DIE ZEIT: Herr Steinwede, welche Rolle spielt der Klimawandel im Arbeitsleben der Menschen in Deutschland?
Jacob Steinwede: Eine ebenso große wie in ihrem Privatleben auch: Das Thema gewinnt auch in den Betrieben an Bedeutung – und zwar rasch.
ZEIT: Die Zahlen sprechen allerdings für eine gewisse Ambivalenz, zumindest was die Frage betrifft, wer jetzt an der Reihe ist, etwas zu tun.
Steinwede: In der Tat! Das Thema selbst ist den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern äußerst wichtig, wir sprechen in diesem Zusammenhang von einer hohen Themenmobilisierung. Die Menschen unterhalten sich darüber, sie haben den Ernst der Lage erkannt und thematisieren das auch am Arbeitsplatz. Die Bereitschaft jedoch, selbst etwas dafür zu tun, dass sich auch in den Betrieben etwas ändert, ist nicht wirklich ausgeprägt.
ZEIT: Wenn es um Umweltschutz im Betrieb geht, haben Sie herausgefunden, fordern die Arbeitenden Mülltrennung, Plastikvermeidung und Energiesparlampen. Das klingt nicht gerade zeitgemäß.
Steinwede: Dies sind zwar tatsächlich umweltpolitische Ladenhüter, aber hier sehen wir dennoch erste Signale für das wachsende Klimabewusstsein: Ebendiese Ladenhüter waren vor geraumer Zeit genauso wenig im Fokus der Beschäftigten wie heute – ausweislich unserer Erhebung – die Themen Flugscham oder Mobilität. Dadurch, dass die Politik irgendwann für regulierende Rahmenbedingungen wie die grüne Tonne sorgte, wurden Mülltrennung, Plastikvermeidung und das Energiesparen zu Selbstverständlichkeiten im Leben der Menschen.
"Heute ist es ja teilweise so: Eltern fahren ihre Kinder zur Fridays-for-Future-Demo – im SUV. Das trifft den mentalen Zustand der Menschen gut."
ZEIT: Die Menschen rufen nach der Politik, statt selbst aktiv zu werden?
Steinwede: Ja, das ist der Befund. Die tatsächliche Handlungsbereitschaft der Menschen ist – im Vergleich zum Problembewusstsein – noch nicht in gleichem Maße vorhanden. Und zwar durch alle Einkommens- und Unternehmensgrößen, bei Jüngeren wie Älteren, bei Männern ebenso wie bei Frauen.
ZEIT: Die öffentliche Wahrnehmung ist eine ganz andere: Angeblich sind die Menschen bereit, auf ganz vieles zu verzichten, um den Klimawandel zu stoppen. Daher haben uns diese Zahlen überrascht. Sie auch?
Steinwede: Wir wissen, dass der Prozess vom Problembewusstsein hin zur Bereitschaft, selbst etwas zu tun oder gar auf etwas zu verzichten, eine ganze Weile dauert. Die Menschen sind alarmiert ...
ZEIT: ... und legen trotzdem die Hände in den Schoß?
Steinwede: Man könnte sagen: Sie wollen von der Politik an die Hand genommen werden.
ZEIT: Und entlassen dabei auch die deutsche Wirtschaft aus der Verantwortung?
Steinwede: Die Verantwortung, bei diesem Thema schnell Fortschritte zu erzielen, hat in den Augen der Beschäftigten die Politik, nicht der Arbeitgeber. Die Menschen wünschen derzeit offenbar klare Vorgaben und gehen davon aus, dass das auch für die Unternehmen gilt.
ZEIT: Klingt nach einer ziemlich bequemen Haltung.
Steinwede: Es ist in einem größeren Zusammenhang zu sehen. Ich würde sagen: Es braucht eine Zeit der kulturellen Eingewöhnung, bis die Menschen selbst die Initiative ergreifen, das ist nicht ungewöhnlich.
