"Ich schließe diesen Sommer mein Studium an der Universität Witten/Herdecke ab. Ich weiß, dass ich mit meinem Auslandssemester in Stockholm, diversen Praktika, unter anderem in Tokio, und meinem Engagement in der Fachschaft und einer studentischen Unternehmensberatung etwa das erfülle, wonach Unternehmensberatungen suchen. Der Beraterberuf reizt mich, weil ich dort schon als Einsteiger miterleben kann, wie internationale Konzerne arbeiten. Ich kenne die Argumente der großen Beratungsfirmen, die Studenten mit Recruiting-Events in schicken Hotels locken.
Aber gerade diese perfekten Veranstaltungen machen mich skeptisch. Ich kenne einige gestresste Jungconsultants, die keine Freizeit mehr haben und permanent unter Druck stehen. Mir ist es wichtig, anderen mit meiner Arbeit zu nutzen, und ich frage mich, ob die Beratungen wirklich langfristig im Sinne der Kunden handeln. Ich will später nicht nur Zeit für den Beruf, sondern auch für eine Familie haben. Aber ist das so in dieser Branche möglich?" fragt Paul Glaser, 25, Masterstudent General Management
"Muss ich als Berater nicht nur meine Projekte, sondern auch meine Freizeit ›managen‹ und werde ständig zwischen Job und Privatleben zerrieben?"
Verena Zang von Capgemini Consulting Hamburg antwortet: "Eins ist klar: Wer in die Beratung geht, hat einen stressigen Job, der ihn stark fordert. Während der Woche bleibt mir wenig Freizeit: Frühes Aufstehen, lange Arbeitszeiten und viele Hotelübernachtungen gehören dazu.
Ich bin von Montag bis Donnerstag – manchmal sogar bis Freitag auf Geschäftsreise unterwegs. Die meisten meiner Projekte sind in Deutschland, aber ich war auch schon im europäischen Ausland. Unter der Woche gehe ich abends mit meinen Kollegen aus. Da wir meist über mehrere Wochen hinweg zusammenarbeiten, entwickeln sich daraus auch oft neue Freundschaften. Am Anfang muss man sich auf jeden Fall umstellen, gerade wenn man in einer Beziehung lebt. Auch bei mir hat es etwas gedauert, Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen. Inzwischen hat sich das aber gut eingespielt. Schwierig wird es mit dem Beraterleben natürlich dann wieder, wenn man selbst eine Familie haben möchte.
Für eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit muss ich klare Prioritäten setzen: Während der Woche hat der Beruf Vorrang. Trotzdem versuche ich auch hier, mir jeden Tag mindestens eine Stunde Zeit zu nehmen, um mit meinem Freund zu telefonieren, mit Eltern oder Freunden zu sprechen oder E-Mails zu schreiben. Das klappt meistens, aber natürlich nicht immer.
Am Wochenende hat mein Privatleben Priorität: Dann tanke ich wieder Kraft und Energie, treffe mich mit Freunden, erledige den Haushalt und kaufe ein. Trotz der straffen Zeitplanung empfinde ich mein Leben jedoch kein bisschen als durchgetaktet.
Die Beratung hat, gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise, nicht überall den besten Ruf. Natürlich kommt es vor, dass ich auch mit den gängigen Klischees konfrontiert werde, die auch du ansprichst: ›Berater wollen doch nur Arbeitsplätze wegrationalisieren.‹ Das ist so nicht richtig. Deshalb bin ich auch durchaus selbstbewusst, wenn ich von Bekannten auf meinen Beruf angesprochen werde, und gehe offen damit um. Wenn ich erzähle, an welchen Projekten und Aufgaben ich arbeite, sind die meisten auch interessiert und finden spannend, was ich mache. Und auf die wenigen Unbelehrbaren kann ich dann guten Gewissens verzichten."
Kommentare
Achso ist das
"Und auf die wenigen Unbelehrbaren kann ich dann guten Gewissens verzichten."
Wie gut, dass die meisten auf Unternehmensberater verzichten können.
Wer keine Kritik verträgt sollte eben wirklich UB oder Anwalt werden.
Ich kenne PERSÖNLICH 4 Fälle, in denen UBs nur Geld gekostet haben, mit Ideen kamen, die jedes 5Jährige Kind hätte ausgraben können, und die am Ende sogar zur Pleite von 2 der 4 Unternehmen geführt haben.
120K Euro für die Aussage das 1,2 Stellen abgebaut werden müssen, in einer IT-Abteilung, die mit 3 Leuten, 300 Mitarbeiter betreut. Wer das ernsthaft vorschlägt, kann nicht ganz dicht sein.
Sorry, aber UB sind genau das gleiche wie Anwälte: Schimmel auf dem Brot.
Meine Erfahrung, und meine Meinung.
Geschäftsmodell Teil 1
Zunächst mal eine Anwort auf Kommentar #1: Ich kenne auch einen Friseur, der schlecht Haare geschnitten hat, deshalb sind alle Friseure Schimmel auf Brot. Soviel auf diesem Niveau.
Jetzt zum Artikel: Haben Sie tatsächlich mit Leuten gesprochen, oder haben Sie die Aussagen direkt aus den Recruiting-Broschüren abgeschrieben? Genau so klingen sie jedenfalls... Journalismus wäre, verschiedene Meinungen und Fälle zu beleuchten, und das Geschäftsmodell der typischen Beratungsunternehmen.
