Manchmal drehen Debatten sich radikal. So geschieht es gerade mit jener um die Schuldenbremse. Vor zehn Jahren war sie für Ökonomen das Nonplusultra, um die Ausgabelust der Politiker zu bremsen. Seit 2011 gilt sie, also seit gerade einmal acht Jahren. Doch jetzt ist alles anders. Die Regel steht unter Beschuss. Und das nicht vonseiten der Politiker, sondern der Ökonomen. Eine ganze Reihe von ihnen will sie plötzlich abschaffen. Sogar einst entschiedene Befürworter haben die Seiten gewechselt.
Sie haben drei Argumente. Erstens: Es ist gerade so billig wie nie, sich zu verschulden. Zweitens: Die Wirtschaft läuft so schlecht, dass ein Konjunkturprogramm notwendig werden könnte, was leichter ohne Schuldenbremse ginge, weil der Staat dann nicht anderswo sparen oder Steuern erhöhen müsste. Drittens: Deutschland braucht jetzt so viele Investitionen, dass das Geld nur reicht, wenn man die Schuldenbremse abschafft.
Was das erste Argument angeht: Ja, Deutschland kann sich derzeit tatsächlich unfassbar günstig verschulden, die Zinsen sind auf einem Tiefstand. Davon profitiert der Bundeshaushalt allerdings schon seit Langem. Denn auch unter der Schuldenbremse nimmt der Staat laufend neue Kredite auf, um alte, die auslaufen, tilgen zu können. Eingeschränkt sind durch die Bremse nur solche Schulden, die die Gesamtverschuldung des Bundes ansteigen lassen. Dass es gerade billig ist, ist sowieso kein hinreichender Grund, sich weiter zu verschulden. Es kommt darauf an, ob man das Geld überhaupt braucht. Schließlich deckt sich auch niemand mit – sagen wir – Hunderten Staubwedeln im Ein-Euro-Shop ein, nur weil sie dort unschlagbar günstig sind.
Es sind also die Argumente zwei und drei, die zentral sind: Konjunktur und Investitionen. Es stellt sich die Frage: Wie viel könnte der Bund schon jetzt zusätzlich dafür ausgeben, ohne die Schuldenbremse abzuschaffen? Viele Stimmen in der Debatte klingen gerade, als habe der Bund dafür gar nichts übrig. Doch so ist es nicht.
Ständig werden die Regeln für Kredite mit der schwarzen Null verwechselt
Der falsche Eindruck entsteht bisweilen, weil zwei Begriffe durcheinandergeworfen werden: die Schuldenbremse und die schwarze Null. Sogar die CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sie schon verwechselt. Dabei gibt es Unterschiede. Die schwarze Null ist radikaler. Im Bundeshaushalt bedeutet sie: Es darf gar keine zusätzlichen Kredite über das bestehende Niveau hinaus geben. Damit werden die Schulden zwar nicht weniger. Aber wenn die Wirtschaft wächst, sinkt das Verhältnis der Schulden zur Wirtschaftsleistung, an dem man die Solidität der Finanzen misst. In Deutschland war das zuletzt so.
Die Schuldenbremse, so wie sie im Grundgesetz steht, verlangt hingegen keine schwarze Null. Sie erlaubt, dass die Verschuldung des Bundes um bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigt. Das wären aktuell knapp zwölf Milliarden Euro im Jahr. Dieser Spielraum ist 2019 etwas kleiner, vor allem aus konjunkturellen Gründen (in Wachstumsphasen wird er etwas eingeschränkt, um in schlechten Zeiten mehr zu haben). Laut Auskunft des Finanzministeriums könnten im Jahr 2019 aber noch gut sechs Milliarden Euro für zusätzliche Ausgaben verwendet werden, im Jahr 2020 wären es nach derzeitigem Stand knapp zehn Milliarden.
Diese Summen sind allerdings hinfällig, falls die Konjunktur zusammenbricht. Schon im Grundgesetz steht, dass es Regelungen geben kann für eine "von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung". Im Abschwung ist also eine deutlich höhere Verschuldung möglich. Weshalb Argument zwei für die Schuldenbremse nicht überzeugt. Sollte Deutschland in die Rezession stürzen, lässt sich auch mit der Bremse weiteres Geld lockermachen.
Bleibt Argument drei: die Investitionen. Ökonomen sind sich recht einig, dass Deutschland mehr davon gebrauchen könnte: vielleicht staatliche, sicher private, die der Staat etwa mit neuen Abschreibungsregelungen erleichtern kann. Das kostet Einnahmen. Ob das ohne Lockerung der Schuldenbremse geht, hängt davon ab, was man genau macht. Der Finanzminister könnte zur Finanzierung auch die zehn Milliarden Euro verwenden, die er 2020 noch zusätzlich aufnehmen kann. Zudem gibt es nach Jahren hoher Steuereinnahmen versteckte Töpfe. So etwa die Rücklage für Flüchtlingskosten. Inoffiziell gilt sie schon lange eher als Haushaltsrücklage für schlechte Zeiten. Sie umfasst 35 Milliarden Euro. Bislang wurde sie nicht angetastet. Doch schon jetzt hat Finanzminister Olaf Scholz für 2020 etwas aus diesem Topf eingeplant. Da ginge vielleicht mehr, wenn es denn um zeitlich begrenzte Ausgaben geht. Und natürlich kann man immer auch an anderer Stelle sparen, etwa bei Subventionen, statt Schulden aufzunehmen.
Kommentare
Erstes Halbjahr 2029 45 Milliarden Überschuss in D. Ich schlage vor, erst einmal den Überschuss sinnvoll zu investieren.
