Hohe Mieten, dreiste Vermieter, dazu die Angst, sich eine Wohnung bald nicht mehr leisten zu können: Der Mietmarkt bereitet dieser Tage vielen Menschen Sorgen und beschäftigt auch die Politik mehr denn je. Im Schwerpunkt "Mieten am Limit" beleuchtet ZEIT ONLINE die verschiedenen Facetten der Krise – mit Reportagen, Datenanalysen und Interviews.
Wer das Wort "Wohngemeinschaft" in die Google-Bildersuche eingibt, bekommt viele Fotos, die Klischees des Studentenlebens zeigen. Fröhliche junge Menschen essen darauf Pizza aus Pappkartons. Quetschen sich mit Bierflaschen auf viel zu kleine Sofas. Stoßen zwischen Lernunterlagen mit Schnäpsen an.
Dabei leben längst nicht nur Studierende in Wohngemeinschaften, sondern auch Senioren, Familien und Menschen, die voll im Berufsleben stehen. Es gibt zwar kaum zuverlässige Studien darüber, wer und wie lange in WGs wohnt. Aber die Zahlen der Onlineplattform wg-gesucht geben Hinweise darauf, dass sich heute mehr Berufstätige eine Wohnung teilen als noch vor sechs Jahren. Aktuell sind etwa 35 Prozent aller Wohngemeinschaftsangebote als Berufstätigen-WGs gelistet. 2013 waren es nur knapp ein Viertel aller Anzeigen auf dem Portal.
Auch das Alter der Menschen, die sich auf der Plattform nach einer Wohngemeinschaft umschauen, steigt leicht. Momentan sind die Suchenden im Schnitt 29 Jahre und einen Monat alt – fünf Monate älter als noch vor zwei Jahren. Wohnen Berufstätige länger und häufiger in WGs, weil sie sich keine Einzelwohnung leisten können? Oder steckt mehr dahinter?
Ein Mittwochabend in einer Vierer-WG im Prenzlauer Berg. Hier leben eine Chirurgin, ein Marketingmanager und ein Start-up-Mitarbeiter. Auch eine Studentin wohnt hier, allerdings nur zur Zwischenmiete. Die Wohnung liegt im Dachgeschoss. Die Einrichtung ist etwas schicker als in einer Studierenden-WG: viel Ikea, aber auch eine stylishe Eckcouch und Bogenlampe. lm Gang reihen sich bunte Sneakers aneinander, aus dem Laptop auf dem Esstisch kommt elektronische Chill-out-Musik. In ihrer WhatsApp-Gruppe "Danziger Chicken" hat sich die WG heute spontan zum gemeinsamen Kochen verabredet.
Tor Åström, 28, kommt aus Schweden und arbeitet als Country-Manager für die Länder Schweden und die Niederlande bei einem Onlinehandel für Smart-Home-Produkte
"Ich kam vor sechs Jahren für ein Praktikum nach Berlin und bin hier hängen geblieben. Seitdem habe ich in fünf verschiedenen Start-ups gearbeitet und bin dreimal umgezogen – jedes Mal in eine WG. Der Hauptgrund dafür war anfangs, neue Leute zu treffen. Ich habe Menschen kennengelernt, denen ich sonst wahrscheinlich nie begegnet wäre. In meiner ersten WG habe ich zum Beispiel mit einem Paar und dessen dreijährigem Kind zusammengewohnt. Letztes Jahr war ich zur Hochzeit der beiden Eltern eingeladen. Aber Geld ist natürlich auch ein Faktor: In einer WG kannst du für weniger Geld mehr bekommen. Wenn ich in einer Einzimmerwohnung leben würde, müsste ich außerhalb des S-Bahn-Rings ziehen, sonst könnte ich sie mir nicht leisten. In der WG habe ich zwei große Wohnzimmer und eine Dachterrasse, mitten in Prenzlauer Berg – für ungefähr 600 Euro im Monat. Einmal die Woche kommt eine Reinigungskraft vorbei. Idealerweise würde ich mit nur einer weiteren Person zusammenwohnen. Aber ich weiß auch, dass ich so eine Wohnung wie diese nicht mehr so leicht finde. Vor allem, wenn ich in was Kleinerem wohnen wollen würde: Zwei- oder Dreizimmerwohnungen sind in Berlin schwer umkämpft."
