Warum reagieren Weiße so abwehrend, wenn es um Rassismus geht? Weil sie es nicht gewohnt sind, sich mit ihrem Weißsein zu befassen, sagt die Soziologin Robin DiAngelo.
Unter dem Hashtag #MeTwo schildern seit Wochen people of color in Deutschland ihre Erfahrungen mit Rassismus, auch auf ZEIT Campus ONLINE. Sie erhielten viel Aufmerksamkeit und Unterstützung. Doch sie stießen auch auf Ablehnung, ihre Berichte wurden in Zweifel gezogen und es wurde öffentlich diskutiert, ob es sich bei den Erfahrungen um Rassismus handelte oder ob es überhaupt Rassismus in Deutschland gäbe. Warum ist das so?
Die Soziologin Robin DiAngelo forscht seit Jahren zu dieser Frage. Sie arbeitet in den USA und beobachtet in Workshops mit Weißen zum Thema Rassismus immer wieder dieselben Reaktionen. Diesem Handlungsmuster hat sie den Begriff white fragility (weiße Zerbrechlichkeit) gegeben. Außerdem erforscht sie, was es bedeutet, in einer weißen Gesellschaft weiß zu sein. Wir haben mit ihr über die Rassismusdebatte in Deutschland gesprochen.
ZEIT Campus ONLINE: Frau DiAngelo, seit Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft zurückgetreten ist und als Grund dafür Rassismuserfahrungen anführte, teilen viele people of color in Deutschland ihre eigenen Erfahrungen mit Rassismus unter dem Hashtag #MeTwo. Wie, denken Sie, hat die weiße deutsche Öffentlichkeit darauf reagiert?
Robin DiAngelo: Ich schätze, abwehrend: indem sie das Thema kleinredet oder sagt, das, was diese Menschen schildern, sei kein Rassismus. Es könnten auch Sätze fallen wie: "Wenn es dir hier nicht gefällt, geh doch dahin, wo du herkommst."
ZEIT Campus ONLINE: So haben tatsächlich viele Weiße reagiert – es gab eine Menge Zuspruch und Unterstützung für people of color, aber auch in großen Medien und online gab es viel Ablehnung. Warum reagieren Weiße so, wenn sie mit Rassismus konfrontiert werden?
DiAngelo: Wir Weiße sind es nicht gewohnt, mit unserem Rassismus konfrontiert zu werden. Also reagieren wir auf eine Art, die den rassistischen Status quo aufrechterhält. Denn unsere Ablehnung führt dazu, dass people of color aufhören, uns ihre rassistischen Erfahrungen mitzuteilen, weil sie befürchten, dafür angegriffen zu werden. Es kann sein, dass Weiße nicht absichtlich oder bewusst so ablehnend reagieren, aber das ist das Ergebnis.
ZEIT Campus ONLINE: Was ist dieser "rassistische Status quo"?
DiAngelo: Das ist der aktuelle Zustand, in dem es normal für people of color ist, überall Rassismus zu erleben. Meistens, wenn Weiße über Rassismus sprechen, herrscht die Idee vor, dass Rassisten böse Individuen sind, die absichtlich und bewusst andere Menschen aufgrund ihrer Herkunft verletzen wollen. Deshalb sehen Weiße meist nur expliziten Rassismus: Sie müssten das N-Wort sagen, bevor viele Weiße Sie als Rassisten sehen würden. Aber wenn das meine Vorstellung eines Rassisten ist, werde ich mir als Weißer niemals eingestehen können, dass auch ich mich rassistisch verhalte. Denn das würde mich zu einem schlechten Menschen machen. Deshalb müssen wir unser Verständnis von Rassismus erweitern.
ZEIT Campus ONLINE: Inwiefern?
