Erniedrigung, Kontrolle, Schläge: Auch junge Menschen erfahren Gewalt durch den Partner. Wie man sich davor schützen kann, eine solche Beziehung einzugehen.
Jeden dritten Tag wird eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 114.000 Frauen Opfer von Gewalt in ihren Beziehungen. Katharina Göpner arbeitet beim Bundesverband Frauen gegen Gewalt e. V., dem Dachverband aller Frauen-Beratungsstellen in Deutschland. Sie spricht sich dafür aus, ein Augenmerk besonders auf junge Menschen und ihre Beziehungen zu richten.
ZEIT Campus ONLINE: Ein Mann mittleren Alters, der betrunken aus der Kneipe nach Hause kommt und seine Frau verprügelt: So ließe sich überspitzt das Klischeebild eines gewalttätigen Partners beschreiben. Wie viel Wahrheit steckt da drin?
Katharina Göpner: Den typischen Täter gibt es nicht. Gewalttätige Männer kommen aus allen sozialen Schichten, unabhängig von Herkunft oder kulturellen Hintergründen. Gleiches trifft auf ihre Opfer zu. Das Erschreckende ist, dass schon jugendliche Mädchen in ihren ersten Beziehungen oft Gewalt erfahren. In der Altersgruppe von 14 bis 18 Jahren haben bereits zwei Drittel Erfahrungen mit Gewalt in Beziehungen gemacht.
ZEIT Campus ONLINE: Äußert sich Gewalt in Beziehungen junger Menschen anders als bei älteren?
Göpner: Generell können alle Formen der Gewalt, die in einer 25-jährigen Ehe stattfinden, auch in Partnerschaften junger Menschen eine Rolle spielen: psychische, sexuelle oder körperliche Gewalt. Bei jungen Menschen sind aber auch oft subtilere Formen ein Thema, etwa soziale Kontrolle.
ZEIT Campus ONLINE: Wie äußert sich diese?
Göpner: Anfangen kann es damit, dass der Partner verlangt, die Nachrichten auf dem Handy seiner Freundin zu kontrollieren. Oder darüber bestimmen will, mit wem sie sich trifft. Oder ihr sagt, was sie anziehen darf und was nicht.
ZEIT Campus ONLINE: Ist das auch schon Gewalt?
Göpner: Die Frau muss die Frage für sich beantworten: Womit fühle ich mich in der Beziehung wohl, womit nicht mehr? Wo werde ich eingeschränkt?
Oft geht psychische Gewalt körperlichen Übergriffen voraus
ZEIT Campus ONLINE: Und sobald man sich nicht mehr wohlfühlt, kann man von Gewalt durch den Partner sprechen?
Göpner: Letztendlich geht es uns nicht um Definitionen, sondern darum, dass sich eine Frau von ihrem Partner auf welche Weise auch immer verletzt oder bedroht fühlt. Bei einer Beratungsstelle nimmt man den Fall der Frau, deren Freund das Handy kontrolliert, auf jeden Fall ernst. Denn so etwas kann auch eines der ersten Anzeichen sein, dass der Partner zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich handgreiflich wird.
ZEIT Campus ONLINE: Sind Kontrolle und psychischer Druck Frühwarnzeichen für einen gewalttätigen Partner?
Göpner: Ja, oft geht psychische Gewalt körperlichen Übergriffen voraus oder damit einher. Das ist in mehreren Studien belegt worden. Nur nehmen Frauen diese Warnsignale oft noch gar nicht als Übergriffe wahr. Das ist auch ein Problem, dass Betroffene oft erst dann von einer Gewalterfahrung sprechen, wenn sie geschlagen oder vergewaltigt wurden.
ZEIT Campus ONLINE: Kann sich ein junger Mensch, der auf der Suche nach einer festen Beziehung ist, schon im Vorhinein gegen Gewalterfahrungen wappnen?
Göpner: Nicht gänzlich, denn: Jeder kann sich in einen gewalttätigen Menschen verlieben. Es ist auch ganz wichtig, das den betroffenen Frauen zu signalisieren: Sie tragen keine Schuld daran, sich mit einem Menschen eingelassen zu haben, der sie verletzt hat. Aber es gibt wirksame Prävention.
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"Viele Betroffene öffnen sich erst sehr spät"- 1
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Kommentare
"Grenzen zu definieren und diese auch zu kommunizieren" meines Erachtens unabdingbar für jede Form von Beziehung. Selbst der wohlwollendste Mensch kann keine Gedanken lesen.
"So schwer das ist, man muss es als ihre Entscheidung akzeptieren. Aber sie nicht fallen lassen, sondern weiter bei ihr bleiben und ihr die Unterstützung anbieten."
Meine Efahrung mit Tante, Schwester, Freundin und Freund. ... ganz schnell die Fliege machen und sich nicht in toxische Beziehung hineinziehen lassen. Viele sehen sich als Opfer und in dieser Rolle bleiben sie oft ein Leben lang, eben durch die Unterstützung der Umwelt. Wenn sie dann ganz alleine sind reagieren sie und brechen irgendwann aus, nicht umsonst gibt es Frauenhäuser (sonst könnten ja die Frauen zu ihren Familien oder eben Freundin, die gibt es aber dann nicht mehr).
Ich musste mir oft Geschichten anhören, wie schlecht der/die war, habe nächtelang über Wochen rumtelefoniert, Geld und andere Unterstützung angeboten, damit ich zum Schluss der Buhmann bin, weil die besagte Person doch nicht so schlimm ist und ich nur kein Verständnis habe. Am Ende wurde mir auch noch mit der Person indirekt gedroht.
Die Aufforderung fand ich auch etwas seltsam.
