Ulrich Kasparick ist kein Mann, der gerne Reden hält. Deshalb, sagt er, sei er Staatssekretär geworden, zuerst im Bildungsministerium, dann, bis 2009, im Verkehrsministerium. Da müsse man nicht viel reden, sondern entscheiden. Anschließend arbeitete er sechs Jahre in seinem ursprünglichen Beruf, als Pfarrer in der Uckermark. Seine Gemeinde bestand aus vielen kleinen, versprengten Ortschaften, in denen er unmöglich überall präsent sein konnte. Also nutzte er lieber die sozialen Medien, um Projekte auf die Beine zu stellen. Kasparick, so kann man es vielleicht zusammenfassen, packt die Dinge gerne so an, dass er auch mit wenigen Worten viel bewirken kann.
Nun, im Ruhestand, hat er eine Online-Petition gestartet. Sie ist gerade mal fünf Sätze lang. Die Forderung: Der Bund soll sein Geld aus allen Unternehmen abziehen, die mit fossilen Energien Geschäfte machen. Es könne doch nicht sein, findet Kasparick, dass die Regierung den Klimawandel einerseits bekämpfe, ihn aber gleichzeitig mit ihren Investments weiter befeuere. Für den ehemaligen Staatssekretär ist es auch eine Frage der Generationengerechtigkeit. Drei Enkel hat er. Er sagt: "Ich will mich von ihnen später nicht fragen lassen müssen, warum ich nichts unternommen habe."
Kasparick ist mit seiner Petition nicht allein. Es gibt einen zweiten Aufruf, der dasselbe fordert. Formuliert hat ihn fast zeitgleich eine Gruppe von Aktivisten namens Fossil Free Deutschland. Vor zwei Jahren hat sie bereits Berlin dazu gebracht, als erstes Bundesland seine Pensionsgelder in Höhe von 823 Millionen Euro nicht mehr in Kohle, Öl und Gas zu investieren. Später folgte Bremen mit einem ähnlichen Beschluss, auch Städte wie Freiburg, Münster oder Göttingen haben klimafreundliche Anlageregeln festgelegt. Nun, finden die Aktivisten, ist der Bund an der Reihe. Als Teil einer weltweiten Bewegung wollen sie dem Klimawandel den finanziellen Nährboden entziehen. Ihre Forderung: "Divest!" Was so viel bedeutet wie: Zieht euer Geld ab! Die Klimaschützer nutzen die kapitalistische Logik für ihre eigenen Zwecke.
Darf das Geld der Pensionäre so angelegt werden, dass es ihren Enkeln schadet?
Was in Deutschland gerade erst richtig Fahrt aufnimmt, hat in anderen Ländern schon viele Milliarden bewegt. Zuletzt verkündete der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio Anfang des Jahres, seine Stadt werde die 189 Milliarden Dollar ihres Rentenfonds künftig nicht mehr in Kohle, Öl und Gas investieren. Auch die katholische Kirche macht inzwischen mit. Ebenso diverse Universitäten, Stiftungen, Pensionsfonds und sogar Versicherungen. Insgesamt haben sich mehr als 850 Organisationen der Bewegung angeschlossen. Zusammen verfügen sie über sechs Billionen Dollar.
In Deutschland ist der Bund das bisher größte Ziel der Aktivisten. Wie wird er auf ihre Forderung reagieren? Warum kauft er überhaupt Aktien von Unternehmen? Und um wie viel Geld geht es dabei?
Euro stecken in drei Pensionsfonds des Bundes. Bislang investieren sie auch in fossile Energien.
Euro stecken in drei Pensionsfonds des Bundes. Bislang investieren sie auch in fossile Energien.
Derzeit überweist der Bund rund 600.000 Pensionären jeden Monat ihre Altersbezüge. Hinzu kommen 300.000 aktive Beamte, Richter und Soldaten. Auch sie werden irgendwann in den Ruhestand gehen. Für den Bund ist das eine gewaltige finanzielle Belastung. Laut Vermögensrechnung des Finanzministeriums summieren sich die Verpflichtungen auf 478 Milliarden Euro. Um diesen Berg an künftigen Pensionszahlungen später nicht allein aus laufenden Steuereinnahmen abtragen zu müssen, betreibt der Bund Vorsorge, zumindest ein bisschen. 16,1 Milliarden Euro lagern in zwei Pensionstöpfen, dem "Versorgungsfonds des Bundes" und der "Versorgungsrücklage des Bundes". Hinzu kommt der "Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit" mit 6,5 Milliarden Euro. So teilt es das Bundesinnenministerium, das die Pensionsfonds verwaltet, auf Anfrage der ZEIT mit. Insgesamt geht es also um 22,6 Milliarden Euro.
