Wer Medizin studiert, wird Mediziner, wer Architektur studiert, wird Architekt. Aber als was und vor allem wo arbeiten Germanisten, Soziologen und Historiker? Viele Studenten entscheiden sich einfach aus Interesse für ein geisteswissenschaftliches Fach. In welchen Berufen sie dann später arbeiten können, wissen sie oft nicht.
"Geisteswissenschaftler sind Generalisten. Sie haben auf dem Arbeitsmarkt viel mehr Möglichkeiten, als sie denken", sagt Katrin Schütz, Leiterin der Praktikumsbörsen für Geisteswissenschaftler an der Humboldt-Universität (HU) in Berlin. Nicht nur in Verlagen, Museen oder Archiven sind Geisteswissenschaftler tätig, sondern auch in der Wirtschaft , bei Unternehmen und Banken, zum Beispiel in der Öffentlichkeitsarbeit, der Personalabteilung oder im Marketing. Mehr als die Hälfte der Absolventen, rund 60 Prozent, sind dabei laut einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) fachfremd beschäftigt.
Denn Unternehmen schätzen bei ihren Mitarbeitern häufig Kompetenzen und Fähigkeiten, mit denen gerade Geistes- und Sozialwissenschaftler punkten können: Organisationstalent und Fremdsprachenkenntnisse, die Fähigkeit, sich schnell in neue Themengebiete einzuarbeiten, Kommunikationsstärke, analytisches Denken und das kreative Arbeiten. "Diese Soft Skills, die im interdisziplinären Kontext oft gebraucht werden, bringen viele Absolventen mit und können diese auch im Arbeitsleben einbringen", sagt Katrin Schütz. Auch Denise Timm, Personalmanagerin beim Hamburger Carlsen-Verlag, legt darauf mehr Wert als auf den passenden Studiengang. "Das Fach, in dem ein Bewerber seinen Studienabschluss erlangt hat, fällt bei uns kaum mehr ins Gewicht. Wir schauen, welche Qualifikationen jemand außerhalb des Studiums erworben hat. Für uns zählt das Gesamtpaket", sagt sie.
Wichtig für Geisteswissenschaftler ist es auf jeden Fall, sich so früh wie möglich Gedanken darüber zu machen, wohin es beruflich gehen könnte. "Man sollte sich überlegen, wo die eigenen Potenziale liegen: Was kann ich? Was kann ich nicht? Was macht mir Spaß?", empfiehlt Katrin Schütz von der HU. Redet man nicht gerne vor Publikum, ist eine Stelle, bei der man auch Führungen im Museum gibt, wahrscheinlich nicht das Richtige. Vielleicht kann man aber gut organisieren, dann ist man im Hintergrund, bei der Konzeption von Ausstellungen, besser aufgehoben.
Veranstaltungen und Workshops zur Berufsorientierung bieten beispielsweise die Career-Center der Universitäten an. Fachschaften laden häufig Praktiker ein, die aus ihren Berufen berichten, und auch Job- und Karrieremessen sind geeignet, um Kontakte mit Unternehmen und Organisationen zu knüpfen. Diese Angebote sollte man als Student auf jeden Fall nutzen, am besten, wenn man noch in der Orientierungsphase ist – zur Not aber auch noch später.
Außerdem sollte man versuchen, Praxiserfahrung zu sammeln. Ratsam dabei ist es, sich zu spezialisieren und nicht in allzu viele Gebiete hineinzuschnuppern, sonst steht man am Ende des Studiums vielleicht wieder planlos da. "Natürlich darf man sich aber am Anfang des Studiums erst einmal ausprobieren", sagt die Praktikumsexpertin Katrin Schütz. "Ein Praktikum in einem Lektorat und danach eins bei einem Reiseveranstalter, das ist durchaus sinnvoll." Dann sollten sich Studenten aber Gedanken machen, wohin sie der berufliche Weg führen könnte. Ein roter Faden sollte im Lebenslauf am Ende des Studiums erkennbar sein. Um einen ersten Einblick in eine bestimmte Branche zu bekommen, reicht ein Praktikum zur Orientierung von vier bis sechs Wochen aus. Wenn man noch unsicher ist, was wirklich zu einem passt, kann man nach dem Ausschlussverfahren vorgehen: Vielleicht merkt man bei einem Praktikum im Verlag nach ein paar Tagen im Lektorat schon, dass einen die Prüfung von Manuskripten nicht interessiert, dafür aber die Öffentlichkeitsarbeit für das Verlagsprogramm. Während des Praktikums sollte man versuchen, in unterschiedliche Tätigkeitsfelder schauen und mit Kollegen aus anderen Abteilungen sprechen zu können.
