Auf dem Kulturforum in Berlin, zwischen der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe und der Philharmonie von Scharoun, will der Bund ein neues Museum errichten. Seitdem der Entwurf der Architekten Herzog & de Meuron vorliegt, wird darüber gestritten: Der Bau sei zu groß, zu hässlich, zu teuer, lautet die Kritik. Auch bleibe unklar, warum Berlin noch ein weiteres Ausstellungshaus brauche. Hier verteidigt die Unternehmerin Gabriele Quandt das Vorhaben, sie ist seit 2014 die Vorsitzende des Vereins der Freunde der Nationalgalerie. Die endgültige Entscheidung soll der Bundestag im November treffen.
Es darf nicht sein, dass eine Stadt, die so eng verbunden ist mit dem Aufstieg und Fall der Kunst der Moderne, weiterhin keinen Ort hat, an dem die Kunstdiskurse des 20. Jahrhunderts in umfassender Weise erfahrbar sind.
Dabei zählt die Sammlung der Berliner Nationalgalerie heute international zu den größten Sammlungen zur Kunst des 20. Jahrhunderts und ist damit wesentlicher Bestandteil unseres gesellschaftlichen wie kulturellen Erbes. Sie umfasst, vom Symbolismus und Jugendstil bis in die digitalen Videoräume der 1990er-Jahre, rund 6000 Kunstwerke! Ohne den Neubau als Ergänzung zur Neuen Nationalgalerie wird dies alles weiterhin kaum oder nur in Probe-Dosierungen zu sehen sein. Nur mit dem Neubau können die weit verzweigten Bestände endlich zusammengeführt werden.
Wie auch schon die Gründung der Nationalgalerie eng mit dem privaten Engagement des Kunstsammlers und Bankiers Joachim Heinrich Wagener verbunden war, ist die Idee des Museums des 20. Jahrhunderts verknüpft mit der großartigen Bereitschaft der privaten Sammler Heiner und Ulla Pietzsch, Erich Marx und Egidio Marzona, ihre Sammlungen der Bevölkerung zu übergeben. Dies ist wieder ein historisches Momentum. Es ist an uns, es nicht zu verpassen.
Die Kunst des 20. Jahrhunderts – mit all ihren Brüchen – ist wesentlich geprägt durch Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland, die aus einer radikal demokratischen und den Menschen zugewandten Haltung neue Ausdrucks- und Schaffensformen sichtbar gemacht haben, die in der Welt einzigartig sind. Diese Haltungen zu zeigen ist heute wichtiger denn je! Im Haus der Neuen Nationalgalerie ist dafür schon lange viel zu wenig Platz.
Was für eine Chance, am Kulturforum diese großen und komplexen Sammlungen innerhalb der nächsten Dekade neu ordnen zu können und auf vernetzte und anschauliche Weise einem breiten Publikum von Aufstieg und Fall im 20. Jahrhunderts zu erzählen. Deshalb müssen wir diese Chance jetzt ergreifen.
Ja, eine Summe von mehr als 450 Millionen Euro ist ein großes Engagement der Steuerzahler – niemand will damit leichtfertig umgehen. Und die Erfahrung zeigt: Ein so starkes staatliches Engagement wird auch den Einsatz privater Mäzene inspirieren! Hinzu kommt, dass in dieser Summe Index-Steigerungen bis zur Baufertigstellung und Risikovorsorge bereits enthalten sind.
Ja, man könnte sicher auch einen anderen Entwurf entwickeln oder den vorliegenden modifizieren, aber diese würden andere Fragen, andere Kritik und in jedem Fall Verzögerungen aufwerfen.
Ja, das große, weite Haus, entworfen von Herzog & de Meuron, ist für mich eine ideale Architektur. Es handelt sich nicht um wahrzeichenhafte Architektur, sondern um eine weite, lichtdurchflutete Halle für alle!
Ja, irgendwann muss man sich trauen zu entscheiden. Dieser Moment ist jetzt!
Kommentare
Das Areal an der Postdamer Straße zwischen Tiergartenstraße und Landwehrkanal, Kulturforum genannt, braucht etwas anderes als noch ein beziehungslos hingeklotztes Architektendenkmal.
Mir persönlich gefällt der gleichförmig kubische Entwurf als Ganzes nicht, aber davon abgesehen sollte Berlin erst mal seinen Flughafen fertigstellen, bevor eine neue Steuergeld-Versickerungsanlage aufgetan wird.
Gibt es in der Projektplanung diesmal eine Anti-Korruptionsaufsicht, die die Verträge checkt oder hat man rein gar nichts dazugelernt?
