Studenten tappen immer wieder in die gleichen Fallen. Warum das nicht so schlimm ist und was man daraus lernt
1. Alles lesen, was der Prof vorgibt
Alles schön Seite für Seite zu lesen ist ein ehrenwertes Ziel, kein Zweifel. Und deshalb starten jedes Semester von Neuem Studenten mit dem festen Vorsatz, dieses Mal wirklich die ganze Literaturliste zu schaffen. Wer weiß denn, ob es nicht gerade auf das Buch ankommt, das ich ausgelassen habe? Oder ob in diesem Kapitel nicht doch noch der Satz steht, der alles erklärt – selbst wenn sich der Text bis dahin liest, als sei er nur mit einem Ziel geschrieben: den Leser zur Strecke zu bringen. Mit welcher Absicht erstellen Dozenten Literaturlisten? Erstens, um eine Übersicht über alle relevanten Texte zum Thema zu geben (und bisweilen einen Einstieg in die Seitenaspekte), klar. Zweitens, um den Studenten, vor allem aber den Kollegen deutlich zu machen, wie anspruchsvoll sie sind. Das ist hier kein Schmalspurseminar, und meine Literaturliste ist länger als deine! Was die Professoren nicht jedem verraten: Sie selbst lesen oft nur die Einleitung und die Zusammenfassung. Wenn man sich erst einmal einen Überblick über Thesen und Stil der Autoren verschafft hat, weiß man meistens auch, worauf man sich stürzen möchte, um es von vorne bis hinten zu lesen. Vermutlich werden das eher die Klassiker einer Disziplin sein. Sich in ein Werk zu vertiefen schadet natürlich nie. Nur sollte man sich nicht schlecht fühlen, wenn man die zwanzig anderen nicht auch noch schafft.
2. Lernen, lernen, lernen – auch nachts und am Wochenende
Das Deutsche Studentenwerk hat in seiner aktuellen Sozialerhebung herausgefunden: 31 Prozent der Studenten wenden mehr als 50 Stunden pro Woche für Studium und Job auf. Das entspricht etwa der Arbeitsbelastung eines durchschnittlichen Managers – und ist einfach viel zu viel. Man sitzt in der Bibliothek und versucht, noch eine Formel in den Kopf zu kriegen, weil man sie doch braucht für die Klausur, da schweifen die Gedanken schon wieder ab, ins StudiVZ oder zu einem sympathischen Menschen zwei Reihen weiter vorne... Hart zu sein und sich zum Sitzenbleiben zu zwingen bringe dabei gar nichts, sagt Martin Krengel, der deutschlandweit Lernseminare gibt und einen ganzen Studi-Survival-Guide geschrieben hat. "Die Gehirnkapazität ist begrenzt, mehr als 35 Stunden pro Woche sinnvoll zu lernen, schafft man nicht." Niemand muss seine Freizeit abschaffen. "Richtige Pausen sind mindestens genauso wichtig wie das Lernen an sich." Dass man so leicht abschweift, kann nämlich auch damit zu tun haben, dass sich das Gehirn die Pausen einfach selbst holt. Also lieber mal rausgehen!
3. Zu viel Respekt vor dem Professor haben
Zugegeben, nicht alle Professoren sind so wie Theo Dingermann vom Institut für Pharmazeutische Medizin der Universität Frankfurt: Auf E-Mails antwortet er innerhalb von Minuten, und seine Bürotür steht stets offen, weshalb seine Studenten ihn auch zum Professor des Jahres 2009 in den Naturwissenschaften gewählt haben. "Ich halte es für sehr wichtig, dass Studenten den Kontakt zu ihren Professoren suchen", sagt er. Andere halten lediglich einmal pro Woche Sprechstunde, und die Warteschlange vor ihrem Büro zieht sich über den halben Flur. Schon hat man einen Haken geschlagen und sich vor dem Gespräch gedrückt, bei dem man womöglich sowieso nur mit dummen Fragen genervt hätte, und vielleicht wäre dem Prof auch noch eingefallen, dass man ja im letzten Semester die Hausarbeit zu spät abgegeben hat. Außerdem:
Man lernt doch, selbstbestimmt zu arbeiten, wenn man dem Prof aus dem Weg geht... Spätestens vor der Abschlussarbeit hilft das alles nichts mehr: Man braucht einen Betreuer, und da ist es gut, wenn man schon einen Kontakt hatte (siehe Punkt 10). Den aufzubauen ist gar nicht so schwer. "Wer ins Gespräch kommen will, muss keine komplizierten wissenschaftlichen Probleme erörtern", sagt Theo Dingermann. "Sie können den Professor zum Beispiel einfach fragen, ob er Ihnen dazu rät, während des Studiums ins Ausland zu gehen." Eine ganz simple Frage. Aber auch Professoren freuen sich, wenn sie als Ratgeber bei wichtigen Entscheidungen hinzugezogen werden. Nach den Klausurterminen zu fragen, die auch im Internet stehen, kommt dagegen weniger gut an.