2019 natürlich.
Es muss etwas geschehen, aber es darf nichts passieren.
Die niedrigen Zinsen bekommt Deutschland nicht trotz der 1,9 Billionen Schulden,
die Deutschland noch hat.
sondern wegen der Schuldensperren, die Deutschland eingerichtet hat,
die den Schuldenzuwachs bremsen und die Restschuldentragfähigkeit erhöhen.
Die Aufgabe der Schuldengrundsätze für einen zum Schuldenstand kleinen zinslosen Neu-Kreditbetrag,
gefährdet womöglich den riesigen Vermögensvorteil der dauerhaft zinsgünstigsten Umschuldung des 1,9 Billionen Schuldenstands an Anleger,
die Deutschland in Krisenzeiten als sicheren Hafen und Garant für eingehegte Ausgabenpolitik beurteilen.
Diesen Vorteil zu begünstigter Zinsverschuldung bekommt man teilweise auch wegen des Beweises,
in knapperer Finanzlage trotzdem sparsam wirtschaften zu können.
Derzeit weiteres Geld in einen überhitzten Markt zu pumpen, ist völliger Unsinn und treibt nur weiter die Preise nach oben. Kein einziger Handwerker, Bauingenieur, Pflegekraft usw. fällt deshalb zusätzlich vom Himmel.
Wir haben mehr als genug Arbeit, es fehlt an Fachkräften - und nicht am Geld.
In schlechten Zeiten Schulden machen um die Konjunktur anzutreiben, kann ich verstehen. Und in guten Zeiten sollte es dann genau umgekehrt sein. Wir haben gerade gute Zeiten, sehr gute Zeiten.
Welche Preise?
Wenn die Handwerksbranche vollbeschäftig ist, wie es den Anschein hat, äussert sich ein Nachfrageanstieg nun mal in Preiserhöhungen, der Preis pro Handwerkerstunde steigt.
Die guten Zeiten sind vorbei.
Aber es kommen auch keine schlechten Zeiten.
„Wir haben gerade gute Zeiten, sehr gute Zeiten.“
Schauen Sie einfach mal unter IFO-Geschäftsklimaindex (seit Sommer 2018 rückläufig und auf dem Stand des Jahres 2011) im Internet und gleichen Sie das Vorgestellte mit der Realität ab.
Dieser Index sagt garnichts aus. Es ist praktisch nur eine Umfrage was Unternehmer erwarten.
"IFO-Geschäftsklimaindex "
Der hat überhaupt keine Aussagekraft.
Davon habe ich noch gar nichts mitbekommen. Wollen Sie sagen, dass die Handwerker derzeit mehr verdienen, weil sie angeblich so rar sind?
Es sieht noch so aus, als hätten wir gute Zeiten. Nur ist es seit dem 3. Quartal 2018 nicht mehr so. Die Automobilindustrie hat bereits Kurzarbeit angekündigt, Produktionshelfer werden nach den Sommerferien angebot wie saures Bier. Die schlechten Zeiten rollen auf uns zu und da wir kaum etwas zu bieten haben, außer Autos, wo gerade ein Strukturwandel stattfindet oder besser längst stattgefunden haben müsste, werden sie lange dauern. Andere Wirtschafts zweige sind mitbetroffen. Nächstes Jahr um diese Zeit haben wir wahrscheinlich 2 Millionen Arbeitslose, Tendenz steigend. Für die brauchen wir neue Arbeit. Das wird schwierig, denn nicht alle eignen sich für Handwerk, Bau und Pflege. Aber irgendwo werden wir sie unterbringen müssen. Und deshalb sind öffentliche Investitionen notwendig. Die Frage ist halt, wo man am vernünftigsten investiert, um politische Ziele der Zukunft zu erreichen. Die jetzige Regierung hat keine Zukunft, die ist nur an ihrem Machterhalt interessiert.
Es gäbe genügend langfristig angelegte Projekte, in die sich wirtschaftlich und sozialpolitisch zu investieren lohnt: Energiewende, Bildung, Pflege
Haben Sie in Ihre Glaskugel gesehen? Und Sie haben festgestellt, dass wir im nächsten Jahr 2 Millonen Arbeitslose haben werden?
Dann ist das weniger als wir bisher haben.
Wahrscheinlich meinen Sie "2 Mio. Arbeitslose mehr". Das ist reine Spekulation und spekulieren sollte man nicht, auch nicht mit Steuereinnahmen.
Die für Investitionen bereitgestellten Gelder können schon heute nicht völlig ausgegeben werden, weil Genehmigungsverfahren zu lange dauern, weil die Bauindustrie ausgebucht ist und daher exorbitante Preise verlangt, wodurch die Immobilienpreise steigen...............
Nein, es ist an der Zeit, dass sich das Marktgeschehen ein wenig beruhigt. Wenn es notwendig sein sollte, kann man eingreifen, aber dieser Punkt ist noch lange nicht erreicht.
Wir haben bereits jetzt über 2 Millionen Arbeitslose, das ist sogar die offizielle Statistik. Bereinigt man die Statistik um diejenigen, die einfach herausgerechnet werden, haben wir momentan bereits über 3 Millionen Arbeitslose.
https://www.die-linke.de/the…
Entfernt. Bitte formulieren Sie Kritik sachlich und differenziert. Danke, die Redaktion/mh
Erstens: Es ist gerade so billig wie nie, sich zu verschulden.
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Das bedeutet auch: es kann bald so teuer wie nie werden, verschuldet zu sein.
.....warum denn?