In Schwarmstädten wohnen Berufstätige häufiger zusammen
Einige der teuersten Städte in Deutschland haben besonders viele Berufstätigen-WGs. Auf wg-gesucht suchen vor allem Arbeitnehmer in Stuttgart, München, Hamburg, Frankfurt am Main und Berlin nach gemeinsamen Wohnungen. In Stuttgart richten sich 42 Prozent der angebotenen Wohngemeinschaften an Arbeitnehmer, in Berlin 35 Prozent. Die anderen drei Städte liegen dazwischen. Christine Hannemann, Professorin für Architektur-und Wohnraumsoziologie an der Universität Stuttgart, bezeichnet sie als "Schwarmstädte": "Das sind die angesagten Städte, wo jede und jeder hinwill, zum Studium, wegen der Arbeit oder der Lebensqualität. Sie zeichnen sich vor allem durch wirtschaftliche und kulturelle Prosperität aus", sagt sie. "Gleichzeitig sind sie auch die Brennpunkte der Wohnungsmisere – zu hohe Wohnkosten, zu wenig bezahlbarer Wohnraum."
In den nicht so angesagten Städten, im Osten und im Ruhrgebiet zum Beispiel, sei es immer noch leicht, eine halbwegs günstige Wohnung zu finden. Dort gibt es auch weniger Berufstätigen-WGs. Kein Wunder, dass die bekanntesten Serien über Berufstätigen-WGs – Friends und How I Met Your Mother – in einer der teuersten Großstädte der Welt spielen: New York. Und doch sind hohe Mieten nicht der einzige Grund, der Erwachsene in WGs treibt.
Kommentare
Ich finde das sehr attraktiv, allerdings kann das Finden passender Wohnpartner auch etwas aufreibenden sein.
Und ein Restrisiko bleibt natürlich immer.
Muss es nicht „Wohnpartnender“ heißen?
Warum?
Ganz einfach, weil man diese Wohnform noch aus dem Studium kannte, man geringe Ansprüche hat, weil es einfach wesentlich preiswerter ist und man das Geld für andere Dinge ausgeben oder zurücklegen möchte.
Mach ich auch so.
Und es ist der Beweis, dass der Markt eben doch funktioniert!
Wenn nicht mehr gebaut wird aber immer mehr Menschen in die Stadt wollen, so müssen diese eben mehr zusammenrücken und genau das passiert jetzt.
Was Sie für einen funktionierenden Markt halten, erinnert mich eher an die Nachkriegszeit.
Bzw vielmehr an den Schwarzmarkt.
Nein, diese Mangelwirtschaft ist die Bankrotterklärung des profitgetriebenen Wirtschaftens.
Würde es funktionieren, gäbe es Wohnungen für jede Form von Bedarf.
Einmal davon abgesehen, dass es in den beschriebenen Fällen eher um ein soziales Phänomen geht.
Eine zunehmende Anzahl von Menschen mögen die Wohnwaben für kleinste Sozialeinheiten, seien es Singles oder Kleinfamilien, eben nicht mehr.
Das Gegenteil ist doch der Fall. Bei steigenden Preisen werden Ressourcen optimiert. Funktionierender Markt in Reinform.
Die Zunahme von WGs unter Berufstätigen ist ein eindeutiger Beleg für die Verknappung von günstigem Wohnraum und hat nichts mit Zeitgeist zu tun. Das können Sie in allen großen (teuren) Städten verteilt über den Globus beobachten von L.A. über Paris bis Sydney. Es gibt nämlich keinen vernünftigen Grund mit zwei Männern in einer WG zu leben. Es sei denn der eine kommt aus Schweden, ist auch 28, arbeitet als Country-Manager für Smart-Home-Produkte und heißt Tor Åström. @Redaktion Mir ist durch Zufall aufgefallen, dass das Foto von ihm fehlt.
