Sie vertrödeln ihre Zeit auf Facebook, empören sich nicht, und ihre Konzentration reicht maximal für (im besten Fall fehlerfrei formulierte) 140 Zeichen. So das gängige Bild älterer Menschen von jungen Erwachsenen. Wer in Online-Communitys aktiv ist und in Foren diskutiert, ist jung, denn Geburtsjahrgänge jenseits der Digital Natives sind zu alt, um die digitale Welt zu verstehen, glauben die Jungen von den Älteren.
Soweit das Klischee. Und die Realität? Zumindest die ZEIT-ONLINE-Community ist alles andere als eine eingeschworene U35-Gemeinschaft. Selbstironisch bemerkt gruebler1836, "manche von uns alten Säcken sind sogar in der Lage, sich in ZO-Kommentaren zu melden ;-)". Zwar gibt es keine Statistiken über die Altersstruktur, denn die Angabe persönlicher Daten geschieht freiwillig und am Profilnamen allein kann man das Alter nicht ablesen, aber manchmal wird das Feld "Geburtsjahr" durchaus ausgefüllt, und dann vor allem von älteren Semestern. Sogar Jahrgänge in den 1940ern sind keine Seltenheit. Vielleicht gehen Vertreter dieser Generation freizügiger mit ihren Daten um als die Generation der Piratenpartei, vielleicht wollen sie der gängigen Vorstellung von den jungen Foren etwas entgegensetzen, im Ergebnis jedenfalls bedeutet ihre Präsenz, dass in der Community bisweilen 70-jährige mit 25-jährigen diskutieren.
Das ist insofern bemerkenswert, als sich Vertreter unterschiedlicher Generationen im realen Raum wohl kaum so authentisch, intensiv und gleichzeitig so unverbindlich aufeinander einlassen würden. Für manche Debatten mag das Alter der Teilnehmer irrelevant sein. Flüchtlingspolitik, Ukraine-Konflikt, Waffeneinsätze im Ausland – in den Debatten zu diesen Themen verlaufen die Trennlinien eher auf politischer Einstellungsebene als auf einer generationalen. Aber es gibt auch Debatten, die für generationsbedingte Konfrontationen sorgen und von Unverständnis, Misstrauen und Anschuldigungen geprägt sind. In denen deutlich wird, wer auf welcher Seite steht, wer sich der Generation X, Y, den Babyboomern oder der Kriegsgeneration zugehörig fühlt.
Wettbewerb um gesellschaftlichen Beitrag
Persönlich wird es dann, wenn es auf einen Generationenvertrag zwischen Jung und Alt hinausläuft. Wohin gehen meine Steuern? Und wer zahlt meine Rente? Vertreter unterschiedlicher Altersgruppen fangen dann an, sich zu vergleichen und ihren gegenseitigen gesellschaftlichen Beitrag zu hinterfragen. "Was machen die Jungen?", fragt Leser Realpolitik provokativ und liefert selbst die Antwort: "Selfies". Sie "liken, geocachen und daddeln", fügt ZEIT.online.Leser hinzu und "halten es schon für eine politische Großtat, wenn sie sich auf Twitter in falschem Deutsch auskotzen können", weiß Toranaga San. Der Vorwurf des Unpolitischen schwingt hier nicht nur unterschwellig mit. Verwöhnt und faul seien die Anhänger der "Generation Spaß", findet nicht nur Zwieback112. Es sei ihr Hedonismus, der sie davon abhalte, ans Morgen zu denken. Demonstrieren würden sie nicht einmal für die Verkürzung der Arbeitszeit, obwohl es ja ihr Hauptanliegen sei, so wenig wie möglich zu arbeiten. Die ältere Generation traut den Jüngeren eher zu, Smoothies zu mixen als in die Fußstapfen der 68er zu treten.
