DIE ZEIT: Herr Kettner, das Wiener Schnitzel hat es in den Wahlkampf geschafft. Es dürfe kein Luxus werden, sagen die einen, andere verlangen eine Fleischsteuer. Das Thema scheint ein Reizpunkt in Österreich zu sein. Wie wichtig ist das Schnitzel für den Hauptstadttourismus?
Norbert Kettner: Für das Marketing ist es eine gute Ressource. Die meisten Gäste, die zu uns kommen, probieren die Wiener Küche zumindest einmal aus. Mehlspeisen und Schnitzel stehen für die Stadt, und die Menschen verbinden es damit. Ob die jetzt alle das richtige Bild vom Schnitzel haben, sei dahingestellt.
ZEIT: Es ist für die Werbung der Stadt wichtig?
Kettner: Es gehört zum Facettenreichtum und zum Image dieser Millionenstadt, die Genuss zulässt und eine barocke Üppigkeit hat.
ZEIT: Städte wie Barcelona, Venedig, aber auch Hallstatt ächzen unter Touristenmassen, Einheimische wehren sich mittlerweile sogar dagegen. Steht das auch in Wien bevor?
Kettner: Man kann die Probleme, die der Massentourismus produziert, nicht wegleugnen. An bestimmten Tagen haben manche in Wien das Gefühl, dass es zu viel ist. Und natürlich gibt es Auswirkungen und Auswüchse, die benennen wir.
ZEIT: Nämlich?
Kettner: Wir befragen über das ganze Jahr hinweg 3700 Wiener, wie es ihnen mit dem Tourismus geht. 94 Prozent sagen uns, es geht ihnen damit gut. Das ist ein riesiger Wert, ob wir den in den nächsten Jahren halten können, weiß ich nicht. Wenn wir dann aber genauer in die Befragungsergebnisse blicken, erkennen wir, dass die Probleme, die gesehen werden, selten mit Touristen zu tun haben. Da geht es dann vor allem um die Verramschung des öffentlichen Raums.
ZEIT: Verramschung ist ein hartes Wort, was verstehen Sie darunter?
Kettner: Rikschafahrer, Souvenirshops oder Ticketverkäufer im Mozartkostüm. Jeder Zeitungsstand, der in einen Touristenshop umgewandelt wird, regt Leute auf. Man hat das Gefühl, die Autorität über den eigenen Ort ein wenig zu verlieren. Das muss man ernst nehmen. Der Nutzungsdruck auf den ersten Bezirk, und von dem reden wir ja, ist hoch. Wir müssen uns um all diese Probleme und die Bevölkerung kümmern, sonst werden wir irgendwann mit unseren Touristen aus der Stadt gejagt. Gleichzeitig ist der Tourismus eine wunderbare Projektionsfläche für Wutbürger, die letztendlich einfach keine Menschen wollen.
ZEIT: Finden Sie?
Kettner: Das begleitet die Diskussion schon, ja. Der Tourist ist immer der andere, und ich bin eine Insel. Wenn ich mit Hausbesitzern im ersten Bezirk rede, dann erklären sie mir, wie schlecht das Publikum sei, vermieten aber gleichzeitig ihre Erdgeschosse an Souvenirshops. Also nach dem Motto: Wenn ich daran verdiene, ist es super. Wir leben in einer Zwei-Millionen-Stadt in einem 3,5-Millionen-Großraum. Im ersten Bezirk arbeiten 100.000 Menschen, bei 16.000 Einwohnern. Da wird es schon ab und zu voll. Wenn jemand sagt, er wolle im Zentrum einer Millionenstadt wohnen, aber keine Menschen sehen, dann kann ich nicht helfen.
ZEIT: Der Tourismus in Wien stieg rasant an, im Jahr 2007 gab es rund vier Millionen Ankünfte, zehn Jahre später mehr als sieben Millionen. Da kann man schon mal die Übersicht verlieren.
Kettner: Das Zusammenleben in der Stadt wird jeden Tag neu verhandelt. Wien wurde angelegt für vier Millionen Einwohner. Da ist noch Puffer.
ZEIT: Aber wie lange kann das noch gut gehen?
Kettner: Es gibt nicht den einen Punkt, an dem man sagt, es reicht. Es gibt zeitliche Perioden, vor den Feiertagen im Dezember zum Beispiel, da wird es sehr eng. Aber wo ziehe ich die Grenze? Das ist übrigens auch ein Verteilungsproblem. Die Kärntnerstraße ist voll, und zwei, drei Straßen weiter ist es fast leer. Das sind die Herausforderungen, die einem in Wien begegnen.
ZEIT: In anderen Städten will die Bevölkerung das Zusammenleben mit Touristen nicht mehr groß verhandeln.
Kettner: Unser Vorteil ist, dass Wien im Gegensatz zu Prag oder Amsterdam schon im 19. Jahrhundert technisch zur Weltmetropole umgeplant wurde und durch einen großen Stadtentwicklungsprozess gegangen ist. Und: Die Plattformökonomie spielt in den Städten, die Sie ansprechen, eine problematische Rolle.
Kommentare
Das ist eine Folge des Kapitalismus und der Egozentrik.
Außerdem kommt noch Langeweile dazu.
Seit wann ist es allen möglich, ständig zu reisen?
"Seit wann ist es allen möglich, ständig zu reisen?"
Um genau zu sein, seit dem 35. Mai neunzehnhunderteinundleipzig um 18.27 Uhr ...
"DIE ZEIT: Herr Kettner, das Wiener Schnitzel hat es in den Wahlkampf geschafft. Es dürfe kein Luxus werden, sagen die einen, andere verlangen eine Fleischsteuer."
A echts Weana Schnitzl muaß so groß sei wia a Abortdeckl und so zoart wie Futlapperl.
"A echts Weana Schnitzl muaß so groß sei wia a Abortdeckl und so zoart wie Futlapperl."
mögliche Übersetzung:
Ein echtes Wiener Schnitzel muss größer sein als der Teller, auf dem es liegt und das Fleisch muss so zart sein, dass man Lust bekommt, immer mehr davon zu essen.
;-)
Ich versteh die Art zu reisen nicht. Die berühmtesten Flecken mit hunderten/tausenden von Fremden ansehen, ein Foto machen und weiter.
Heute kann man sich über das Internet diese Gebäude wunderbar ansehen und jedes Detail betrachten.
Beim Reisen geh ich lieber zu Orten, die nicht jeder besucht.
Und wo bitte sind die, wenn nicht gerade jwd.
Ich kenne etliche Orte noch vor der Weltkulturerbezeit, diese Eindrücke möchte ich mir bewahren und nicht mit Tausenden noch irgendwo durchgeschleust werden.
Wenn wir Wien besuchen, da familiär verknüpft, machen wir als Wohnmobilisten, immer Station auf: https://www.promobil.de/stel…
Wir haben Fahrräder dabei und die U-Linie 6 ist in 5 Minuten zu erreichen.
Wir lieben Wien und danach geht es weiter an den Neusiedler See und weiter und weiter.
Mit dem Rad kann man gut abseits der Touri-Ströme unterwegs sein, Wien hat soviel zu bieten jenseits des Stephan-Domes.