Aus dem Wust bedrückender Nachrichten aus Russland heraus ließe sich eine leuchtende Geschichte herausgreifen, die von unglaublichem Erfolg jenseits von Gas, Öl oder Rüstung erzählt. Kein oligarchischer Glücksritter spielt darin die Hauptrolle, sondern ein aufstrebender Internet-Unternehmer namens Pawel Durow, der erst das russische Facebook namens Vkontakte entwickelt hat und Jahre später den Messenger-Dienst Telegram, der international erfolgreich ist.
Wladimir Putin könnte sich mit dieser Geschichte schmücken, sie der Welt vorführen, wenn wieder über ein unsicheres Investitionsklima oder das dürftige Bruttoinlandsprodukt gelästert wird. Er könnte mit ihr allen zeigen, was nicht offensichtlich ist: dass viele solcher talentierter Durows in Russland leben und dass die IT-Branche boomt. Sie führt mittlerweile Leistungen für 8,5 Milliarden Dollar ins Ausland aus, was immerhin der Hälfte der russischen Waffenexporte entspricht. Sie trägt etwa fünf Prozent zur Wirtschaftsleistung bei, womit sich Russland entwickelten Industrienationen annähert. Sie beschäftigt die weltweit besten Informatiker – gerade erst holten russische Universitäten beim Programmierwettbewerb in Peking zwei von vier Goldmedaillen.
Aber der russische Staat gibt nichts auf Erfolgsgeschichten wie die von Pawel Durow. Wenn sie ihm nicht passen, macht er sie sogar kaputt.
Der russische Inlandsgeheimdienst FSB verlangt von Pawel Durow die Sicherheitsschlüssel für Telegram, also einen Zugriff auf die Nachrichten, die die Nutzer des Programms hin- und herschicken. Er will lesen können, was bislang verborgen ist. Dabei ist die Verschlüsselung gerade die Besonderheit von Telegram und der Grund dafür, dass der Dienst überall auf der Welt verwendet wird. Pawel Durow rückt die Schlüssel nicht heraus, weshalb ein Moskauer Bezirksgericht verfügt hat, dass Telegram blockiert werden muss. Der übereifrige Erfüllungsgehilfe, die russische Medienaufsicht Roskomnadsor, schritt sogleich zur Tat – und blockiert nun, um die Nutzung von Telegram unmöglich zu machen, wie von Sinnen IP-Adressen in Russland. Dabei werden auch andere erwischt als Telegram selbst. Den Kollateralschaden beim Kampf zwischen Pawel Durow und dem russischen Staat haben unter anderem: die Internet-Seiten von Blumenläden oder Lieferservices, Amazon, Yandex, Banken, Bauern mit vollautomatisierten Treibhäusern, Kleinunternehmer, Handwerker. Selbst die staatliche Medienagentur Ruptly wurde kurzzeitig versehentlich gesperrt.
Nie zuvor gab es in Russland einen so massiven Angriff des Staates auf das eigene Internet. "Das ist, als wollte man einen Menschen daran hindern, seine Wohnung zu betreten – und sperrte dafür die Straße und das Viertel ab", klagt der Internet-Ombudsmann des russischen Präsidenten, Dmitri Marinitschew. Er ist selbst IT-Unternehmer, macht Geschäfte mit Datenverarbeitung und Kryptowährungen und kann sich derzeit vor Anrufen verzweifelter Geschäftsleute kaum retten. Auch Marinitschew versteht die Internet-Politik der Regierung nicht mehr. Er hält sie für einen Versuch, die Zukunft auszusperren, bei dem unzählige Kleinunternehmer ruiniert und eine Gesellschaft "degradiert" würde: Der Staat entscheidet, der Bürger nimmt es hin.
Der russische Staat wäre wohl gern so allmächtig wie der chinesische, der das Internet lückenlos kontrolliert – er ist es aber nicht. Eine umfassende Firewall, eine digitale Schutzmauer um das ganze Land, wurde hier nie gebaut.
Deshalb funktioniert auch Telegram in Russland weiter, trotz gerichtlicher Sperranordnung. Wer in Russland blockierte Seiten lesen oder auf blockierte Dienste zugreifen will – und in Russland waren im vergangenen Jahr mehr als 120.000 Websites gesperrt, bei steigender Tendenz –, kann sich mühelos eine Software herunterladen, die VPN genannt wird. Das ist eine Art Umleitungsprogramm für Daten, das den Standort des Nutzers verschleiert. Und während die Medienaufsicht Roskomnadsor Pawel Durow jagt, zieht Durow einfach von Server zu Server um. Man weiß, dass selbst im Kreml und im Außenministerium Telegram nach wie vor genutzt wird – trotz Sperre.