Die Jungen sind schnell dabei, das Bild geradezurücken und den Alten zu erklären, womit sie tatsächlich beschäftigt sind: "Arbeiten, um ehemaligen Post- und Bahnbeamten nach sehr überschaubarer Lebensarbeitszeit komfortable Renten auszuschütten", fasst tetrahydrofuran zusammen. Das Gehalt aus dem ohnehin schon prekären Arbeitsverhältnis gehe für überdimensionale Rentenzahlungen, für die eigene Rentenversicherung und für die Beiträge für das öffentlich-rechtliche Programm drauf, das sich ohnehin in erster Linie an Senioren richte, beklagt Joe Pirate. Mit sicheren und gut bezahlten Stellen habe es die ältere Generation so gut wie keine andere gehabt, findet Suryo, und nun "predigen Sie den Jüngeren das, was sie selbst nicht leisten mussten: Mobilität, Flexibilität, ständiges Lernen, Verzicht, weniger Anspruchsdenken, Solidarität". lusiada vergleicht die Position ihrer Generation gar mit einem kollektiven "Warten auf Godot": Aus Angst um ihre Stellen gingen die Jungen nicht mehr auf die Straße, "die wahre Flexibilität liegt in der Akzeptanz verschlechterter Lebensverhältnisse".
Die Alten wiederum haben eine andere Erklärung für den vermeintlichen Mangel gesellschaftspolitischen Engagements der Jungen: Diese seien, formuliert Dr. Eckstein nicht ironiefrei, damit "beschäftigt, sich selber zu optimieren, um die Verwertbarkeit ihres Humankapitals zu maximieren. Wie soll da noch Zeit zum Demonstrieren bleiben?" Doch genau hier greifen die ersten Solidarisierungen. Enhardir sucht den Fehler bei sich und seiner eigenen Generation: Schließlich hätte sie es zugelassen, "dass 'die Jungen' mit der neoliberalen 'Jeder für sich und alle gegen alle'-Mentalität gehirngewaschen wurden". Und lobitoes appelliert an die Jungen: "Leute, ihr müsst dringend auf die Straße gehen, wir alten Säcke haben noch Muskelkater von den Straßenschlachten gegen AKW's, Vietnamkrieg und Ähnlichem, uns ging's halt gut!" Gleichzeitig verspricht er Solidarität: "Wir werden mitlaufen, aber ihr solltet anfangen!" Leser Off Minor bringt den deutsch-französischen Intellektuellen Stéphane Hessel ins Spiel, der noch mit 93 Jahren die Jugend dazu aufrief, sich endlich zu empören – was diese sich wiederum zu Herzen nahm und in Spanien, Griechenland und sogar Deutschland Protestbewegungen ins Leben rief.
In den Kommentarbereichen von ZEIT ONLINE wird debattiert, geschimpft und sich solidarisiert. Es fliegen, wie Tezcatlipoca erkennt, die Tomaten gegen "störrische Alte, privilegierte Pensionäre, verwöhnte Wohlstandskinder, unpolitische junge Kriecher" – also ganz grundsätzlich gegen "Nörgler aller Altersklassen". Und so wird der Kommentarbereich zu einem Ort, der geeigneter nicht sein könnte zur Austragung des Generationenkonflikts – weil es keine Altersschwelle gibt.
Kommentare
GY gegen Generation Gleitsichtbrille
Genau das ist bereits der falsche Ansatz: Von "gegen" kann schon aus gleichen oder ähnlichen Zielen heraus keine Rede sein. Warum?
Wir 50+ möchten unseren eigenen Kindern und Enkeln eine sichere und wenigstens gleich gute Zukunft ermöglichen.
Wir 50+ haben Aufschwung, den kalten Krieg und den Mauerfall erlebt.
Wir haben gute Zeiten - schlechte Zeiten durchgemacht - und zwar live!
Und wir kennen das alte soziale System. Krankenkassen mit ordentlichen Leistungen und nicht das jetzige "Deine Beiträge wollen wir - aber wehe du benötigst mehr als eine Regelleistung!". Ausreichende Renten oder allermeist unbefristete Arbeitsstellen. Einkommen, von denen Eltern nahezu aus dem finanziellen Nichts ein Haus abzahlen und Kindern ein Studium ermöglichen konnten. (Und wir kannten die Stärke der DM. )
Vernünftig denkende und handelnde Menschen - ob jung oder alt - haben ähnliche Ziele.
Die Vorstellungen der Wege dorthin sind unterschiedlich.
Und das ist gut so!
"Wir 50+ möchten unseren eigenen Kindern und Enkeln eine sichere und wenigstens gleich gute Zukunft ermöglichen."
aber was haben wir tatsächlich bekommen?
sozialen abbau wo es nur geht, einen regelrechten kampf gegen die armen, unsicherheit soweit das auge blicken kann, systematisches verhindern des wurzeln schlagens, weil die bosse der 50+er ja mobile und bis zum rückgratbruch flexible arbeiter wollen. und diese bei der ersten gelegenheit gegen roboter austauschen werden. und selbst unter besten durchschnittsbedingungen altersarmut ohne ende. ja. das ist eine zukunft auf die man sich freuen kann.
privilegierte Pensionäre
Genau die sind es die die Jungen noch eine Menge Geld kosten. Aber nicht nur die von Bahn und Post.
