Dass Dozenten zu Vorlesungsbeginn die Anwesenheit kontrollieren, ist in vielen Fachbereichen umstritten. Medizinische Fakultäten sind durch die staatliche Approbationsordnung dazu verpflichtet, die regelmäßige Teilnahme der Studenten zu prüfen. Um diesen Kontrollvorgang reibungsloser zu machen, wird die Anwesenheit der beiden jüngsten Jahrgänge an der Medizinischen Fakultät Mannheim, die zur Universität Heidelberg gehört, elektronisch erfasst: Zu Beginn jedes Seminars müssen die Studenten eine Plastikkarte mit einem Elektrochip vor ein fest montiertes Lesegerät halten, um sich als anwesend zu melden. Im Internet können sie später überprüfen, ob sie korrekt registriert wurden.
»Diese Technik ist total ungenau und fehleranfällig«, sagt Nicole Eichhorn aus der Fachschaftsinitiative Medizin. »Ich war in meinem Wahlfach angeblich zu 90 Prozent nicht anwesend. Und das, obwohl ich mich immer eingescannt habe!« In einer Facebook-Gruppe beschweren sich auch noch andere Studenten darüber, dass die Präsenz falsch verbucht werde. Das sei ärgerlich, denn wer laut System zu oft fehlt, fällt durch.
Studenten klagen über Fehlbuchungen
Für Harald Fritz vom Geschäftsbereich Studium und Lehrentwicklung der Uni Mannheim ist das nur eine Frage des richtigen Umgangs. »Wenn die elektronische Anwesenheitserfassung mal nicht klappt, liegt das selten an der Technik«, sagt er. »Meist hat der betreffende Student einfach vergessen, seine Karte mitzubringen oder an den Leser zu halten.« Für ihn ist der Modellversuch vielversprechend. Früher habe es beim maschinellen Einlesen der alten Papierlisten größere Ungenauigkeiten gegeben, manchmal seien ganze Unterschriftenbögen verloren gegangen. Ob die elektronische Anwesenheitserfassung auch auf andere Jahrgänge oder Fakultäten ausgeweitet werden kann, soll nun eine Evaluation klären.
Vorerst führt der Traum von der papierlosen Universität zu noch mehr Zettelwirtschaft – denn die Studenten schreiben ihre Korrekturanträge an das System ganz altmodisch auf einen Formularzettel, den sie im Sekretariat abgeben.
Kommentare
Ist ja ganz schön
...die Sache, aber wer kontrolliert jetzt ob nicht ein StudentIn gleich drei oder vier Karten mitbringt um für säumige Kommilitonen zu "stempeln"?
Ist es richtig das im Bereich Medizin schon lange eine gewisse Anwesenheitspflicht herrscht?
Dachte das gäbe es erst seit Bologna...zumindest in Vorlesungen.
Das man bei Praktika anwesend sein muss, da man diese bestehen muss um für Klausuren zugelassen zu werden ist klar.
Studiengebühren
Nachdem dank der Studiengebühren jetzt schon jede Toilette über einen Beamer verfügt, ist dies wohl der nächste Schritt in der nach Sinnhaftigkeit geordneten Liste von Maßnahmen zur Förderung der Qualität in der Lehre. Ich bin geblendet von der Fortschrittlichkeit der akademischen Lehre in Mannheim, die elektronische Erfassung ist im Vergleich zu den alten handunterschriebenen Listen schon ein Quantensprung.
Sicherlich profitiere ich dereinst auch als Patient der dort ausgebildeten Ärzte von deren Fortschrittlichkeit. Ich will lediglich hoffen, dass nicht der so sozialisierte Anästhesist, der plötzlich bar jeder elektronischen Anwesenheitskontrolle während seiner ersten eigenen Narkose das bisher unbekannte beflügelnde Gefühl der (dann post-)akademischen Freiheit spürt, diesem nachgibt.
Nutzlos
"wer kontrolliert jetzt ob nicht ein StudentIn gleich drei oder vier Karten mitbringt um für säumige Kommilitonen zu "stempeln"?"
Das sagt alles.
Obwohl, man kann ja zu 90% nicht hingehen und dann einen Korrekturantrag stellen, ist sicher effektiver als eine Unterschriftenliste
System Ausschreibung
Wie es hier gelaufen ist, das weiß ich freilich nicht, aber oft steckt hinter solchen Pannen das System Ausschreibung: Kann eine öffentliche Einrichtung etwas nicht selbst auf die Beine stellen, dann wird es als Auftrag an den günstigsten Anbieter vergeben.
Es gilt aber auch hier: Man bekommt das, für was man zu zahlen bereit ist. Der Einsatz neuer technischer Systeme klappt dann selten reibungslos. Wenn man dann zum Beispiel als Lehrender erfährt, dass das neue System zur Erfassung der Prüfungsleistungen, das die Papier-Scheine ablöst, keine richtige Datensicherung eingebaut hat, wohl aber von etwa 25.000 Studenten alle Veranstaltung von Immatrikulation bis Examen erfassen soll, dann wird einem ganz anders.
Dann wird über Jahre nachgebessert und irgendwann funktioniert es dann doch irgendwie. So weit ich weiß, werden in der Schweiz die Aufträge immer an den zweitgünstigsten Anbieter vergeben. Das wäre doch mal ein Fortschritt, wenn wir das auch so hielten.