ZEIT: Was bedeutet dies für die Unternehmen?
Steinwede: Die Unternehmen müssen wissen, dass sie bei diesen Themen selbst voranschreiten müssen. Es gibt derzeit noch keine drängende Erwartungshaltung, innerhalb der betrieblichen Prozesse etwas zu verändern. Das ist der nüchterne Befund.
ZEIT: Das klingt, mit Verlaub, etwas widersprüchlich, jedenfalls was mögliche Konsequenzen für das eigene Handeln betrifft.
Steinwede: Nun, wenn die Realität, wie Sie es formulieren, widersprüchlich ist, kann ich das nicht ändern. Wir stehen am Beginn eines großen Prozesses. Heute ist es ja teilweise noch so: Eltern fahren ihre Kinder zur Fridays-for-Future-Demo – im SUV. Das trifft den mentalen Zustand der Menschen ziemlich gut.
Kommentare
Es ist alles eine Frage von Macht und Geld. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Politiker auf Dienstwagen verzichten. Frau Merkel kann ich mir nicht gut auf einem Fahrrad vorstellen.
Fußballspieler werden auch zukünftig Ferrari fahren und andere wohlhabende Leute ihrem Maserati die Treue halten. Dass Politiker künftig auf ihre Düsenflugzeuge verzichten, halte ich auch für ein Gerücht.
Herr Steinwede könnte sich also auch ein anderes Forschungsobjekt suchen und trotzdem gut davon Leben.
Dienstwagen, insb. die dicken, sind ein Statussymbol und bei aller Diskussion möchte man(n) kein Symbol aufgeben, welches Wohlstand und Erfolg symbolisiert.
Der Verzicht auf die individuelle Mobilität wird ja auchin der Regel von denen am heftigsten gefordert, die aufgrund ihres Einkommens, ihrer Wohnlage, ihrer Notwendigkeiten, und oft auch ihres Alters, am leichtesten darauf verzichten können oder schon verzichtet haben. Dazu kommt das übliche Wasser predigen (Verzicht) und Wein saufen (ich aber jetzt noch nicht) was sehr gut mit 'mit dem SUV zu fff' umschrieben ist, aber auch bedeuten kann: grosse Wohnung, viel Reisen, viel Konsum, Fleischesserei, aber den anderen den Individualverkehr verunmöglichen wollen.
Das ist dann halt auch der Punkt, das Auto ist ein integraler Bestandteil des Lebensmodells, welches über Jahrzehnte gepredigt worden ist: Familie gründen, Reihenhaus bauen im günstigen Speckgürtel oder auf dem Land, selbstverständlich wird alles davon noch heute staatlich bezuschusst. Wenn man nicht gerade in einer Metropole wohnt - bzw. entsprechendes Kleingeld zur Verfügung hat - ist es ohne Auto sehr schwierig Dinge wie Umzüge oder Möbelkäufe vernünftigt zu realisieren.
Es gibt da sicherlich schon neue Möglichkeiten, z.B. kann man mit einem Bausparvertrag auch Wohnungen finanzieren. Auch ist es in den letzten 10 Jahren einfacher geworden bei Ikea Möbel zeitnah und vergleichsweise wenig Geld liefern zu lassen. Auch haben Verkehrsdienstleister (Deutsche Bahn :-)) verstanden, dass der Nahverkehr nicht weiter abgebaut sondern ausgebaut werden muss.
Im Grunde braucht man keine flächendeckenden Stromtankstellen und Teslas sondern ein praktisches Konzept, wie man auch ohne Individualverkehr auskommt. Abgesehen davon hat selbst heute nicht jeder ein Auto. Es gibt genug Menschen, die seit Jahrzehnten u.a. aus finanziellen Gründen ohne Auto auskommen müssen.
Ich lebe sehr minimalistisch. Ein Zimmer, kein hohes Einkommen, wohne auf dem Dorf usw.