Man könnte auch einfach realistisch sagen, dass sich durch Untätigkeit der Regierung ein Gefälle ergibt, was sich die Betroffenen nicht ausmalen wollen.
Sie gehen mit FFF auf die Straße und protestieren für das Klima, geben aber 30% für den Wohnraum aus, weil die Einstiegsgehälter einfach nicht stimmen.
Die Leute wissen nicht, was Ihnen bei der Rente einmal blüht.
Dagegen protestiert jedoch niemand.
Es bleibt kurios!
"...und hat nichts mit Zeitgeist zu tun."
Nach dem Kinderzimmer bei Mutti, die zweitschlechteste Wohnform. Muss jeder mal mitgemacht haben. Wenn man es endlich hinter sich hat, will man nie mehr freiwillig zurück.
Die Zusammenwohnenden hier sind ja auch noch unter dreißig.
Das würde ich allein vom Alter her noch nicht der Berufstätigen-WG zuordnen.
Da hat unsereins ja noch studiert.
Das muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden, mit wem er da so wie den Wohnraum teilen möchte.
Ich lebe das Konzept Berufstätigen-WG und stehe dazu.
Hat mich keiner gezwungen.
Vor allem, da es ja in den Städten verfügbare Fläche wie Sand am Meer gibt. Und auch sonst gibt es keinerlei Rahmenbedingungen, wie Mietrecht und Baurecht, die Investoren zumindest vorsichtig werden lassen.
Mit anderen Worten, es gibt gewissen Rahmenbedingungen die zuerst für die von Ihnen genannten Mangelwirtschaft ursächlich sind, zumindest zum Teil.
Die zunehmende Anzahl von Berufstätigen-WGs liegt darin begründet, dass heute der Individualismus so groß geschrieben wird. Ich habe eine solche auch mal gesucht, weil allein-sein einfach scheiße ist. In einer WG ist immer jemand da. Wie in einer Familie. Es ergeben sich auch solche Strukturen. Und viele Ideen wandeln sich in etwas Gutes. Berufstätigen-WGs sind super!!!!
Ich wohne auch in ner wg, bin 30 und hab kein Bock auf allein wohnen.
Leisten kann ich mir die Wohnung auch alleine. Aber 650 mehr im Monat ist nice 2 have
Ich halte das mit dem Geld schon für valide um mit Männern zusammen zu wohnen. Wenn man irgendwas durchschnittliches verdient, 3000 € oder so, und maximal 600 € für die Miete ausgibt hat man genug über für den modernen, teuren Hipster-Lifestyle. Man kann gute, ökologische Lebensmittel kaufen, in den Urlaub fahren ohne Geldsorgen und teure Hobbys haben wie Fotografie. Oder sich teure Fahrräder oder sonstwas kaufen. In Berlin braucht man noch nichtmal ein Auto. Das Problem kommt dann, wenn man ne Frau hat und eine Familie gründen will.
Geht mir ganz genauso.
Ich mag es, nicht alleine sein zu müssen. Nutze die Gemeinschaftsräume eh nur wenige Minuten pro Tag (also warum für 24h miete alleine zahlen und alleine heizen?).
Obwohl ich in einer Kleinstadt lebe und durchaus günstige Mieten habe (im Schnitt nur wenig billiger als Berlin^^)
1. Ist 3.000€ sicher nicht durchschnittlicher Verdienst, außer Sie reden von Brutto, dann ist es etwas mehr.
2. Die Probleme hat man aber nur, wenn man diesen teuren Lifestyle lebt ohne Geld zu sparen, dann aber auch verdient wie ich finde.
"Sie gehen mit FFF auf die Straße und protestieren für das Klima, geben aber 30% für den Wohnraum aus, weil die Einstiegsgehälter einfach nicht stimmen. Die Leute wissen nicht, was Ihnen bei der Rente einmal blüht.
