Dritte These: Wer im Handel arbeitet, wird schlecht bezahlt
Kommt drauf an. Mit etwa 34.000 Euro brutto ist das Jahresgehalt für Einsteiger im Handel tatsächlich eher bescheiden. Zum Vergleich: Die Chemiebranche zahlt laut der Gehaltsdatenbank personalmarkt.de im Mittel rund 45.000 Euro, vergleichbar mit dem Verdienst bei Banken. Die Pharmabranche liegt bei 43.000 Euro und die Konsumgüterindustrie bei etwa 39.000 Euro.
Die Bezahlung hängt jedoch von mehreren Faktoren ab, zum Beispiel dem Studienabschluss. Masterabsolventen können im Handel mit rund 36.000 Euro im Jahr rechnen, für Bachelors sind es 3.000 Euro weniger.
Auch das Studienfach wirkt sich auf die Bezahlung aus: Ingenieure starten im Handel mit einem Einstiegsgehalt um die 36.500 Euro, Wirtschaftswissenschaftler, die unter die Verkäufer gehen, bekommen rund 34.500 Euro. Geistes- und Sozialwissenschaftler müssen sich mit etwa 30.000 Euro zufriedengeben.
Außerdem gilt, wie auch in anderen Branchen: Je größer das Unternehmen, desto höher fällt das Gehalt aus. Unternehmen mit unter hundert Mitarbeitern zahlen im Schnitt rund 6.000 Euro weniger als Handelsgiganten.
Vor allem aber kann sich die Finanzlage trotz der recht niedrigen Anfangsvergütung schnell verbessern. Der Grund: Berufsneulinge können im Handel zügiger und früher aufsteigen als in vielen anderen Wirtschaftszweigen. Wer seine Vorgesetzten überzeugt, hat häufig schon mit Ende zwanzig mehrere Filialen unter sich und trägt Verantwortung für Hunderte von Mitarbeitern. Das schlägt sich dann auch im Portemonnaie nieder. Nach wenigen Jahren Berufserfahrung kann das Gehalt dann bereits bei 50.000 Euro liegen.
Vierte These: Jobs im Einzelhandel sind unsicher, die Zukunft heißt E-Commerce
Das ist nicht ganz richtig. Wahr daran ist: Der E-Commerce boomt und hat sich in nur wenigen Jahren von einer Randerscheinung zum Riesentrend entwickelt. Immer mehr Kunden kaufen im Internet ein, shoppen mit dem Tablet auf der Couch oder mit dem Smartphone in der U-Bahn. Noch im Jahr 2000 erwirtschaftete der Einzelhandel gerade mal 2,5 Milliarden Euro über das Internet. Im vergangenen Jahr waren es schon 29,5 Milliarden Euro, und dieses Jahr soll der Umsatz um weitere zwölf Prozent auf 33 Milliarden Euro klettern.
Wahr ist aber auch, dass der allergrößte Teil der Waren noch immer im Laden gekauft wird. Fast 400 Milliarden Euro Umsatz machte die Branche damit im vergangenen Jahr. Die Studie Trends im Handel 2020, die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und dem EHI Retail Institute herausgegeben wird, kommt zu dem Ergebnis, dass die Läden vor Ort auch in den nächsten Jahrzehnten die Einkaufsquelle Nummer eins bleiben werden.
Auch Wilfried Malcher vom HDE sagt: "E-Commerce hat einen viel zu kleinen Anteil am Umsatz, um Arbeitsplätze im stationären Handel zu gefährden." Allerdings sind einige Branchen stärker von der Konkurrenz im Netz betroffen als andere: Vor allem Elektroartikel und Kleidung werden im Internet gekauft, Bücher und CDs immer mehr durch digitale Angebote ersetzt.
Der wachsende E-Commerce gefährdet nicht nur alte Jobs, sondern schafft auch neue. Gerrit Heinemann, der das eWeb-Research Center der Hochschule Niederrhein leitet, sagt, dass "mindestens 10.000 Stellen im E-Commerce-Umfeld unbesetzt sind". Absolventen, die sich mit E-Commerce auskennen, seien zurzeit sehr begehrt.
Kommentare
Auf der Zunge zergehen lassen:
" Ohne Praxiserfahrung haben Bewerber keine Chance"
- Woher sollen Bewerber Praxiserfahrung sammeln? Durch unbezahlte Praktika?
"Wer einen Laden bisher nur beim Einkaufen von innen gesehen hat, ist im Nachteil."
- Soll er Praktika machen? (siehe oben)
"Gebraucht wird nicht nur, wer Wirtschaft studiert hat. Die Personalabteilungen suchen auch Juristen und Psychologen. Geisteswissenschaftlern bieten sich Chancen im Marketing, Informatikern im Onlinehandel."
- Juristen um Klagen abzuwenden? Psychologen um Personal mental zu trainieren? Geisteswissenschaftler um die Aura des Unternehmens zu vermitteln?
Vielleicht sollte man das Personal an der Basis besser bezahlen. Diese Personen bekommen es mit, wenn Kunde zufrieden oder unzufrieden ist.
Wenn aber nur als Mindestjob bezahlt wird, interessiert es das Personal?
Wenn ich einkaufen gehe, bin ich immer ein Hindernis für die Logistik des jeweiligen Geschäftes. Mein "Reise mit dem Einkaufswagen" durch das Geschäft wird immer durch sogenannte "Einräumer" zum Frusterlebnis. Es hieß mal in vergangenen Jahren "der Kunde ist König", jetzt heißt es nur noch "der Gewinn ist der Kaiser".
Ausbildungskosten
Ich bezweifle sehr, dass die Jobs im Handel- und Dienstleistungsbereich komplexer und anspruchsvoller werden. Braucht man also Hochschulabsolventen? Ganz sicher nicht. Nur gibt es inzwischen genügend FH-Absolventen und die Betriebe können so einen Teil ihrer Ausbildungskosten der Öffentlichkeit aufdrücken. Mehr steckt eigentlich nicht dahinter.