Ich würde das jetzt nicht so absolut sehen wie Sie, das ich sofort nen Abflug mache, denn vielleicht kann ich ja Freund/Freundin behilflich sein, das er/sie dieses Problem in den Griff bekommt.
Oder aber es sind nur Verhaltensweisen abseits der massiven, körperlichen Gewalt, die ich zwar für mich keinesfalls akzeptieren würde, aber es ist ja nicht meine Beziehung.
Aber mich wochen- oder gar monatelang vollsacken zu lassen, ohne das die Person Konsequenzen aus ihrem Elend zieht und den Hintern hochbekommt würd ich mir auch nicht geben.
Das mag man ja wegen meiner für egoistisch halten, aber wenn die Person nicht bereit ist, das Problem im Rahmen ihrer Möglichkeiten anzugehen, dann ist mir meine Zeit dafür zu schade, da den Kummerkasten zu spielen.
Es stimmt wohl, kann jeder (und auch jedem) passieren. Dass man so jemanden kennen lernt und zunächst einmal attraktiv findet. Was ich mich nur manchmal frage, ist, warum manche Menschen so viel mit sich machen lassen, bis sie diese Bekanntschaft abbrechen. Ich hatte auch mal so einen Kandidaten. Die erste "red flag" war seine grundlose, völlig überzogene Eifersucht, die er einfach nicht in den Griff kriegte. Dazu kamen dann Heiratsanträge und gleich darauf Ausraster und an den Haaren herbeigezogene Unterstellungen. Drei Wochen, und weg war ich. So etwas macht doch Angst! Und gerade, wenn es gleich schon so los geht, obwohl noch kaum etwas passiert und das Ganze noch eher unverbindlich ist - dann müssen bei einem doch alle Alarmglocken klingeln. Vielleicht denken manche, ach, das wird sich schon geben? Oder fassen es sogar als Zeichen von "Liebe" auf?
"warum manche Menschen so viel mit sich machen lassen, bis sie diese Bekanntschaft abbrechen."
Weil sie in der Kindheit vom Vater misshandelt oder missbraucht wurden und so leider überhaupt nichts anderes kennengelernt haben.
Man muss in Schulen massiv die Prävention ausbauen und Jugendämter endlich ernsthaft gegenüber gewalttätigen Eltern durchgreifen. Aber weil die Jugendämter das Konzept von "biologische Mama, Papa und (leidendes) Kind" so toll finden, werden Kinder viel zu lange bei Menschen gelassen, die ihnen nicht gut tun. Ein Platz bei Pfelge- oder Adoptivfamilien (wo Kinder schädliche Beziehungmuster entlernen könnten) sind nun mal rar.
Und so werden die Kinder die Muster ihrer Eltern wiederholen, wenn sie nicht genug Glück haben, bwz igendeine Art des überaktiven Gefahrenradars gegenüber möglicherweise gewlttätigen Männern entwickelt haben.
Bedenklich finde ich bei dieser Diskussion, dass die Thematik der häuslichen Gewalt von manchen gerne auf den „kulturellen Background“ reduziert wird.
Das ist fahrlässig, oft genug latent fremdenfeindlich - und stimmt monokausal so auch nicht.
Häusliche Gewalt kommt wie im Artikel beschrieben quer durch alle Schichten in der Gesellschaft vor.
https://www.migazin.de/2016/…
https://www.spiegel.de/panor…
Dennoch bekommt man den Eindruck, dass sich viele auch hier gerne darin suhlen, nur ja die Bestätigung zu bekommen, dass vor allem der kriminelle Ausländer, gerne Muslim noch dazu, der häusliche Schläger sei...
Und diese eindimensionale Haltung verhindert oft genug, sich um relevantere Ursachen wie Sozialisierung, Bildung, soziale Schicht, eigene Gewalterfahrungen etc. der Betroffenen zu kümmern.
Außerdem lässt sich auch oft genug in der Diskussion vermissen, was denn mit den Gewalttätigen, ob Ausländer oder nicht, effektiv so passieren sollte, damit die Opfer besser geschützt sind und die Täter resozialisiert werden können.
Man kann sie nicht alle ausweisen oder in den Knast sperren - das versprechen uns nur die Populisten mit ihrer Propaganda!
Und sie sind es auch, die die Gesellschaft durch solche gefährlichen Einflüsterungen spalten, aber nochmal - ohne realistische, rechtsstaatliche Lösungen anzubieten.
Glauben Sie nicht, dass Sie damit manchen Gruppen, mit Migrationshintergrund, einen Bärendienst erweisen, wenn Sie das Thema Gewalt in Haushalten mit Migrationshintergrund von vorneherein tabuisieren, nur um ja keinen Populisten damit zu helfen.
Mir sind dazu nur zwei etwas ältere Studien bekannt, aber diese zeigen doch ein Bild, das man nicht ignorieren sollte (Beide finden Sie hier verlinkt: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj…)
Das wäre einmal die repräsentative Studie "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland" von 2004.
"Bei Gewalt in Paarbeziehungen fällt vor allem die hohe Betroffenheit türkischer Frauen auf, die deutlich über dem Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung in Deutschland liegt. So hatten in der Hauptuntersuchung insgesamt 25 % der Frauen angegeben, Gewalt durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner erlebt zu haben, während Frauen türkischer Herkunft dies zu 38 % angaben"
Die zweite Studie "Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen" ist von 2009.
"Bereits vorangegangene Auswertungen der Studie konnten aufzeigen, dass Frauen mit türkischem Migrationshintergrund häufiger und auch schwerere Gewalt in Paarbeziehungen, insbesondere durch den aktuellen Partner, erlebt haben [...]."