Detlev von Larcher könnte am Ziel seines Lebenskampfs sein. Die Finanztransaktionssteuer – eine Steuer auf Geschäfte am Kapitalmarkt, für die der ehemalige SPD-Politiker jahrelang gekämpft hat – soll jetzt kommen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz will sie möglichst bald einführen. Zur Finanzierung der Grundrente hat er sie schon eingeplant, obwohl immer noch nicht klar ist, ob und wie genau sie Gesetz wird. Egal, Scholz will schaffen, was sein Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble nicht vermochte. Und damit so eine Art Robin Hood werden, ein Rächer der Entrechteten. Denn viele kennen die Steuer mit dem sperrigen Namen unter ihrem Spitznamen "Robin-Hood-Steuer". Das liegt an einem ihrer Nebeneffekte: Geld nimmt sie tendenziell eher von den Reichen. In dieses Bild passt hervorragend, dass Scholz die Einnahmen nun zugunsten von Grundrentnern ausgeben will. Geld von den Reichen nehmen und den Armen geben – reichlich Stoff für eine Heldengeschichte aus dem Sherwood Forest in Berlin.
Doch Detlev von Larcher lacht laut, wenn man ihn fragt, ob er jetzt am Ziel seines Kampfes sei. "Natürlich nicht", sagt er. Über Scholz’ Plan kann er sich nur ärgern. "Die Finanztransaktionssteuer von Scholz verdient diesen Namen nicht. Sie ist Camouflage." Das Robin-Hood-Steuer zu nennen, das sei doch "alles Quatsch".
Von Larcher weiß, wovon er spricht. Von 1990 bis 2002 saß er für die SPD im Bundestag und trat währenddessen Attac bei. Das globalisierungskritische Netzwerk war damals in Gründung und forderte von Anfang an: eine Finanztransaktionssteuer. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag wurde von Larcher dort zum Kämpfer für die Steuer, jahrelang. Attac gelang es gemeinsam mit anderen Organisationen, die sperrige Forderung zu popularisieren. Zeitweise waren sogar fast alle Parteien dafür. Zweimal stand die Steuer in Koalitionsverträgen der großen Koalition, doch sie kam nicht.
Nun also doch. Aber von Larcher findet: Sie kommt nicht richtig. Die ursprüngliche Idee könne so nicht verwirklicht werden. Dabei sei diese Idee "nach wie vor genial". Von Larcher meint damit nicht den Robin-Hood-Gedanken. Es geht ihm um das, was auch zahlreiche Ökonomen dazu trieb, die Finanztransaktionssteuer zu befürworten: Spekulation. Von Larcher formuliert es so: "Die Steuer soll Sand im Getriebe der Spekulation sein."
Einer der Ersten, der diesen Gedanken aufbrachte, war der Ökonom John Maynard Keynes. Er schrieb in seinem berühmten Werk General Theory im Jahr 1936: "Die meisten Menschen sind sich einig, dass Kasinos, im öffentlichen Interesse, unzugänglich und teuer sein sollten. Vielleicht gilt das Gleiche für Börsen." Die Sünden der Londoner Börse seien kleiner gewesen als die der Wall Street. Das liege womöglich genau daran: dass die Londoner Börse unzugänglich und teuer sei. Keynes schlug vor, dass man eine "bedeutende Transfer-Steuer" einführen könne auf alle Transaktionen. Er wollte also die Spekulation eindämmen, indem er die Geschäfte teurer machte, die potenziell spekulativ sein konnten.
Später wurde die Sache auch als Tobin-Steuer bekannt. Denn der Wirtschaftswissenschaftler James Tobin schlug sie im Jahr 1972 verändert vor: als Steuer auf alle Devisengeschäfte, um die Spekulation mit Währungen zu verringern.
Das Ziel vieler Befürworter der Steuer war also oft genau das: Spekulation verteuern und damit verringern. Hinter diesem Ziel konnten sich gerade viele eher linke Ökonomen und Politiker versammeln. Doch sie waren nicht allein. Im Jahr 2011 riefen tausend Ökonomen die G20-Staaten auf, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Darunter waren berühmte amerikanische Forscher wie Jeffrey Sachs, gewerkschaftsnahe deutsche Ökonomen wie Achim Truger, der heute Mitglied im Sachverständigenrat für Wirtschaft ist. Aber auch ein überraschender Unterzeichner: Bernd Lucke.
Der Gründer der Alternative für Deutschland (AfD), inzwischen wieder hauptamtlich als Wirtschaftsprofessor tätig, ist zu diesem Zweck nicht kurzzeitig nach links gedriftet. Vielmehr steht er heute noch fest zu seiner damaligen Haltung: "Dass eine Finanztransaktionssteuer sinnvoll ist, ist meine Meinung und war auch politisch immer unsere Position", sagt er. Tatsächlich steht die Forderung sogar noch im aktuellsten Europa-Wahlprogramm der AfD, die Lucke schon 2015 verlassen hat.
Den konservativen Ökonomen fasziniert etwas anderes an der Steuer als Keynes und Detlev von Larcher. Es geht ihm nicht um Spekulation. Dieser, so glaubt er, ist per Steuer sowieso nicht beizukommen. Ihm geht es um Gerechtigkeit für die Bürger gegenüber den Banken. Das klingt auch ein wenig nach Robin Hood. Lucke bleibt aber lieber sachlich. Er vergleicht die Steuer mit einer Versicherung. "Banken haben eine implizite Überlebensgarantie durch den Staat", sagt er. Das habe man in der Finanzkrise gesehen. Der Staat sei also eine Art Versicherung für die Banken. "Deshalb muss man sie an den Kosten dieser Überlebensgarantie beteiligen." Die Steuer ist in diesem Denken die Versicherungsprämie, die alle Finanzakteure zahlen, um zu finanzieren, dass sie im Notfall vom Steuerzahler gerettet werden.