Dagegen protestiert jedoch niemand."
Das ist ja das Wunderbare an dieser aktuellen 'Bewegung':
Jedes auch noch so bedeutende Problem verschwindet quasi in Anbetracht des unweigerlich auf uns zukommenden Weltuntergangs, denn was kann in Punkto Größe und Aufmerksamkeit schon dagegen bestehen?
Und sollte dieser dann wie durch ein Wunder doch ausbleiben, sollten wir bitte alle froh sein, überhaupt noch am Leben zu sein und uns um Gottes Willen keinesfalls über so nichtige Kleinigkeiten wie eine nicht mehr existierende soziale Absicherung in Form von bspw. Rente etc... aufregen. Was sind schon ein paar Millionen vor sich darbende Rentner im Vergleich zur Weltrettung? Ohne diese wären sie doch eh schon lange tot!
Also seid mal nicht so.
;)
"Jedes auch noch so bedeutende Problem verschwindet quasi in Anbetracht des unweigerlich auf uns zukommenden Weltuntergangs, denn was kann in Punkto Größe und Aufmerksamkeit schon dagegen bestehen?" Der Strohmann ist aber heute beliebt.
"Und sollte dieser dann wie durch ein Wunder doch ausbleiben, ..." Das wäre in der Tat ein Wunder im wahrsten Sinne des Wortes, eine Aussetzung physikalischer Gesetze.
"Was sind schon ein paar Millionen vor sich darbende Rentner im Vergleich zur Weltrettung?" Wenn es denn noch Rente geben wird, sobald ich in dem Alter bin. Ich sorge vorsichtshalber noch anders vor.
Der Markt funktioniert, aber die politische Steuerung nicht. Wer nur Geld druckt und nicht baut, muss sich nicht wundern. Wenn die EZB weitere 2,5 Billionen Euro druckt wird es noch viel schlimmer werden.
Tja... sollen sie halt. Ich finde diese Klimaprotestler nervig weil sie realitätsfremd sind. Man kann natürlich auf biegen und brechen Öko-Ziele erreichen; die Leidtragenden sind meist aber jene, die eben keinen günstigen Wohnraum mehr finden und folglich woanders hin gehen müssen.
Ich habe die Wohnung, die ich 6 Jahre lang gemietet hatte, günstig gekauft und verkaufen kommt nicht in Frage - selbst wenn wir als Familie nun eine 3+-Zimmer-Wohnung zu dritt brauchen könnten. Die 2Z-Wohnung vermieten wir einfach.
Die Mitwohnenden können diese Frau doch gleich mitheiraten, ist auch voll hipster und angesagt, wenn schon teile, dann alles. Und als positiver Nebeneffect bekommt man dann noch zwei Mitehefrauen.
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Pauschalisierungen. Danke, die Redaktion/at
Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.
Ich wohne momentan noch allein in einer 3-Zimmer-Wohnung zur Miete. Ab Mitte nächsten Jahres höre ich auf zu arbeiten und werde viel reisen. Dann werde ich wohl auf die Suche nach einem Mitbewohner oder einer Mitbewohnerin gehen.
Mir kommt es gar nicht so sehr aufs Geld an sondern darauf, dass meine Wohnung nicht leer steht wenn ich unterwegs bin. Und wenn ich sowieso viel unterwegs bin, habe ich auch immer Zeit für mich, die ich mir im Moment nach einem anstrengenden / aufregenden Arbeits- oder Beziehungstag in meiner Wohnung nehme.
Außerdem wird der knappe Wohnraum im Zentrum der Großstadt besser genutzt.
Die Gründe für WGs sind halt vielfältig.
Auf die Suche sollten Sie vielleicht jetzt schon gehen, denn es gibt vermutliche viele Interessenten, aber doch eher wenige, die wirklich zu Ihnen und Ihren Vorstellungen passen.
Gut funktionierende WGs basieren entweder darauf, dass man keine grossen Ansprüche aneinander stellt, oder sind einfach ein Glücksfall.