Nehmen wir an ich würde den Verzicht auf Individualverkehr fordern: Würde dann von ihnen etwas anderes kommen als argumentum ad hominem?
Verzichten sollen halt immer die anderen, das ist doch ganz einfach ;-)
"Nehmen wir an ich würde den Verzicht auf Individualverkehr fordern: Würde dann von ihnen etwas anderes kommen als argumentum ad hominem?"
eine böwillige unterstellung ihrerseits, dass der forist ad hominem argumentieren würde - ein nicht unwesentlicher teil seines kommentars besteht schließlich aus einer aneinanderreihung von strohmännern, plumpen stereotypen und frei erfundenen vorurteilen.
Stimmt, mea culpa.
Ich bin sehr für ÖPNV und eine massive Kostensenkung für dessen Nutzer. Und ich bin Pendler.
Mit weniger Geld würde vielen das minimalistische Leben erleichtert.
Sie haben halt einfach nichts zu fordern. PUNKT!
Leben Sie wie Sie wollen, aber gestehen das auch anderen zu.
Doch selbstverständlich kann und sollte ich Forderungen zu Themen stellen, die mich betreffen.
"eine böwillige unterstellung ihrerseits, dass der forist ad hominem argumentieren würde - ein nicht unwesentlicher teil seines kommentars besteht schließlich aus einer aneinanderreihung von strohmännern, plumpen stereotypen und frei erfundenen vorurteilen."
Made my day! XD
"Sie haben halt einfach nichts zu fordern. PUNKT!"
Das heißt Sie haben nichts dagegen, wenn auch Schwule heiraten, der Moslem hier einwandert, im Park Drogen verkauft werden usw. usf.?
Sie dürfen doch bestimmt von Ihren Mitmenschen auch nicht fordern, dass diese ihr Leben so leben, wie es diesen gefällt?
Oder dürfen Sie Dinge fordern und nur die Anderen nicht?
Natürlich habe ich nichts dagegen, wenn Schwule heiraten und Drogen im Park verkauft werden (außer Gras dieser Hippiescheiß).
"Familie gründen, Reihenhaus bauen im günstigen Speckgürtel oder auf dem Land, selbstverständlich wird alles davon noch heute staatlich bezuschusst. Wenn man nicht gerade in einer Metropole wohnt - bzw. entsprechendes Kleingeld zur Verfügung hat - ist es ohne Auto sehr schwierig Dinge wie Umzüge oder Möbelkäufe vernünftigt zu realisieren."
Ich könnte noch nicht einmal meinen Alltag realisieren - Schwimmbäder, Fitnessstudio, einkaufen, Eltern besuchen, nirgendwo käme ich hin. Unsere Nachbargemeinden sind Frankfurt und Offenbach, aber trotzdem geht nichts ohne Auto.
Dazu kommt, dass ich gebehindert bin, und auch kurze Strecken von ein paar hundert Metern fahren muss.
Ich möchte die Motorisierung auch mal in ein positives Licht stellen.
Wenn ich sehe, wie die Pferdediebstähle bei Transportunternhemen in den letzten 100 Jahren zurückgegangen sind ..... ist das doch eine schöne Sache!
Das erfreut das Herz jedes grünen Politikers.
Ich wette diejenigen die hier laut den Verzicht fordern wohnen überwiegend großstädtisch, haben sehr wenige Transportnotwendigkeiten und sind oft auch überdurchschnittlich verdienend. Wunderbar lässt sich diese Heuchelei in den Wahlergebnissen in den Hamburger Stadtteilen sehen. Die Viertel mit den besten Wahlergebnissen für die Grünen sind entweder innnerstädtisch oder wohlhabend (am besten beides). Nahezu alle Stadtteile mit Werten von über 20% (schon 2017) sind tatsächlich wohlhabend und/oder innerstädtisch.
https://www.statistik-nord.d…
Jetzt wird eben was anderes gepredigt. Die Leute müssen sich umstellen, ob Statussymbol oder nicht.