Natürlich kann man nicht alles über einen Kamm scheren, aber interessant wäre es einmal, der Außenwelt zu vermitteln, wie Unternehmensberatungen vom "üblichen Typ", v.a. die, die mit vielen Hochschulabsolventen arbeiten, als Geschäftsmodell funktionieren:
Umsatz = Anzahl Berater X Tagessatz
Kosten = Anzahl Berater X Gehalt
Viele Anfänger => geringe Effizienz => Viele Berater notwendig => hoher Umsatz
Viele Anfänger => geringe Kosten
hoher Umsatz - geringe Kosten = riesiger Gewinn
Es ist also extrem von Vorteil, viele Anfänger und wenig erfahrene Berater einzusetzen. Fast alles Andere, was es über "typische" Beratungsfirmen sagen kann, folgt daraus.
Sie haben...
...das Geschäftsmodell verstanden, Glückwunsch!
Konkreter kenne ich das aus der Informatik:
da werden häufig von sog. Junior-Beratern - völlig entgegen dem, was ja eigentlich die Informatik ausmacht - von Hand Tätigkeiten erledigt, die sich wunderbar automatisieren ließen.
Aaaaber:
1.)
Automatisieren ->fähiger MA nötig ->teuer für Beratungsfirma
von Hand ->Junior-Berater reicht -> billig für Beratungsfirma
2.)
Automatisieren ->schneller ->weniger Beratertage fakturierbar
von Hand ->dauert lange ->viele Beratertage fakturierbar
So einfach ist das!
Geschäftsmodell Teil 2
Das mit dem "frischen Blick von außen" stimmt zwar - aber wichtig ist hier das "von außen", und etwas Erfahrung gehört auch dazu. In der Regel ist es ja nicht der Anfänger, der hier den Input gibt - er macht die Excel-Tabellen. Die Richtung geben die Manager und Partner an, die zwischendurch eingeflogen kommen.
Da in den dominanten Marktsegmenten alle so arbeiten, nimmt sich hier niemand die Butter vom Brot. Und der Kunde weiß ja nicht, das ein oder zwei erfahrene Leute das gleiche oder mehr erreichen könnten als ein drei, vier oder fünfköpfiges Team aus "Anfängern" mit einem "Manager" (oder es ist ihm egal, solange es nicht sein eigenes Geld ist, und er mit einem Berater mit einer guten "Marke" auf der sicheren Seite ist).
"Und der Kunde weiß ja nicht, das ein oder zwei erfahrene Leute.
..das gleiche oder mehr erreichen könnten als ein drei, vier oder fünfköpfiges Team aus "Anfängern" mit einem "Manager" "
Der Kunde weiß das in der Regel schon, aber wegen der Substanz werden die Berater ja auch nicht engagiert.
Genauso wie der Kunde i.d.R. besser weiß, wo es im Unternehmen hakt - es ist schließlich seins.
Nein, der Job von Beratern besteht häufig darin unpopuläre Maßnahmen durchzudrücken, weil der Kunde den Ärger scheut.
Dann sind die Berater weg, und das Verhältnis zu den Mitarbeitern ist noch intakt.
Geschäftsmodell Teil 3
Für die Mitarbeiter heißt das umgekehrt oft viel Stress, bis tief in die Nacht - weil man eben nicht effizient ist. Dazu häufig Maximierung der Anwesenheit als Ritual. Dies sicher auch, um dem Kunden zu demonstrieren, dass man Versucht, das Maximum für sein Geld zu leisten. Was in Bezug auf den einzelnen Berater auch stimmt, nicht aber in Bezug auf das, was man als Firma leisten könnte, mit den richtigen, erfahrenen Ressourcen.
Die Arbeitszeiten gleichen daher häufig eher denen von Arbeitern aus der Frühzeit des Kapitalismus, bei geringfügig mehr Schmerzensgeld - was aber im Verhältnis zu den Tagessätzen von teilweise mehreren tausend Euro (jedenfalls in der Regel gut über tausend) trotzdem ein Witz ist. Bei branchenüblichen Tagessätzen und Spesenpauschalen (20%) reichen die Spesen häufig schon, um die Anfänger (inklusive der Reisekosten) zu bezahlen, der Rest ist Gewinn (bis auf ein paar Bürokosten). Insofern kann man meines Erachtens durchaus von "Ausbeutung" sprechen, trotz meist, aber nicht immer, etwas höheren Gehältern als in der Industrie (die sich aber schon bei der Umrechnung auf einen Stundenlohn häufig relativieren). Allein die Gerechtigkeitslücke, die sich daraus für die Mitarbeiter ergibt, ist Ärgernis genug.
Das Problem ist folglich nicht, dass die Qualität im Ergebnis grundsätzlich schlecht ist - sie ist jedoch häufig nicht so gut, wie sie im Verhältnis zum bezahlten Honorar sein könnte, oder jedenfalls zu teuer bezahlt.
Keine Ausbeutung!
In der Industrie wird nach Produktivität bezahlt- und Sie haben ja selber bestätigt, dass die jungen Mitarbeiter unproduktiv sind.
Letztlich sind die jungen Berater nur teure Azubis.
Gehen Sie mal in eine Sterne-Küche: das ist Ausbeutung!