Man könnte darüber lachen, wäre es nicht so ernst. In der 2016 neu verabschiedeten "Doktrin für Informationssicherheit" ist zwar die Rede davon, dass die digitale Welt Wirtschaftswachstum bedeute und russische IT-Unternehmen konkurrenzfähig sein müssten. Aber es wird kein Zweifel daran gelassen, dass diese Welt die "politische Stabilität" bedrohe. Man wähnt sich von Feinden umkreist. Dass die größte staatliche Attacke auf die russische Netzwelt Wladimir Putins nächste Amtszeit einläutet, lässt erkennen: Putin sieht im Netz endgültig mehr Bedrohung als Chance. Mit verheerenden Folgen für die aufstrebende Branche.
Pawel Durow hat schon vor Jahren Russland verlassen. Würde er nicht im Exil, sondern wie früher in St. Petersburg leben, bekäme er wohl erhebliche Probleme. In St. Petersburg begann seine IT-Karriere. Schon als Schüler habe Durow eine "Internet-Ikone" werden wollen und sich schwergetan mit Autoritäten, schreibt der Journalist Nikolai Kononow in seinem Buch "Der Durow-Code". Später gründet er gemeinsam mit seinem Bruder Nikolaj nach dem Vorbild Facebook eine digitale Austauschplattform für Studenten und nennt sie Vkontakte.
Kommentare
Nun ja, wir haben das Netzwerk-Durchsetzungsgesetz und bekommen (derzeit in Bayern, aber bald ganz sicher auch schon in ganz Deutschland) das schärfste Polizeigesetz seit 1945, dazu das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz. Vor beidem warnt Heribert Prantl eindringlich.
Und wie sieht es bei uns mit der Meinungsfreiheit aus, wenn ich jetzt z. B. sage, dass mir die offizielle Version von 9/11 nicht geheuer ist, sie sogar anzweifle? Na, was passiert dann? Dann wird diese Meinung mit der Bemerkung gestrichen, dass es sich um eine krude Verschwörungstheorie handelt.
Und wo bezieht Josef Joffe seine Instruktionen? Dies wissen wir auch seit der Anstalt vom 29.04.2014. Meinungsfreiheit in Deutschland? Informationsfreiheit in Deutschland? Wenn alle nur noch schreiben, was sie schreiben sollen, nur um nicht rauszufliegen?
Und in wessen Auftrag schreibt Alice Bota, was sie schreibt?
Och, hört doch auf, auf Putin zu schimpfen. Fasst euch an die eigene Nase, da gibt es schon genug Schleim, der mal abgeputzt zu werden sich lohnte.
Ach herrje. Gleich alle Vorurteile gegen Putinisten werden bestätigt:
1. Negative Berichte gegenüber Russland werden mit Whataboutisms beantwortet, die wiederum auf vollkommen schiefen Vergleichen, unbelegten Unterstellungen und Verzerrungen beruhen.
2. Negative Berichte über Russland werden schlicht als Auftragsarbeit abqualifiziert - natürlich ebenfalls ohne dies zu belegen.
3. Scheinbelege werden angeführt (Die Anstalt, die sich später selber statirisch-selbstkritisch über die eigene entsprechende Sendung äußerte).
4. Der Putinist gibt sich selbst als Verschwörungstheoretiker zu erkennen (9/11).
Hey! Sie werden hier nicht dauerhaft gesperrt, von der Polizei abgeführt oder sonst wie unter Druck gesetzt, wenn Sie Ihre Meinung äußern! Seien Sie froh darum.
Ansonsten: "Geh doch nach drüben!"
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Beleidigungen. Danke, die Redaktion/mf
Widerlich, Ihre Propaganda(schau), durchsetzt mit Beleidigungen aus dem untersten Gossenniveau
Ja, Putin orientiert sich am Großen Drachen China, der es schon weitgehend geschafft, das eigene Internet zu zähmen. Was übrigens noch vor ~10 Jahren für unmöglich gehalten wurde. Heute arbeiten ganze Armeen an ihren Monitoren daran, auch noch die winzigste Unmutsäußerungen zu löschen und jeden potentiellen Ausweg im Netz zu blockieren. Und das Schlimme: Die großen Player wie Facebook und Google sind zu Kreuze gekrochen, weil sie den Markt nicht verlieren wollten.
Und nun? Hat China sein eigenes Netz mit eigenen Playern.
Loose-Loose-Situation.
Ja, das ist schade. Man kann leider nicht mehr frei mit chinesischen Bekannten kommunizieren. Leider fängt das hierzulande auch schon an. Und viele machen auch freiwillig mit dem System des unfreien Netzes mit, indem sie z. B. mit Datensammlern wie Facebooks WhatsApp kommunizieren. Eine traurige Entwicklung.
Der wahre Hauptgrund dürfte nicht die Quellcodes bzw. Schüssel (die auch) sondern der Durows geplante ICO sein, wodurch man die Schwächung der heimischen Wirtschaft fürchtet. Ergo wird dies zur Kapitalflucht aus Russland führen, da sich unter den Investoren zahlreiche russischen Milliardäre befinden sollen.
Die Kapitalflucht läuft doch schon seit Jahren, ganz ohne Durovs ICO. Nicht Durov hat das Vertrauen der Wirtschaft in den Staat zerstört, sondern der russische Staat demonstriert täglich aufs Neue, dass man ihm nicht trauen kann.