DiAngelo: Zum Beispiel ist die Ablehnung, die Wut, das Wegreden-Wollen vieler Weißer als Reaktion auf das #MeTwo-Hashtag auch eine Form von Rassismus. Denn sie verunglimpft people of color und ihre Erfahrungen. Diese Menschen berichten von Weißen, die sich selbst niemals als rassistisch sehen würden. Aber wenn wir nicht offen dafür sind, zu lernen, wie dieser Rassismus von uns ausgeht, dann werden wir ihn immer weiter aufrechterhalten. Wir müssen lernen, die weiße Überlegenheit, die wir alle internalisiert haben, zu reflektieren.
ZEIT Campus ONLINE: Was meinen Sie mit internalisierter weißer Überlegenheit?
DiAngelo: Die meisten Weißen, die den Begriff weiße Überlegenheit hören, denken an jemanden mit einer weißen Robe und spitzen Kapuze – an den Ku-Klux-Klan. Aber Soziologen nutzen den Begriff, um die Kultur weißer Gesellschaften wie Deutschland und der USA zu beschreiben, in denen andauernd Signale ausgesendet werden, dass Weiße die menschliche Norm seien, ein menschliches Ideal. Und dass jeder Nichtweiße eine Abweichung von diesem Ideal ist.
Kommentare
Das sieht man hier im Forum, wenn manche Mitforisten die persönlich Beleidigten spielen und nicht merken das es garnicht um sie geht.
Rassismus gibt es zwar wird irgendwie zugegeben, aber jedes Beispiel das genannt wird, wird klein geschrieben und so getan als sei es nur irgendwie der mimosenhafte der mal wieder sein wehweche beklagt.
„Rassismus gibt es zwar wird irgendwie zugegeben, aber jedes Beispiel das genannt wird, wird klein geschrieben“
Mag vereinzelt stimmen, jedoch sollte man fairerweise auch hinterfragen, ob das Rassismus-Thema teils nicht überzogen wird. Mich nervt es mittlerweile meistens, vor allem wenn damit Streitpunkten moralisch begegnet wird, die offenkundig nicht rassistisch motiviert sind. Zum Beispiel ist es für mich nicht rassistisch, wenn ein Mensch nicht grenzenlos teilen will.
In der Causa Nationalmannschaft ist es natürlich bezeichnend, dass nicht die Verantwortlichen (Löw/Bierhoff/Grindel) den Hut genommen haben, sondern sich Özil als Sündenbock ausgesucht haben.
Da warte ich immer noch auf einen Rücktritt. Aber der DFB scheint ähnlich korrupte Strukturen wie die FIFA aufzuweisen, die es ermöglichen, dass man keine Verantwortung für sein Handeln übernehmen muss.
Özil hat die Integration der Türken um ein Jahrzehnt nach hinten geworfen!
Warum sollte da wer zurücktreten, oder okay, weil man ihn überhaupt erst mitgenommen hat!
Für alle Kurden, die unter Erdogan leiden, ist ein Özil im Nationaltrikot ein Integrationshinderniss.
Mein Gott Sie sind alle so verloren. Die waschechten Rassisten kommen dieser Tage aus der anderen politischen Ecke. Diese ekelerregend Besessenheit mit Hautfarbe und Geschlecht und was weiß ich noch.
Ahso der der den Rassismus anspricht und auf Probleme hinweist ist das Problem und nicht der Rassist und die die sich schlecht benehmen.
So kann man natürlich auch die Geschichte verdrehen und die Täter zum Opfer machen.
"Weil sie es nicht gewohnt sind, sich mit ihrem Weißsein zu befassen, sagt die Soziologin Robin DiAngelo"
Vielleicht sollten sich Leute mal eher weniger mit dem Soundsofarbigsein befassen denn mehr?
Wer versucht eigentlich genau diese Rassengeschichte beizubehalten und wer versucht wirklich sie zu überwinden? Ich habe den Eindruck, manche schätzen da ihr eigenes Vorgehen falsch ein, auch in der Soziologie.
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf überzogene Polemik. Danke, die Redaktion/as