Kommentare
""Netzwerken ist wichtig!""
Nun, meine Erfahrung ist, dass wirklich gute GeisteswissenschaftlerInnen schon während eines Praktikums Stellen angeboten bekommen, demgegenüber die Praktikanten, die negativ auffallen, höchsten mit Vitamin B eine Stelle ergattern können oder Hartz IV Empfänger werden.
Das Praktikum ist nicht alles
Also, das ist eine haltlose Unterstellung, dass man mit einem negativen Praktikum später Hartz IV beziehen wird oder nur durch Kontakte eine Stelle bekommt. Bei dem schlechten Praktikum ist man ja vielleicht negativ aufgefallen, weil man mit der Stelle oder der Firmenstruktur oder dem Vorgesetzten nicht klar kam – es liegt nicht immer an den Praktikanten!
Vielmehr hakt man das schlechte Praktikum ab und fängt woanders neu an. Dort kann man durchaus wieder durch Leistung beeindrucken. Zumindest ist das meine persönliche Erfahrung: In meiner ersten Firma kam ich wegen strenger Hierarchie und ständig nörgelnden Vorgesetzten nicht klar, während ich bei meiner jetzigen Firma von anfang an gut integriert war, für meine Leistungen gelobt werde, mich wohl fühle und dementsprechend motiviert bin, wirklich gute Leistungen zu bringen.
Against Selbstoptimierung
"Immer schön Praktika machen, dann klappt das schon" - mit diesem Satz, den ich in den letzten Jahren sehr oft gehört habe, meist von besorgten Eltern, wird ein vermeintliches Sicherheitsnetz vermittelt, doch eigentlich hilft dieser Satz niemandem. Besonders unbezahlte Praktika, die im sog. "Kulturbetrieb" nach wie vor oft die Regel sind, stehen für Selbstausbeutung und Selbstoptimierung. Es gibt auch Wege jenseits davon. Das Kulturmagazin QUEMADA schreibt darüber: http://quemadamag.de
Na klar, ich weiss, jeder muss nach dem Studium einen Job finden und in den Universitäten ist nun mal nicht genug Platz für alle Geisteswissenschaftler. Jedoch sehe ich nur ungern einen Trend in der Repräsentation der Geisteswissenschaften entstehen, der in der unspezifischen (weil nicht auf einen exakten Beruf ausgerichteten, sehr wohl aber spezifisch in einem Fach/Feld/Forschungsbereich) und breiteren Ausbildung einen Nachteil sieht.
Obwohl dies wohl auch der Bolognasierung der universitären Bildung zuzuschreiben ist, die sich allein nach den Maßstäben der Wirtschaft richtet (und das noch nicht mal besonders gut), ist die öffentliche Wahrnehmung und auch die öffentlich-mediale Repräsentation der Geisteswissenschaften essentiel um diesem Trend entgegenzuwirken.
Statt die Geisteswissenschaften als letztes universitäres Feld ohne irgendein konkretes Ziel (siehe Artikelüberschrift) abzuwerten, sollte man versuchen die Tatsache zu werten, dass hier eine, zum Teil bereits eingeschränkte, breite Bildung möglich ist, die dem ursprünglichen Ideal der universitären Bildung nahe kommt, eben weil man NICHT für die Wirtschaft und die Konzerne exakte Ausbildung betreibt.
NATÜRLICH muss am Ende des Studiums eine Berufschance stehen, natürlich ist Uni auch Berufsausbildung und NATÜRLICH war vor dem Bachelor/Master nicht alle Klasse. Man sollte nur überdenken, ob jede Reform automatisch eine gute Reform ist.
Do it yourself
Irgendwie haben die meisten dieser Studien-Ratgeber einen recht gebieterischen Unterton. 'Tu dies, lass das, mach auf keinen Fall jenes, sei locker, trotzdem ehrgeizig, lass dir Zeit, du darfst dich aber auch gerne mal stressen'.
Vielleicht würde man diese Ratschläge ernster nehmen, wenn man merken würde, dass man selbst auch von diesen 'Erfolgreichen Repräsentanten' ernst genommen wird und dass man reicher belohnt wird als mit Brotkrumen, die von diesen 'Vorbildern' gönnerhaft fallen gelassen werden.