden konzentrieren könne/müsse (bis dahin gab es das auch in Chemnitz). Scheint nicht die letzte Fehlkalkulation gewesen zu sein.
Schade. Einerseits für die Lehrer, die sicher eine Verbeamtung verdient hätten - wenn andere Kollegen sie auch haben.
Schade auch, weil dann weiter der dringend benötigte GESCHICHTS- und Politikunterricht zu kurz kommt. Da gibt es seit Jahren wohl schwere Defizite.
Der Unterrichtsausfall in beiden Teilbereichen ist nicht größer als in anderen Fachrichtungen, die Lernerfolge überdurchschnittlich im nationalen Vergleich und der lehrplangemäße Anteil nicht kleiner als in anderen Bundesländern, mit 15 Stunden Geschichte am Gymnasium teilweise sogar dramatisch höher als in anderen Bundesländern (Nordrhein-Westfalen 9). Ich wüsste nicht, warum gerade diese Fächer besondere Probleme darstellen sollten.
Glaubt nicht, dass es in anderen Bundesländern so anders aussieht. Schulen sind das Sparschwein der Landesregierungen, egal von welcher Partei.
Seit über 40 Jahren wird im Schulbereich gespart. Die Ergebnisse sind entsprechend.
Wer hat Schuld? Ehrlich gesagt, die Eltern. Die gutbetuchten weichen auf Privatschulen aus, die anderen lassen sich alles gefallen.
Das politische Ziel liegt auf der Hand. Bildung für die 'Eliten', ansonsten, seht zu, wo ihr bleibt.
In anderen Bundesländern wird im Moment verbeamtet. Und zwar jeder der bei drei nicht den Raum verlassen hat. In großen Stuan Gymnasien mag es noch ein paar Bewerber mehr als Stellen geben, ansonsten sieht es überall echt übel aus. Und Berlin ist immerhin noch Berlin, aber in Plauen Lehrer werden, als Angestellter, wenn man ansonsten freie Wahl hat? Ja, nee.