Hätte jemand die vergangenen Jahrzehnte im Tiefschlaf verbracht und würde in einem deutschen Klassenzimmer wieder aufwachen, er bekäme den Eindruck, die Welt sei fast wie früher. An der Tafel ein Lehrer, vor den Schülern liegen Bücher. Nur in den Pausen würde der Langschläfer sich wundern: Statt Fangen zu spielen, bearbeiten viele Schüler mit ihren Daumen kleine rechteckige Fernseher.
Tatsächlich zeigt sich die Schule von der Digitalisierung noch immer wenig berührt. Außerhalb des Klassenzimmers sind Schüler wie Lehrer permanent online. Im Unterricht jedoch geht es weitgehend analog zu. Langsame Netzverbindungen und veraltete Hardware, fehlende Unterrichtskonzepte sowie eine antiquierte Lehrerausbildung – die Gründe, warum Computer im Klassenzimmer bis heute eine marginale Rolle spielen, sind durch Studien gut ausgeleuchtet. Nur jeder dritte Lehrer ist mit der Bandbreite des Internetzugangs seiner Schule zufrieden (Monitor Digitale Bildung), ein Drittel der Geräte ist aus technischen Gründen nicht nutzbar (Deutscher Philologenverband), 90 Prozent der Pädagogen beklagen einen fehlenden IT-Support (Branchenverband Bitkom).
"Selbstkritisch muss man sagen, dass wir uns bei der digitalen Bildung nicht in der internationalen Spitzenposition befinden", erklärt Bildungsministerin Johanna Wanka. Die Wirklichkeit sieht düsterer aus, wie eine internationale Vergleichsuntersuchung zeigt. Danach liegen deutsche Schüler mit ihren Computerkenntnissen im Mittelfeld. Bei der Nutzung digitaler Medien im Unterricht landete die Bundesrepublik gar auf dem letzten Platz.
Alle haben verstanden, dass Deutschlands Schulen digitale Nachhilfe benötigen. Selbst ein Programm liegt bereits vor. Es heißt "DigitalPakt Schule" und sieht so aus: Die Bundesregierung rüstet 40.000 Schulen mit moderner Technik aus. Im Gegenzug machen die Bundesländer die Digitalisierung zum Hauptfach ihrer Schulpolitik. Eine neue Regierung müsste den Plan nur noch umsetzen. Eine bessere Bildung ist damit aber nicht garantiert. Zwar ist es faszinierend, wie das Internet den Unterricht verändern kann. Im Englischunterricht chattet die Klasse per Skype mit der Partnerschule in Australien. Ob das die Schüler schlauer macht, ist allerdings nicht bewiesen. "Die verstärkte Nutzung digitaler Medien", schreibt die OECD in einem Bericht, "führt offensichtlich nicht per se zu besseren Schülerleistungen."
Kommentare
Wenn ein Besuch aller Lehrer auf der Learntec in Karlsruhe zum Pflichtprogramm erhoben würde, könnten die mal sehen, was es alles an Entwicklungen an und für Schulen gibt. Dann entstünde auch ein entsprechender Nachfragedruck. So reden nur die Blinden von der Farbe während die Zeit verstreicht.
Es gibt vieles, nur ist nicht alles tauglich in realen Unterrichtssituationen.
Elektronische Medien sind nicht durchgehend als Ersatz für herkömmliche Unterrichtsmittel das non plus ultra für alle Schüler und Schülerinnen. Gibt inzwischen auf Studien dazu, die man ernst nehmen sollte.
Klar muss Deutschland seine Schüler auf die digitale Arbeitswelt vorbereiten.
Bevor man Mittel in die Hand nimmt, muss aber eine fruchtbare Diskussion stattfinden, welche Fähigkeiten gefördert werden sollen und wie man diese bei welchen Schülern erreicht. Nur schnelles Internet an den Schulen und Computerausstattung nach dem Gießkannenprinzip ist da reiner Aktionismus.
Es stimmt. Schüler sind heute oft online. Aber bereitet Daddeln, Surfen, Twittern etc. auf die Digitalisierung vor, oder schaffen wir uns da eine Generation, die sich nicht mehr in Ruhe konzentrieren kann.
Smartboard und Tablets haben meiner Meinung nach an Grundschulen nichts zu suchen, zumal die Unterhaltungskosten gigantisch sind. In den Grundschulen sollte weiter das Lesen, das Schreiben mit der Hand, Rechnen und anderes Grundwissen sowie Sport im Vordergrund stehen.
In den weiterführenden Schulen sollte strukturiertes Denken, Mathematik und Informatik mehr gefördert werden. Und dazu muss es ausreichend qualifiziertes Lehrpersonal geben und natürlich die notwendige technische Ausstattung. Programmieren kann man auch spielerisch lernen, z.B. mit Lego mindstorm.
Programmieren ist auch nur ein Teilziel.
Man sollte viel eher mit Grundlagen anfangen. Aufnehmen, Schreiben, Fotografieren. Datenbanken. Office. Teilen.
Dann kann man das Internet zuschalten. Mit Recherche, Lernsoftware, Social Media.
Nebenbei laufen müsste die rechtliche Unterfütterung (was darf ich, was nicht?) und natürlich die pädagogische Unterfütterung (Wie schütze ich mich? Wie schütze ich andere?).
Was man alles mit einem iPad oder Surface machen kann, ist längst nicht ausgeschöpft.
Ich träume z.B. von eBooks statt Schulbüchern. Die Dinger stehen der Schule als Lizenz zur Verfügung, die Schule vergibt Jahreslizenzen an Schüler, keiner schleppt sich Tod, jeder hat immer alle Bücher dabei. Kann sogar drin rummalen und schreiben, wenn wir PDFs nutzen.
Bin jetzt nach dem Studium 1 Jahr im Schuldienst, ob ich es bis zur Pension erlebe, dass digitale Bildung zum Alltag von Schule gehören?
Was bringt die "Nutzung digitaler Medien im Unterricht" den Schülern beim Lernen für große Vorteile? Informatik ist auch nicht Computer bedienen.
Die Nutzung digitaler Medien ist ja nicht gleich Informatik.
Das fängt ja schon da an, dass man in einem normalen Klassenzimmer nicht mal ein einfaches Video zeigen kann ohne sich Tage vorher in irgendwelche Ausleihlisten für Fernsehgerät/Beamer einschreiben zu müssen. Im schlimmsten Fall sind die Geräte dann auch noch in so einem Zustand, dass sie nur noch zu bestimmten Planetenkonstellationen zur Arbeit zu bewegen sind.
Digitalisierung sollte nur nicht um der Digitalisierung willen geschehen.
Dazu braucht es Unterrichtskonzepte hinter denen Lehrer und Schulleitung stehen können, Schulungen für die Lehrer, die selbst nicht sicher in der digitalen Welt bewegen und wie auch schon im Artikel angesprochen, schnell verfügbare IT-Hilfe damit, wenn im ungünstigsten Moment das Maschinenkarma zuschlägt und die Technik versagt, der Unterricht nicht aufgrund von "Digitalisierung" ausfallen muss.
An der Schule meiner Freundin (Junglehrerin) ist zusätzlich so wenig Technik vorhanden, dass hier privat angeschaffte Beamer und Rechner Tag für Tag hin- und hergeschleppt werden dürfen.
Die meisten (auch Jung-)Lehrer die ich kenne verzichten auf Unterrichtsvorbereitung einer "digitalen" Stunde, weil sie sich nie sicher sein können, dass die tolle elektronische Tafel am kommenden Tag dann auch funktioniert. Tafel, Kreide und Lehrbuch funktionieren immer.