Kommentare
Ja, besser wären wohl Investitionen in SolarWorld und Co. gewesen. Ah ne, halt, da war ja was.
Wenn man konstante Renditen durch Dividenden in Höhe von 5-8% (als Privatanleger vor Steuern) erzielen möchte, sind die Ölgiganten Shell, StatOil und Co. nunmal keine schlechte Wahl im Portfolio - auch nicht für einen Pensionsfond.
Das Land, in dem ich wohne, unterhält auch einen kleinen Pensionsfond (ca. 1 Billion US-Dollar) und hält aktuell u.a. Anteile an Total, Shell und ExxonMobil.
Wenn man diese Unternehmen alle meidet, muss man fast zwangsläufig mehr in Hochrisikoaktien stecken um Rendite zu erzielen und da wird das Gejammer bei der nächsten Marktkorrektur dann auch nicht geringer sein ("Wie kann man nur so verantwortungslos agieren" blabla)
Ich würde die Ölgiganten nun nicht gerade als risikoarm betrachten. Die Branche hat in den letzten vier Jahren aufgrund des Ölpreis-Verfalls ihre größte Krise durchgemacht, die genannten Firmen haben teils heftige Verluste geschrieben und mussten sich mit massiven Sparmaßnahmen, Umstrukturierungen und Stellenkürzungen wieder in die schwarzen Zahlen kämpfen. Fast eine halbe Million (!) Mitarbeiter haben ihre Jobs verloren. Durch neue gesetzliche Rahmenbedingungen und erneuerbare Energien wird der Druck in den nächsten Jahren weiter zunehmen.
Und lassen Sie in den nächsten Wochen oder Monaten mal einen Krieg zwischen dem Iran und Israel ausbrechen, dann geht der Ölpreis direkt nochmal auf Talfahrt.
Aktuell profitieren die Unternehmen natürlich davon, dass der Ölpreis wieder auf 70 Dollar hochgegangen ist. Der Ausstieg der USA aus dem Atomdeal und die folgenden Sanktionen gegen die Iran werden das noch etwas befeuern. Gewinnentscheidungen kalkulieren die Unternehmen aktuell mit rund 50 Dollar pro Barrel, da ist also etwas Luft.
Ein großer Krieg im Nahen Osten schwebt aber aktuell als enormes Risiko über dem Markt und kann den Preis auch ganz schnell wieder kippen lassen. Das ist ein absolut reales Risiko für Anleger.
Der Bund sollte angesichts sprudelnder Steuereinnahmen lieber überhaupt erstmal die perspektivisch benötigten Rücklagen bilden:
"Laut Vermögensrechnung des Finanzministeriums summieren sich die Verpflichtungen auf 478 Milliarden Euro. Um diesen Berg an künftigen Pensionszahlungen später nicht allein aus laufenden Steuereinnahmen abtragen zu müssen, betreibt der Bund Vorsorge, zumindest ein bisschen. 16,1 Milliarden Euro lagern in zwei Pensionstöpfen, dem "Versorgungsfonds des Bundes" und der "Versorgungsrücklage des Bundes". Hinzu kommt der "Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit" mit 6,5 Milliarden Euro. So teilt es das Bundesinnenministerium, das die Pensionsfonds verwaltet, auf Anfrage der ZEIT mit. Insgesamt geht es also um 22,6 Milliarden Euro."
478 Milliarden Euro
Also hört endlich auf, bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Beiträge auf Deubel komm raus zu senken, sondern legt endlich was zurück.
Und dann auch gerne nachhaltig.
Aber tut es endlich.
Besser pauschal die "Aktivisten" ignorieren, egal in welchem Zusammenhang.
"Normale" Energie völlig selbstverständlich als moralisch fagwürdig darstellen. Aber nein, der Zeitgeist ist natürlich nicht links/grün ...;-)