Wer wirklich mal die Situation abseits der Großstadt verstehen möchte, dem sei dieser Thread ans Herz gelegt. Dann dürfte klar sein, warum die Mobilitätswende zum Scheitern verurteilt ist: https://twitter.com/DerAlteP…
Ich muss Ihnen widersprechen.
Verzichten soll keiner, ich kann gönnen.
Entfernt. Bitte bleiben Sie beim Thema. Danke, die Redaktion/rg
der Bürger macht es sich also bequem, also neben steigenden Mieten, der ständigen Forderung der Politik flexibel zu reagieren in einem Markt der gar keine Flexibilität mehr zulässt mangels Wohnraum, dem Druck am Arbeitsplatz doch flexibel auf die Wünsche der Arbeitgeber einzugehen, ob bei Lohn, Urlaub oder Zeitarbeitsmodellen. Bestes Beispiel gerade unsere Autoindustrie, und zu diesen ganzen Forderungen kommt dann noch Umweltschutz, also z.B. ein E-Auto das sich nur lohnt mit eigener Garage/Stromanschluß nur mit dem Problem, wenn ich die Arbeit/Stadt/Wohnung wechseln muß weil wir ja alle so krass flexibel sind kann ich die Kiste eventuell gar nicht mehr laden.
Dazu kommt das ich mir ständig von Menschen die sich einen Scheiß um die Umwelt kümmern anhören muß ich soll die Umwelt schützen, Brüller.
Ich bin ja nach wie vor der Meinung das der gemeine Bürger diese Erde retten soll, das einige wenige weiter die Sau rauslassen können. Ich bin mein ganzes Leben noch nie geflogen, jetzt sollen mir doch mal ein paar Politiker/Unternehmer zeigen wie Verzicht geht.
Da ja Unternehmen angesprochen werden und deren Verantwortung eingefordert wird und staatliche Vorgaben eher negativ dargestellt werden:
solange mir umweltverträgliches Verhalten einen Wettbewerbsnachteil einbringt gegenüber dem, der das nicht beachtet, werde ich den Teufel tun, das freiwillig aus gesellschaftlicher Verantwortung umzusetzen.
Da ist mir die Verantwortung gegenüber meinen Mitarbeitern, das am 15. das Gehalt auf dem Konto ist und das das auch nicht nen Hungerlohn ist, deutlich wichtiger.
Und dafür, das umweltschädliches, zukunftsvergessenes Verhalten eben keinen Vorteil bringt, dafür braucht es die entsprechenden Rahmenbedingungen und die gestaltet nun mal der Gesetzgeber. Jetzt noch von Unternehmen den gleichen Kappes zu fordern wie vom Konsumenten mit seiner Verantwortung... vielleicht sollte ja ne freiwillige Selbstverpflichtung postuliert werden, ist nen echtes Erfolgsmodell...
An Ihrer Argumentation ist etwas wahres dran, umso erstaunlicher, dass sie eigentlich schon ueber 100 Jahre alt ist.
Bezahlung? Arbeitnehmerrechte? 1880 hat man da gesagt, ich kann meine Mitarbeiter nicht weniger als 12 Stunden am Tag arbeiten lassen, wenn das nicht Jeder andere auch macht, dass schafft mir einen Wettbewerbsnachteil.
Hat man trotzdem geschafft die in den letzten hundert Jahren zu verbessern, naemlich indem man bessere Rahmenbedingungen schafft.
Des Pudels Kern ist aber, wie kann man Rahmenbedingungen in einer wirtschaftlich aber nicht politisch globalisierten Welt schaffen? Die Wirtschaft verlegt Produktionsstandorte zwischen den Kontinenten, derweil kommt die Politik nichtmal ueber den Nationalstaat hinaus, geschweige denn auf europaeische Ebene. Schlimmer noch, die Nationalstaaten lassen sich gegeneinander ausspielen und unterbieten sich in einem race to the bottom.