Ein Gemälde im Goldrahmen, weder besonders groß noch detailgetreu oder überraschend. Eher unauffällig und bei genauer Betrachtung auch ziemlich unscharf, ja fast verwaschen kommt das Porträt von Edmond de Belamy daher, das einen dunkel gekleideten Adligen aus dem 18. Jahrhundert zeigen könnte. Das New Yorker Auktionshaus Christie’s versteigerte dieses Porträt in der vergangenen Woche für 432.500 Dollar und übertraf den geschätzten Wert damit um mehr als das Vierzigfache. Das Bild wurde mittels künstlicher Intelligenz (KI) hergestellt, dem anonym Bietenden war diese Revolution offenbar einiges wert.
Das Porträt entstand auf dem Computer. Nicht mal die abgebildete Person hat je gelebt: Herr Belamy ist Teil einer fiktiven elfköpfigen Adelsfamilie. Den Stammbaum der Familie hat sich das Pariser Künstlerkollektiv Obvious ausgedacht. Die Mitglieder Hugo Caselles-Dupré, Pierre Fautrel und Gauthier Vernier wollen mit ihrer Arbeit Kunst und maschinelles Lernen verbinden. Sie haben die KI zum Einsatz gebracht – insofern lässt sich darüber streiten, ob sie nicht doch irgendwie selbst die Schöpfer der insgesamt elf Porträts sind, von denen das erste versteigert wurde. Signiert haben sie das Porträt jedenfalls mit einer mathematischen Formel, die die "Arbeitsbeziehung" zwischen den zwei wichtigsten Algorithmen darstellt, die am Prozess beteiligt waren.
Doch den Streit um die Urheberschaft haben die drei Franzosen damit nicht beigelegt. Denn neben der Frage, ob die KI Erschaffer oder doch nur Werkzeug war, bleibt unklar, wer sie programmierte. Obvious hat sich Hilfe bei dem 19-jährigen Highschool-Absolventen Robbie Barrat geholt. Der ist seit drei Jahren auf einer Entwicklerplattform namens GitHub aktiv, teilt und diskutiert dort Software-Codes mit anderen Nutzern, darunter Caselles-Dupré. Nach intensiven Tüfteleien stellte Barrat der Internetgemeinde Anfang des Jahres die zwei Algorithmen für ein sogenanntes neuronales Netz zum Download zur Verfügung. Ein solches Netz, in Fachkreisen "Generative Adversarial Network", ist die Art von KI, die für die Produktion solcher Bilder wie der Belamy-Porträts benötigt wird. Der erste Algorithmus ist der "Generator": Er entwirft auf Grundlage einer Datenbank von realen Vergleichsbildern ein eigenes, neues Bild. Der zweite Algorithmus oder "Discriminator" prüft es auf Echtheit. Er soll entscheiden, ob das Bild von einem menschlichen Künstler stammen könnte oder ob ihm der Generator eines unterjubeln will. Dann wird es abgelehnt. Der Generator lernt aus seinen Fehlern und erschafft immer realistischere Bilder, bis er den Prüfalgorithmus überlisten kann.
Auf diesen Wettstreit lernfähiger Algorithmen bauten auch Caselles-Dupré und seine beiden Kollegen. Sie fütterten ihr Programm nach eigener Aussage mit 15.000 Porträts vom 14. bis zum 20. Jahrhundert, um die Familie Belamy zu kreieren.
Sofort nach der Christie’s-Auktion empörte sich Robbie Barrat auf Twitter. Er hält sich für den Urheber und postete – versehen mit einem zynischen Kommentar – den Link zu seinen Software-Codes: "Falls jemand von euch schnelle 10.000 Dollar mit meiner Arbeit machen will, jetzt ist die perfekte Zeit." Er zeigte auch eigene KI-Porträts, die Edmond de Belamy ziemlich ähnlich sahen. Obvious stritt die Verwendung der Codes gar nicht ab, konterte dies aber mit mehreren eigenen Bildern, die während des Lernprozesses auf dem Weg zum fertigen Porträt entstanden waren. Die Arbeit liege nicht nur in der Programmierung, sondern auch in der zielgerichteten Anwendung der Software.
Diebstahl geistigen Eigentums kann Barrat den Franzosen allem Anschein nach ohnehin nicht vorwerfen, hat er die Algorithmen-Codes seinerzeit doch als Open-Source-Software online gestellt, also mit der Lizenz zur beliebigen Verwendung. Unter Programmierern ist es üblich, solche frei zugängliche Software zu nutzen, zu testen, weiterzuentwickeln – und wiederum mit anderen zu teilen. Das Prinzip: Jeder soll an der Entwicklung teilhaben können, der Fortschritt steht im Vordergrund. Das wohl bekannteste Open-Source-Projekt ist das Computerbetriebssystem Linux. Und auch die Online-Plattform GitHub, auf der Barrat seine Codes teilte, verwendet dafür ein Open-Source-System.
Nur geht es selten so schnell um so viel Geld. Ein Twitter-Nutzer forderte daher, den Programmierer auszuzahlen, andere plädierten für mehr Transparenz unter Entwicklern. Ob das Künstlerkollektiv der jungen KI-Kunst-Szene mit der Aktion einen Gefallen getan hat, bleibt somit umstritten. Ebenso wie die Frage, wem am Ende der Großteil der Arbeit am Porträt von Edmond de Belamy zuzuschreiben ist.
Kommentare
Der Erfolg hat viele Väter.
Dieses Verhalten ist auch in künstlich wenig intelligent.
"...dem anonym Bietenden war diese Revolution offenbar einiges wert."
Offenbar nicht nur dem erfolgreichen Bieter.
1. Es heißt "Betriebssystem".
"Computerbetriebssystem" schreibt man nur im Kreuzworträtsel.
2. Was sind denn bitte Codes?
Hier ist wohl das Wort Sourcecode oder repositories angebracht.
Das Wort Codes ist in nahezu an allen Stellen falsch.
- Software-Codes
- Algorithmen-Codes
Obvious stritt die Verwendung der Codes gar nicht ab
Es heisst des Codes!
Bitte nochmal gegenlesen lassen.
"Es heisst des Codes!"
Nicht im Plural!
Es ist besser, nicht zu korrigieren, als falsch zu korrigieren!
Kunst überschreitet immer wieder Grenzen, insofern handelt es sich um ein ganz witziges Experiment - zumal es die Banalität einer KI-Ästhetik vor Augen führt.
...'witziges Experiment' - vor Lachen krieg ich mich garnicht mehr ein. Das ist ja so ein 'witziges Experiment' - kann mit dem Lachen nicht mehr aufhören vor Witz.
Warum sollte jemand beteiligt werden der das Werkzeug herstellt? Wenn ich ein Musikstück aufnehme kommt auch nicht Yamaha und Roland und halten die Hand auf. Die Werkzeuge wurden vorher ordentlich lizensiert und jetzt stellt sich die Frage nicht.
Wenn der oben genannte Herr sein Tool für lau anbietet muss er damit rechnen das andere das in Ihrem künstlerischen Prozess verwenden. Es gibt sehr wohl freie Lizenzen die kommerzielle Verwendung untersagen, die hätte er problemlos verwenden können. Sehe da jetzt blos Neid (und natürlich ist das Schade für ihn wenn andere mit seiner Entwicklung Geld machen, solche Sachen sollte man sich aber immer vorher überlegen und entsprechende Lizenzen verwenden).
Ich stimme ihnen zu.
Es ist allerdings auch nicht unüblich, für ein Open Source Projekt zu spenden, wenn man daraus einen größeren Nutzen ziehen konnte.