Es ist nicht alt gegen Jung oder umgekehrt. Es ist das System, das nur bis maximal zur nächsten Wahl plant.
Nicht nur Deutschland hat gewaltige Schulden, wenn das System bei den extrem niedrigen Zinsen keine abbaut, wann dann ?
Die nächste Steuererhöhung kommt bestimmt. Und wenn sie nur als Zwangs- Beitrag oder überteuerte Gebühr getarnt ist.
Wie recht Sie doch haben - und dies, obwohl die diesbezügliche Konsensstellungnahme der deutschen Wissenschaftselite unter dem Dach aller deutschen und nationalen Akademien der Wissenschaften erst nach ihrem Beitrag erschien.
Die deutsche Volkswirtschaft ist (Stand 2013) mit 670 % des deutschen BIPs gesamtverschuldet, was einer gigantischen Schuldsumme von über 18,5 Billionen € entspricht.
Nach Wirtschaftssektoren setzt sich diese Gesamtverschuldung grob wie folgt zusammen:
- Finanzielle Kapitalgesellschaften: 370 % des BIPs (10,5 Bill. €)
- Nicht-finanzielle Kapitalgesellschaften: 160 % des BIPs (4,5 Bill. €)
- Staatsschulden: 80 % des BIPs (2 Bill. €)
- Schulden privater Haushalte ca. 60 % des BIPs (1,5 Bill. Euro)
Quelle: S.29, Schaubild 9: Schuldenstandsquoten der Wirtschaftssektoren, BRD 1991-2013.
http://www.bbaw.de/publikati…
Diese 18,5 Billionen € Gesamtverschuldung der deutschen Volkswirtschaft machen deutlich, woran es im kapital-fetischistisch zwangserkrankten Neoliberalismus "SYSTEMATISCH" hakt.
1 % Zinsen/Renditen = 185 Mrd. € im Jahr oder ca. 7 % des deutschen BIPs.
5 % Zinsen/Renditen = 925 Mrd. € im Jahr oder ca. ein Drittel des unseres BIPs.
8 % Zinsen/Renditen = 1,48 Bill. € im Jahr oder deutlich mehr als die Hälfte unseres BIPs.
(8 % Verzinsung/Rendite erwartet und bekommt nebenbei das immer reicher werdende reichste Prozent aus unserer Mitte für seine Kapitalanlagen)
Meinungen sind langweilig
Sie sind allzu oft nur die Folge der Situation, in der sich ein Mensch befindet. Wechselt die Situation, gibts auch eine neue Meinung.
Einer der besten Kommentare die ich bisher las. Ich bitte darum ihn mir merken zu dürfen.
der Generationenkonflikt
hat mit dieser Form der Auseinandersetzung eine höhere Ebene erreicht und das ist gut so
ich alter Knacker wäre froh darüber gewesen,so einen offenen und vielfälltigen Meinungsaustausch pflegen zu können
daraus kann die eine wie die andere Generation lernen
auch wenn die Ypsilons glauben,die Welt wurde mit facebook und den anderen Schnickschnack neu erfunden,wird es noch eine Generation dauern,bis dieses Neuland sowas wie einen Niveau-und Kulturstatus erreicht
Es waren die alten Knacker (Investoren), die aus der revolutionären Technik eine Verblödung und Vermarktungsmaschine gemacht haben. Wir müssen schon bei den Tatsachen bleiben.
Aber Herr Zuckerberg ist doch Jahrgang 84, also noch ziemlicht jung. Er hat doch mit Facebook unter Anwendung revolutionärer Technik (Smartphone) eine Verblödungs- und Vermarktungsmaschine geschaffen, die von den vorher schon teilverblödeten Agehörigen unserer Gesellschaft mit Eifer benutzt wird.
Genau....und man sollte nicht alle über einen Kamm scheren. Wer sich verblöden läßt hat auch selbst Schuld daran.
"Wir müssen schon bei den Tatsachen bleiben."
So hat eben jeder seine eigenen objektiven Tatsachen...