Bewusste Täuschung der Architekten - und die Zeit lässt sich einspannen! Der Bau wird nie so einladend aussehen, wie die Illustration vorgibt, weil auf ihr alles hell eingefärbt ist. Zu erkennen an dem Ziegelrot des Kunstgewerbemuseums hinten rechts im Bild, das hier in hellem Rosé erscheint. So lassen sich bei ihrer Preisfindung überhebliche Politiker täuschen, die noch nicht einmal Grundrisse lesen zu können scheinen (es mag Ausnahmen geben). Ganz abgesehen davon, dass "lichtdurchflutete" - ein Modewort aller Immobilienmakler - Galerien und Museen gerade heutigen modernen Kunstwerken den baldigen Garaus machen.
Ein weiterer Protzbau im an Museen ohnehin schon vollgestopften Berlin. Solche Forderungen können auch nur von Kulturbonzen kommen, deren Leben außerhalb der Mehrheitsgesellschaft in einer distinktiven Wohlstandsblase stattfindet.
Bewusste Täuschung der Architekten - und die Zeit lässt sich einspannen!
Die ltd. ZEIT-Redakteure und klassischen Leser gehören doch zu eben jenem Klientel. Wundert mich also gar nicht.
Verbieten, weil von solchen Museen nur „Sammler“, also Händler profitieren.
Kunst kann sich schon lange kaum ein Museum leisten.
Damit also etwas zur Wertsteigerung gelagert wird(Leihgabe), dürfen keine Steuern verwendet werden.
Wenn Unternehmer und sonstige Millionäre/Milliardäre also gern profitieren möchten, dann sollen sie die Kosten gefälligst ganz übernehmen.
Kunst dient der Erbauung - unabhängig vom Geldbeutel.
Freibäder sind auch ein Zuschussgeschäft, trotzdem leisten wir sie uns.
Wie die Umstände in diesem speziellen Fall sind, dafür fehlen mir Detailkenntnisse. Aber ganz allgemein sollte man Kunstmuseen nicht verwerfen.
Gute Idee eigentlich. Während es Schwimmbäder in Berlin zu wenig gibt, quillt die Stadt über vor Museen. Warum also nicht das Geld nicht besser in Schwimmbäder investieren?
Schlagen Sie es doch Ihrem Stadtbezirk vor. Oder kandidieren Sie selber mit diesem Vorschlag.
"Kunst dient der Erbauung - unabhängig vom Geldbeutel."
Schon richtig, aber wenn man sich anschaut wie knapp die vielen kleineren Kunstvereine bei Kasse sind, und was der Durchschnittseinkommen Bildender Künstler ist (https://www.dia-vorsorge.de/… ) ... für dieses Projekt waren urspr. 130 Mio geplant, und jetzt ist man schon wieder bei 450 Mio. - irgendwann wirds halt doch etwas absurd.
In einem Freibad lernen die Leute aber auch zu Schwimmen. Eine ungleich wichtiger Kulturtechnik, als sich vor ein Bild zu stellen und zu spekulieren, was der Maler uns mit diesem bunten Rechteck alles hat sagen wollen.
1. Gute Kunst war schon immer teuer;
2. Ein neue Neue Nationalgalerie zieht Touristen an (der vorliegenden Entwurf von H&D ist mir allerdings zu gewöhnlich);
3. Auch hohe Bauinvestitionen können sich für eine Stadt lohnen, wenn es ein Touristenmagnet wird (siehe 2., vgl. ElPhi oder Louvre...);
4. Es gibt zahlreiche öffentliche Baumaßnahmen die zeigen, dass sehr wohl der Kostenrahmen eingehalten werden kann. Es dürfen nur nicht zu viele Köche den Brei verderben, wie bei BRE.
Gute Kunst? Etwa die vom Niederländer und der Story rund ums Ohr. Der zu Lebzeiten nichts verkauft hat? Bankys Werke, die Inkognito zu einstelligen Beträgen angeboten wurden, die aber Niemand wollte, weil die Signatur und die Person nicht da war?
Kunst ist Geld machen. Frei nach Warhol. Und die Kunst ist Gift, sag ich. Einfach mal Dokus über Freihäfen ansehen, oder entsprechende Artikel lesen. Wie über die gesamte Szene.
Geld, Geld, Geld und nochmals Geld. Nichts anderes. auf Kosten uns aller. Weil die Leihgaben einzig der Wertsteigerung dienen.
Weg damit.
“Kunstdiskurse in umfassender Weise erfahrbar sind“
Ich brauche also ne scheußliche Betonkiste von zwei schnöseligen Architekten aus der Schweiz, um mir Kunstdiskurs erfahrbar verpasst zu bekommen. Sag mal gehts noch?
Danke für Ihren differenzierten Beitrag zum Architekturdiskurs.