4. Sich allein durchschlagen
Kommilitonen können anstrengend sein. In jeder Arbeitsgruppe gibt es einen, der seinen Teil verschlampt, einen, der sich von den anderen durchschleifen lässt, und einen, der alle Ergebnisse als seine Ideen verkauft. Also besser für sich allein studieren? Immerhin kann man sich auf sich selbst am besten verlassen und gerät auch nicht unter Druck, weil man sich dauernd mit anderen vergleicht. Kann man machen. Schadet auch nicht wirklich. Ist vielleicht ein bisschen doof, wenn man alle Vorlesungen selbst mitschreiben muss und sich über schwierige Klausuren mit niemandem austauschen kann. Und mit wem soll man am Ende die bestandene Prüfung feiern? Spätestens wenn man in den Beruf startet, trifft man sie alle wieder: den Chaoten, den Trittbrettfahrer und den Vorlauten. Da ist es nur von Vorteil, wenn man schon im Studium geübt hat, sich mit diesen Typen auseinanderzusetzen.
5. Sich zu spät zum nächsten Modul anmelden
ZEIT CAMPUS: Lutz Peters, als Leiter des Prüfungsamtes Erziehungswissenschaft an der Uni Hamburg kennen Sie die Ausreden der Studenten gut. Welcher Fehler wird denn am häufigsten gemacht?
Lutz Peters: Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig die Prüfungsordnung gelesen wird. Ich habe schon Verständnis dafür, das liest sich ja nicht besonders schön, aber dort steht alles Wichtige zu Anmelde- und Prüfungsfristen. Stattdessen geben Studenten zu viel auf Gerüchte. Wir hören oft: "Bei meinem Kommilitonen war das so..."
ZEIT CAMPUS: Wenn ich mich zu spät oder für das falsche Modul anmelde: Kann man da gar nichts mehr machen?
Peters: Wir müssen prüfen, ob durch das Versäumnis des einen ein anderer Student benachteiligt würde. Das ist das Hauptkriterium. Würden Sie also im Nachhinein einem anderen den Platz wegnehmen, lässt sich wenig machen. Wenn das nicht der Fall ist, versuchen wir hier immer, eine Lösung zu finden. Das ist aber stark abhängig vom Prüfungsamt und vom Fach.
ZEIT CAMPUS: Was passiert, wenn ich meine Veranstaltung nicht bekomme?
Kommentare
Erleichternd
Das spricht einem aus der Seele.
Angenehm zu lesen, dass man auch bei McKinsey auf sinnvolle Entschleunigung Wert legt. Oft hat man eher einen gegenteiligen Eindruck wenn man die ein oder andere Stellenanzeige liest.
Gelungener Artikel. Macht Mut.
Danke
Auslandsbafög
Dass ich nicht lache. Es ist leichter eine Audienz beim Papst zu bekommen, als ein halbwegs realistisches Auslandsbafög.
Den Stress tu ich mir sicher nicht nochmal an.
Auslandsbafög: durchaus realistisch für die Finanzierung
Liebe KleinePflaume,
Auslandsbafög ist nicht komplizierter im Antragsverfahren als Inlandsbafög. Sagt meine Erfahrung.
Und gemeinsam mit dem Erasmus-Stipendium und den Zuschlägen für die An- und Abreise reicht es meiner Erfahrung nach auch in den teureren europäischen Ländern zum Leben. In außereuropäischen Ländern bekommt man noch einen weiteren Zuschlag.
Hinzu kommt: Wer während seiner Urlaubssemester im Ausland Bafög bezieht, erhält insgesamt mehr Bafög. In meinem Fall waren es so insgesamt 11 Semester (9 Semester Regelstudienzeit + 2 "Urlaubs"semester im Ausland). Gleichzeitig können auch Leistungsnachweise aus dem Ausland angerechnet werden; das wiederum verkürzt die Zeit, die zuhause noch für den Abschluss des Studiums benötigt wird.