Kommentare
"Das ist eine reine Börsensteuer, die erstens nur auf Geschäfte mit Aktien erhoben wird und zweitens wiederum nur auf Aktien von inländischen Unternehmen, die sehr groß sind: über eine Milliarde Euro Marktkapitalisierung."
Mit anderen Worten: Die Steuer belastet weniger die Hedgefonds, die Banken und die Superreichen als vielmehr die Mittelschicht (mal wieder), wenn sich Otto Normalverbraucher mal ein kleines Aktienpaketchen von Daimler, Siemens, Volkswagen, Bayer, Fielmann oder Allianz zur Altersvorsorge anschafft.
Dann kann er sich zwar über den ggf. steigenden Wert seines Depots auf dem Papier freuen. Sobald er das Geld aber tatsächlich braucht und ein Kontingent verkauft, sahnt der Staat erst einmal ab, und auf dem Girokonto landet nur noch ein reichlich gerupfter Betrag.
Absahnen ist bei der aktuell im Raum stehenden Steuer zwar etwas weit gegriffen, aber als Bürger und Aktionär fühle ich mich durchaus etwas von Herrn Scholz verarscht verarscht.
Ein Potemkinsches Dorf also.
Nun ja, Scholz ist aufgeflogen und ohnehin nur noch kurze Zeit im Amt.
Niemand würde je erwarten, dass von dieser Regierung ein Gesetz kommt, dass den Spekulanten im Ansatz weh tun würde.
>> "Zweimal stand die Steuer in Koalitionsverträgen der großen Koalition, doch sie kam nicht."
Und das sollte Verwunderung auslösen? Bei _den_ Politikern in der Regierung und deren Agenda?
>> "... Er vergleicht die Steuer mit einer Versicherung. "Banken haben eine implizite Überlebensgarantie durch den Staat", sagt er. Das habe man in der Finanzkrise gesehen."
Nun ja, in _diesem_ Staat unter _diesen_ Regierungen. Anderswo wäre man vielleicht nicht so eilfertig bei der Hand gewesen wie Frau Merkel. Deswegen würde ich das nicht so pauschalisieren.
>>"... wenn sich Otto Normalverbraucher mal ein kleines Aktienpaketchen von Daimler, Siemens, Volkswagen, Bayer, Fielmann oder Allianz zur Altersvorsorge anschafft."
Das sollte eher "falls" heißen als "wenn". Es wird ja (noch?) niemand gezwungen, an der Börse zu zocken.
Wenn jede Kapitalanlage einfach nur „Zocken“ ist und abgewertet wird, stellt man jede private Ersparnisbildung in Verruf. Was soll dies. Es gibt viele Bürger im Land, die dies wollen und können. Es schadet niemandem. Also sollten sie es auch durchführen können.
Natürlich gibt es möglicherweise/wahrscheinlich auch Varianten, die für die anderen Anleger negative Auswirkungen haben. Der Hochgeschwindigkeitshandel steht da möglicherweise nicht zu Unrecht im Verdacht. Dazu gehört dann aber:
1. Klare Analyse des Umfangs und Nachweis des Schadens
2. Entwurf geeigneter Gegenmaßnahmen mit Berücksichtigung der Nebenwirkungen
3. Sorgfältige, effiziente und effektive Umsetzung
In diesem Fall sieht es - meine ganz persönliche Meinung - eher so aus, dass die zu bekämpfenden schädlichen Auswirkungen unklar definiert sind und die Zielgruppe - wenn überhaupt - eher zufällig getroffen würde. Zudem erhöht die Maßnahme relativ sinnlos die Komplexität des Gesamtsystems und führt mal wieder ein System ein, das am Ende vermutlich kaum mehr als die Kosten einspielt. Warum fällt mir da immer die Pkw Maut ein???
Die einzig logische Schlussfolgerung: In dieser Form unterlassen.
War diese Steuer nicht gegen dieses unsägliche Highspeed-Trading gerichtet? Da werden in Sekundenbruchteilen Unmengen(!) Papiere gehandelt, um minimale Kursschwankungen auszunutzen, ohne dass ein praktischer Nutzen (außer Geldverdienen) entsteht. Das verteuert die Waren.
Entweder die Steuer dafür, oder diese Sache komplett verbieten!
Sie haben offensichtlich keine Ahnung von HFT. Kleiner Tipp, ist in Deutschland (defakto) reguliert, und ist aus rein finanzmathematischer Sicht bedeutend besser, wenn es um Risikovermeidung und Gewinnmaximierung geht.
Aber alles was "besser" (also Sicherer und Ertragsreicher) ist, kann nur pöse sein, weil ja eh nur die Superreichen davon profitieren können. Sie können jetzt zu Ihrer Bank gehen und nach einem kurzen Beratungsgespräch Aktien kaufen, und nein Ihnen wird (per Gesetz) nichts aufgeschwätzt und "den Einstieg" in die Aktienwelt gibts für relativ kleines Geld.
Olaf Scholz hat nicht das Wohl der "kleinen Bürger" im Sinn, sondern einzig und alleine volle Taschen für die Regierung, die im Gegensatz zu den Anlegern (ob groß oder klein) noch nicht mal das Risiko von Aktien einpreisen muss. Voll Sozial hald.