Also: Ein Auslandsaufenthalt während des Studiums kann sich auch finanziell lohnen.
MfG
Lycka.
Bloß keine 50 Stunden in der Woche lernen
Insgesamt ein guter Artikel der besonders Erstis und Leuten die sich zusehr mit dem Studium herumquälen zu empfehlen ist.
Eine Sache hat mich aber etwas verunsichert:
Lernen manche Leute wirklich 50 Stunden in der Woche für die Uni? Ich komme vielleicht auf 5, und das als Medizinstudent (in der Vorklinik waren es etwas mehr, vielleicht 10). Muss ich mir jetzt ein schlechtes Gewissen machen oder sind diejenigen die 50 Stunden lernen vielleicht im falschen Studiengang oder einfach mit zu wenig Talent ausgestattet?
50 Wochen sind ungewöhnlich? Echt?
Hi
Doch ja, es gibt sie, die 50 Wochenstundenlerner, ich gehörte auch dazu.
Ich studiere mittlerweile Geschichte und Philosophie Chinas sowie Religionswissenschaft.
Im BA lernte ich also eine völlig neue Sprache: Chinesisch. Das sind nicht nur neue Vokabeln, diese Vokabeln musste ich auch in Pinyin -mit richtigen Tönen- und in Schriftzeichen - in der richtigen Strichreihenfolge - können. Selbst wenn man seine Vokabelkarten ununterbrochen durchgeht, reicht das nicht. Seit einem Jahr habe ich keine Sprachkurse mehr und ich habe viel vergessen, weil ich nicht mehr so regelmäßig lerne. Chinesisch selbst ist eine Belastung, aber machbar.
Nur kam dazu dann auch noch das Klassische Chinesisch: Eine neue Grammatik, alte Zeichen, neue Bedeutungen.
Zudem lernte ich dann auch noch Sanskrit, wieder ein neues Alphabet und eine umfassende Grammatik und 8 Fälle mit 10Verbklassen.
Immernoch motiviert entdeckte ich die Koreanistik und begann auch noch Koreanisch zu lernen, und zwar das moderne in Hangul (neues Alphababet, neue Sprachart) und auch Hangja gehörten dazu (klass. Chinesische Zeichen mit koreanischer Aussprache und Funktion)
Und das alles neben dn normalen Vorlesungen und Seminaren. Wegen meines hohen Leistungsanspruchs konnte ich es natürlich nicht ertragen schlechtere Noten als eine 1- zu bekommen.
Ich hatte kein Leben mehr und bin darüber krank geworden. Nun in der zweiten Hälfte meines Studiums lerne ich die Entschleunigung und das Mal-Sein-Lassen.
mfg
Saciel
@Ewok
also es gibt durchaus leute die soviel lernen, was hier nur mal wieder niemand weiß oder schreibt: es ist in jedem Studiengang anders.
Bei Naturwissenschaften und Ingenieure sind eigener Erfahrung nach 50h/woche eher die untere Grenze, vorallem beim Bachelor.
5h/woche sind aber schon extrem wenig, da machen sogar Informatiker und Architekten im Hauptdiplom mehr.
Zeitaufwand je nach Studiengang und interindividuell verschieden
Natürlich ist es in jedem Studiengang anders (und jeder lernt auch individuell anders). Bevor ich Medizin studiert habe, habe ich mich in Geophysik versucht. Dort hatte ich anders als jetzt kaum Lehrveranstaltungen, da davon ausgegangen wurde dass man sich das meiste selber erarbeitet indem man Übungsaufgaben durchrechnet. Damit bin ich überhaupt nicht klar gekommen.
Jetzt im Medizinstudium habe ich mehr als doppelt soviel Semesterwochenstunden (>40), man ist oft von 8-17 oder 18 Uhr in der Uni. Dafür lernt man in den Vorlesungen, Seminaren und Praktika dann auch schon das meiste was man für die Prüfungen braucht. Viele müssen dass dann zwar noch nachbereiten und wiederholen, bei mir bleibt zum Glück das meiste auch so hängen. Zugegebenermaßen bin ich mit den 5 Stunden auch in meinem Fach ziemlich am unteren Rand der Lernaufwandtabelle.